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Der "Höhepunkt" einer Terrorwelle

Von Dieter Reinisch

Reflexionen
Das King-David-Hotel vier Tage nach dem Irgun-Attentat im Juli 1946.
© Fox Photos / Getty Images

Der Anschlag der zionistischen Irgun-Gruppe auf das King-David-Hotel in Jerusalem 1946 – und die Folgen.


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Kurz vor zwölf Uhr mittags am 22. Juli 1946 fuhr ein gestohlener Lastwagen zum Lieferanteneingang des King-David-Hotels in Jerusalem. Ein Gruppe Terroristen lud mehrere Milchkannen aus, die mit Sprengladungen befüllt waren. Um 12:37 Uhr, rund vierzig Minuten später, detonierte die Bombe und riss 91 Menschen in den Tod. 36 Jahre lang blieb es der schwerste Terroranschlag der Geschichte. Die Bombe wurde von der radikalen zionistischen Untergrundorganisation Irgun gelegt. Sie führte im Jahrzehnt vor der Ausrufung des Staates Israel eine blutige Terrorkampagne gegen Briten und Araber. Ihr Kommandeur war der spätere israelische Regierungschef und Friedensnobelpreisträger Menachem Begin.

Die Geschichte des modernen Staates Israel wird seit seiner Gründung von Gewalt begleitet. Bereits die Jahre vor der Staatsgründung waren von Gewalt geprägt - durch militante Massen während der Aufstände der 1920er und 1930er Jahre, staatliche Gewalt der britischen Kolonialmacht und Terrorismus. Terror ist die gezielte Verwendung von Gewalt durch politisch-motivierte Akteure, um politische Ziele zu kommunizieren und andere Akteure zum Handeln zu bewegen. In Palästina war vor der Gründung Israels Terror ein Mittel zionistischer Gruppen, um in erster Linie die Briten zum Abzug zu drängen. Dies sollte erreicht werden, indem Palästina für die Briten unregierbar gemacht wurde und die Alliierten in Moskau, Paris und Washington einen israelischen Staat anerkennen. Der Höhepunkt der zionistischen Terrorwelle wurde mit dem Anschlag auf das King-David-Hotel vor 75 Jahren erreicht.

50 Pfund Sprengstoff

Das King-David-Hotel wurde 1929 als Luxushotel errichtet. Der Schweizer Architekt wollte den "semitischen Stil der glorreichen Ära von König David" nachempfinden. Das Hotel beheimatete eine Tee-Lobby im Erdgeschoß und den La-Regence-Nachtclub im Keller. Aber es war auch der Sitz der britischen Kolonialverwaltung in Palästina. Im Südflügel des Hotels waren die Verwaltung, das Armeehauptquartier und die Geheimdienste MI5 und MI6 untergebracht. Das Armeehauptquartier saß im vierten Stock, die palästinensische Regierung im Erdgeschoß, Mezzanin und den drei darüberliegenden Stockwerken. Weniger als ein Drittel der Zimmer, vor allem jene im Nordflügel, waren für normale Hotelgäste vorgesehen.

In dem gestohlenen Lastwagen, der am 22. Juli 1946 vor dem Lieferanteneingang parkte, befanden sich sechs Irgun-Mitglieder. Einer war als arabischer Arbeiter in blauer Uniform verkleidet und überwältigte den Wachposten. Eine zweite Person hielt das Küchenpersonal fest und die anderen vier Mitglieder des Terrorkommandos schleppten vier Milchkanister mit jeweils fünfzig Pfund Sprengstoff in den Nachtclub im Keller des Hotels. In arabischer, englischer und hebräischer Sprache wurde eine Warnung angebracht: Minen - nicht berühren! Beim Verlassen des Kellers wurden sie von einem britischen Offizier aufgehalten. Als dieser nach einer tätlichen Auseinandersetzung flüchten wollte, traf ihn ein Schuss eines Irgun-Mitglieds tödlich. Inzwischen war Alarm ausgelöst worden und die Polizei erreichte das Hotel. Im anschließenden Feuergefecht starben zwei Terroristen, die anderen flüchteten zu Fuß in Richtung Altstadt.

