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"Der Herbst ist die Zeit, um die Ernte einzufahren"

Von Brigitte Pechar

Politik

Vizekanzler Mitterlehner will in der Regierung in den nächsten Monaten Ergebnisse sehen, sonst müsse man über Konsequenzen reden. Dem "Belastungsansatz" der SPÖ will die ÖVP mit einem "Motivationsansatz" begegnen.


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Wien. Während Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) beim UNO-Flüchtlingsgipfel in New York weilt, sinniert Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) über die medialen Karambolagen der vergangenen Wochen, in denen sich die Regierungsparteien mit gegenseitigen Unfreundlichkeiten und unkoordinierten Vorschlägen das Leben schwer gemacht haben. Mitterlehner will ein Ende all dessen. Stattdessen hat er in einem Hintergrundgespräch am Montag ein klares Ziel vorgegeben: Bis Ende des Jahres muss die Regierung einen konstruktiven Weg finden und Reformvorschläge fertig haben. "Entweder bringen wir das Ding systematisch zum Laufen oder eben nicht. Dann reden wir über die Konsequenzen. Bis Jahresende muss was passieren."

Neuwahlen wären demokratiepolitisch gefährlich

Anstatt "medialer Einzelpositionierung" - Kanzler Kern hatte in einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" einen grundsätzlichen Kurswechsel in der europäischen Wirtschaftspolitik und die Abkehr vom EU-Sparkurs gefordert - sollte die Regierung wieder zur Gemeinsamkeit zurückfinden, denn Regierungsarbeit sei Teamarbeit. "Wir haben genau diesen Herbst Zeit, um die Ernte, die wir uns vorgenommen haben, einzufahren."

Allerdings, ein wirkliches Druckmittel für den Abschluss von Reformprojekten hat der Vizekanzler nicht im Talon, denn Neuwahlen sind für ihn derzeit keine Alternative: "Es wäre demokratiepolitisch gefährlich und total sinnlos, wenn wir uns in der Regierung jetzt auch noch in die Luft sprengen. Dann ist überhaupt keine Sicherheit und Struktur mehr da, dann haben wir nur noch polarisierende Auseinandersetzung." Sollte es also keine gemeinsamen Erfolge für die Regierung geben, wäre das zwar nicht das Ende der Koalition, aber die Chancen für eine weitere Zusammenarbeit wären dann "nicht gut".

Grundsätzlich findet Mitterlehner aber Gefallen an der ideologischen Positionierung des Kanzlers mit Deficit-Spending und Wertschöpfungsabgabe, denn so würden die Menschen sehen, dass die Regierungsparteien eben nicht den gleichen politischen Weg vorsehen. "Jetzt haben wir eine Polarisierung, einen Wettbewerb im politischen Bereich" - das sei gut. Wobei, wie es Mitterlehner formulierte, die ÖVP dem Belastungsansatz der SPÖ einen Entlastungsansatz gegenüberstelle. Zuerst müsse eingezahlt werde, ehe man verteilen könne. Präzisieren will er die Vorhaben und Wirtschaftspläne der Volkspartei in einer Rede an die Nation in der zweiten Oktoberhälfte. Im Herbst gehe es darum, eine neue unternehmerische Akzentuierung des gesamten Landes einzuleiten.

Ende der kaltenProgression ab 2018

Ein Vorhaben soll auf jeden Fall im Herbst abgeschlossen werden: die Abschaffung der kalten Progression. Bis Jahresende soll ein Regelwerk dafür beschlossen sein, in Kraft treten soll das dann mit 2018. Die ÖVP fordert hier einen Automatismus. Demnach sollen die Steuertarifstufen automatisch erhöht werden, wenn die Inflationsentwicklung einen gewissen Grenzwert - noch nicht klar ist, ob es drei oder fünf Prozent sein sollen - überschreitet. "Das ist eine Frage der Gerechtigkeit", sagte der Vizekanzler. Für die SPÖ sieht diese Gerechtigkeit aber anders aus, sie wünscht sich, dass vor allem auch Wenigverdiener profitieren sollen. Ein möglicher Kompromiss könnte daher lauten, dass Negativsteuerbezieher diese Anpassung mit einem Plus auf ihrer Negativsteuer vergolten bekommen, wie Mitterlehner bestätigte.

Mindestsicherung light mit Integrationsvereinbarung

Ein weiteres Projekt, das fertiggestellt werden müsse, sei die Reform der Mindestsicherung. Die ÖVP beharrt hier auf einer Deckelung für Familien bei 1500 Euro im Monat. Für das Wohnen könne es im Gegenzug Sachleistungen geben. Für Personen, die noch nicht länger als sechs Jahre in Österreich sind, sollte es eine Mindestsicherung light geben - eventuell gekoppelt an eine Integrationsvereinbarung. Es müsse jedenfalls eine Spreizung zwischen Arbeits- und Transfereinkommen geben. Das falle unter "Solidarität gegenüber jenen, die das Sozialsystem finanzieren".

Außerdem soll es eine Entbürokratisierungswelle mit Neuorganisation der Gewerbeordnung geben. Begleitet soll das nach Wünschen Mitterlehners mit einer Flexibilisierung der Arbeitszeit werden. Der 12-Stunden-Tag soll in Verbindung mit einer Gleitzeitregelung möglich werden, Überstunden sollen in Freizeit abgegolten werden.