Werner Kogler trennt noch der Bundeskongress von Regierungsbeteiligung und Vizekanzleramt.
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Zu Jahresbeginn 2020 ist der Nationalratswahlkampf schon Schnee von gestern. "Mit dieser Schnöseltruppe geht es einmal gar nicht, das ist logisch", tönte es von Werner Kogler Ende August in der Puls4-Wahlarena in Richtung einer etwaigen türkis-grünen Koalition mit der ÖVP von Sebastian Kurz.
Jetzt steht der Grünen-Chef vor dem Regierungspakt mit dieser türkisen "Schnöseltruppe". Das zeigt zweierlei und sagt einiges über den 58-jährigen Steirer aus: Nichts wird so heiß gegessen, wie im Wahlkampf gekocht, und Kogler bleibt zwar ein Anti-Schnösel, ist aber ein gewitzter, letztlich pragmatischer Grün-Politiker.
Schon vor Wochen hat er im Zuge eines "ZiB2"-Interviews eingeräumt, dass praktisch jede grüne Regierungsbeteiligung besser als eine Neuauflage von Türkis-Blau sei. Dieses Argument wird auch ins Treffen geführt werden, wenn Kogler und seine zahlreichen Mitverhandler beim grünen Bundeskongress am Samstag die Koalitionsvereinbarung verteidigen werden. Denn der Sanktus der grünen Delegierten steht auf dem Weg zur ersten türkis-grünen Bundesregierung und dem Amt des Vizekanzlers für den grünen Parteichef noch im Weg.
Rebell beim Start im linken Flügel der Öko-Bewegung
Werner Kogler gehört seit den Anfängen der Bewegung zum Inventar der grünen Partei. Der jetzige Bundessprecher studierte Volkswirtschaft und Jus. Als 20-Jähriger war er Anfang der 1980er-Jahre unter den Gründungsmitgliedern der Alternativen Liste Graz und Steiermark.
Diese bildete in der Folge den linkeren Flügel der Grün-Bewegung unter der grünen Urmutter Freda Meissner-Blau. Fast 40 Jahre später wird der ehemalige Grazer Gemeinderat als jener Parteichef in die Geschichtsbücher eingehen, der die Grünen erstmals in eine Bundesregierung führt.
Kogler verkörpert den leutseligen Grün-Politiker, der den Bürgern umweltpolitische Anliegen näherbringen kann. Der Steirer ist nicht nur ein Anti-Schnösel. Er ist auch so ziemlich das Gegenteil jenes grünen Typus, der in den vergangenen Jahren nach Alexander Van der Bellens Abgang die Grünen vertreten hat. So handelten sich die Grünen den Ruf ein, eine "Verbotspartei" zu sein - ausgerechnet jene Partei, die jahrzehntelang gegen den unumschränkten Einfluss der Staatsobrigkeiten gekämpft hatte. Mancher Österreicher war von den Grünen verschreckt, wenn nicht sogar verstört. Kogler bringt Leichtigkeit in die Partei, mit Humor nimmt er gerne etwas auf die Schaufel. Auch sich selbst, wenn er, wie unmittelbar nach Weihnachten meinte, ein Sakko trage er, um den Bauch aufgrund der Weihnachtskekse zu kaschieren.
Der grüne Parteichef zählt auf parlamentarischer Ebene zu den Urgesteinen. Vor 20 Jahren, im Jahr 1999, zog er erstmals in das Hohe Haus ein, wo er bis zum unsanften Hinauswurf der Grünen durch die Wähler bei der Nationalratswahl 2017 auch blieb.
Er ist ein wortgewandter, des Öfteren ausschweifender Redner. Im Parlament hat er sich einen Ruf als ausdauernder Kämpfer in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen gegen Skandale wie jenem zur Hypo-Alpe-Adria-Bank erarbeitet. Daneben werkte er als Budget- und Finanzexperte seiner Partei. Der Aufstieg Koglers zum künftigen Vizekanzler der Republik ist aber auch außergewöhnlich. Jahrelang galt der Oststeirer als klassische Nummer zwei bei der Öko-Partei. So war er auch unter Parteichefin Eva Glawischnig der geradezu logische Stellvertreter.
Es spricht aber für seine Kämpfernatur, dass er sich während der grünen Depression nach der Wahlschlappe 2017 nicht leise davonschlich. Als interimistischer Parteichef sorgte er dafür, dass die Grünen auf Bundesebene nicht endgültig verwelkten, sondern finanziell und politisch die Dürre-Phase überstanden.
Politische Schützenhilfedurch Freiheitliche
Der Einsatz trug für ihn als Spitzenkandidat bei der EU-Wahl im vergangenen Mai erstmals mit gut 14 Prozent Früchte. Damit stand praktisch fest, dass er nicht nach Brüssel ins EU-Parlament gehen wird, sondern seine Partei als Spitzenkandidat in die vorgezogene Nationalratswahl führen wird.
Der 58-Jährige hatte politisches Glück, das ihm beim Comeback der Grünen auf die bundespolitische Bühne zur Hilfe kam. Ausgerechnet die Freiheitlichen mit ihrem Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache führten mit der Ibiza-Affäre zum Bruch von Türkis-Blau. Das ebnete den Weg zu Neuwahlen und zur Rückkehr der Grünen. Da war aber auch noch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg, die mit der Fridays-for-Future-Bewegung wertvolle Schützenhilfe für Kogler & Co. geleistet hat. Am Ende standen die Grünen mit einem Plus von rund zehn Prozentpunkten und knapp 14 Prozent als zweiter Wahlsieger neben der Kurz-ÖVP fest. Zwei Jahre, nachdem die Grünen am Boden zerstört waren.
Der Grünen-Chef sieht sich zwar selbst als "Fundi". Schon in der Jugend setzte er auf Provokation in einem "tiefschwarzen Nest" (Kogler), seiner Heimatgemeinde St. Johann in der Haide bei Hartberg. In den Jugendjahren war der Fußballfan selbst beim Grazer Kultverein SK Sturm aktiv. Eine Fundi-Einstellung mag auch noch für die rebellische Frühphase bei den Grünen-Alternativen in der Steiermark gegolten haben.
Aber der Umstand, dass Kogler, wie auch seine grünen Mitverhandler doch eine Gesprächsbasis mit der Kurz-ÖVP gefunden haben und teilweise über diese gute Basis verwundert waren, waren in den vergangenen Wochen Zeichen für den Pragmatismus und Realismus des grünen Parteichefs. Kogler ist ein linker Fundi, wenn es darum geht, für eine Vermögenssteuer einzutreten. Er ist aber Pragmatiker genug, um zu wissen, dass ein Nein von Kurz dazu ein Nein im Rahmen einer türkis-grünen Koalition bedeutet.
Starke Position nach dem Wahlerfolg
Seine Rolle beim Überleben der Grünen nach dem Hinauskicken aus dem Parlament 2017 hat ihm in der Öko-Partei ein immenses politisches Gewicht verliehen. Das wird intern honoriert. Da bedarf es gar nicht des Hinweises, dass er sich nicht als Alleinunterhalter in einer Arena sieht und lieber auf ein Team setzt. Kogler mag hin und wieder auch für die eigenen Leute leicht chaotisch wirken. Mit dem Wissen um seinen Anteil am grünen Erfolg kann er selbstbewusst in den Bundeskongress gehen. Arroganz hat man dem Hemdsärmeligen auch in der Vergangenheit nicht vorgeworfen.