Der Irgun-Kommandeur und spätere israelische Regierungschef und Friedensnobelpreisträger Menachem Begin im Jahr 1969.
© Israel Press and Photo Agency (I.P.P.A.) / Dan Hadani collection, National Library of Israel / CC BY 4.0, CC BY 4.0

Währenddessen explodierte eine erste Bombe auf der gegenüberliegenden Straßenseite vor einem arabischen Souvenirgeschäft. In seinen Memoiren schrieb Begin später, die Explosion sollte einen großen Knall machen, damit sich alle Passanten aus der Umgebung des Hotels zurückzogen. Die Sprengkraft war aber höher als erwartet und viele arabische Fahrgäste eines vorbeifahrenden Buses wurden verletzt.

Als Adina Hay-Nissan, ein junges, weibliches Irgun-Mitglied, die Explosion hörte, war es ihr Zeichen, von einer Telefonzelle aus das Hotel anzurufen: "Hier spricht die Jüdische Widerstandsbewegung. Wir haben Bomben im Hotel platziert. Bitte evakuieren Sie unverzüglich. Dies ist eine Warnung." Auch beim französischen Konsulat und dem Hauptpostamt gingen Warnanrufe ein. Doch bereits zwanzig Minuten später explodierte die Bombe. Die Außenfassade sowie nahezu alle Stockwerke des Südflügels wurden zerstört. Im Hotel starben 91 Personen, 70 weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Die Toten waren 41 Araber, 28 Briten, 17 Juden sowie Armenier, Russen, Ägypter und Griechen. 13 Tote waren britische Militärs, 16 hohe Beamte, aber auch viele Passanten und Hotelgäste sowie Mitarbeiter waren unter den Opfern. In einer Studie zum Anschlag schreibt der führende US-Terrorismusexperte Bruce Hoffman: "Auch wenn das King-David-Hotel ein legitimes militärisches Ziel war, war die Mehrzahl der Opfer Zivilisten."

Irgun Zwai Leumi (Nationale Militärorganisation) war nur eine von drei damals aktiven illegalen jüdischen Organisationen in Palästina. Die anderen beiden waren Haganah (Verteidigung) und Lohamei Herut Yisrael (Freiheitskämpfer für Israel), bekannt unter dem Akronym Lehi, und von den Briten nach ihrem Kommandanten Avraham Stern als "Stern-Gruppe" bezeichnet.

Erste Autobombe

Haganah war die größte der drei. Sie sah sich als Selbstverteidigungsorganisation, die der Nuk-leus einer späteren Armee Israels sein sollte. Hoffman meint daher, es wäre "inkorrekt, Haganah als terroristische Organisation zu bezeichnen. Die anderen beiden waren es aber allemal". Teilweise traten die drei Gruppen gemeinsam als "Hebräische Widerstandsbewegung" in Aktion.

Das Ex-Lehi-Mitglied und der spätere Likud-Politiker Yitzhak Shamir im Jahr 1980.
© Marcel Antonisse / Anefo, CC BY-SA 3.0 NL, via Wikimedia Commons

Das Mandatsgebiet Palästina war 1921 vom Völkerbund unter Kontrolle Großbritanniens gestellt worden. Als Reaktion auf den arabischen Aufstand von 1936 gründetete der polnische Jude Ze’ev Jabotinksy Irgun. Als Irgun 1939 erklärte, während des Weltkriegs die Briten nicht anzugreifen, spaltete sich von ihr die radikale Lehi unter Stern ab. Zu ihren Mitgliedern gehörte der spätere Regierungschef und Likud-Politiker Yitzhak Shamir. Bis 1944 ermordete Lehi 40 Briten, Araber und gemäßigte Juden. Nach dem Ende des Weltkriegs setzte auch die Irgun-Kampagne wieder ein. Sie hatte damals vier- bis fünftausend Mitglieder. Die britische Weigerung, abzuziehen und einen jüdischen Staat zu gründen, legitimierte in den Augen der radikalen Zionisten die Anwendung politischer Gewalt. Die erste Welle setzte im Frühjahr und Sommer 1946 ein. Geheimdienstler vermuteten, dass fünf Terrorzellen nach London geschickt wurden, um dort Terroranschläge durchzuführen. Auch die Ermordung des britischen Außenministers Ernest Bevin soll geplant gewesen sein.

Bereits im November 1944 hatte die Stern-Gruppe den britischen Nahost-Minister Lord Moyne vor seiner Villa in Kairo erschossen. Im Juni 1946 kam es zu einer Bombenkampagne gegen Infrastruktureinrichtungen. Die Briten reagierten mit der Verhaftung von 2.700 Zionisten am "schwarzen Sabbat", wie der 29. Juni später genannt wurde. In seinen Memoiren schreibt Begin, die Bombardierung des King-David-Hotels verfolgte auch das Ziel, belastende Akten gegen die verhafteten Zionisten, die in den Geheimdienstbüros gelagert wurden, zu zerstören.

Die Briten führten die Todesstrafe für radikale Zionisten ein. Doch die Terrorkampagne ging weiter: Bei einem Angriff auf ein Flugfeld wurden 22 Royal-Air-Force-Flugzeuge zerstört und in einer Serie von Anschlägen wurden an einem Tag 80 britische Soldaten getötet oder verletzt. Im Jänner 1947 setzte Lehi die erste Autobombe in der Geschichte ein: Neben einem Polizeiposten explodierte ein LKW, vier Personen starben, 140 wurden verletzt. Im Juli 1947 erhängten die Briten drei Irgun-Kämpfer. Irgun reagierte mit der Verschleppung und Hängung zweier britischer Soldaten. Die Terrorkampagne gegen die britische Kolonialmacht ging noch bis Herbst 1947 weiter.

Die Bombe im King-David-Hotel erreichte ihr Ziel: Die Welt wurde auf die Anliegen der Zionisten aufmerksam. Denn für die gewaltbereiten Zionisten war die Anwendung von Terror eine Strategie, ihre Ziele zu kommunizieren und die Sicherheitslage in Palästina zu verschlechtern. Dadurch sollte der Kosten-Nutzen-Faktor der Besetzung für die Briten verschlechtert werden. Zusätzlich sollten die Alliierten in Washington, Paris und Moskau zum Handeln gedrängt werden - die primären Adressaten der zionistischen Terrorkampagne zwischen 1946 und 1948 waren also außerhalb Palästinas.

"Vorbild"-Wirkung

Nach dem Anschlag auf das Hotel orientierte sich die zionistische Terrorkampagne auf Europa. Die britische Botschaft in Rom, britische Einrichtungen in Deutschland und Regierungsbüros im Zentrum Londons wurden bombardiert. Calder Walton schreibt in seinem Buch "Empire of Secrets", dass aufgrund der Terrorkampagne 1947 bereits 100.000 britische Soldaten in Palästina stationiert waren - ein Zehntel der gesamten Stärke der britischen Streitkräfte. Ein Aufwand, den das Empire nicht länger aufrechterhalten konnte. Im Sommer titelte der "Manchester Guardian": "Es ist Zeit, zu gehen." Wenig später stimmten die Briten dem UN-Plan zur Teilung des Mandatsgebietes zu.

Als klar wurde, dass die Araber dem UN-Plan nicht zustimmen werden, forcierten Irgun und Lehi wieder ihre Angriffe auf Araber. Dadurch wurde eine Spirale der Gewalt zwischen jüdischer und arabischer Bevölkerung beschleunigt. Eine Zeit lang setzten die beiden Gruppen ihre Aktionen fort, sie wurden aber bald ebenso wie Haganah in die neue israelische Armee IDF eingegliedert. Irgun-Kommandant Menachem Begin wurde später genauso wie Lehi-Kommandant Yitzhak Shamir ein Premierminister Israels. Letzterer benannte seinen Sohn nach dem Kampfnamen von Lehi-Gründer Avraham Stern: Ja’ir.

Seit Jahren diskutieren Wissenschafter, ob Terrorismus als Strategie erfolgreich sein kann. Der Anschlag auf das King-David-Hotel ist eines der universitären Lehrbuchbeispiele für einen Terroranschlag, der langfristig das Ziel erreichte: Es war ein zentraler Wegpunkt hin zur Ausrufung des Staates Israel. Die zionistische Terrorkampagne hatte auch andere Auswirkungen. Aufgrund ihres militärisch-strategischen Erfolgs wurde sie zum Vorbild von terroristischen Gruppen auf der ganzen Welt. Als die USA nach dem 11. September 2001 in Afghanistan einfielen, fanden sie dort in der Bibliothek eines Al-Kaida-Verstecks ausgerechnet eine Ausgabe der 1951 erschienenen Erinnerungen Begins an seine Zeit im terroristischen Untergrund.

Dieter Reinisch forscht zu sozialen Bewegungen und politischer Gewalt am Institut für Politikwissenschaft und Soziologie der National University of Ireland in Galway und lehrt an der Webster Vienna Private University. Im Frühjahr 2022 erscheint sein Buch "Terror: Eine kurze Geschichte der politischen Gewalt" bei Promedia.