Ursprünglich hätte der große Bawag-Prozess gegen Helmut Elsner und Co. nach 44 Verhandlungstagen am 31. Oktober enden sollen. Dieser Termin ist längst verstrichen, ohne dass ein Urteil in Sicht ist. Manche Prozessbeobachter halten es gar für möglich, dass Richterin Claudia Bandion-Ortner erst zu Ostern ihren Spruch fällt. Wahrscheinlicher ist allerdings eher Ende Februar.
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Dass sich das Verfahren dermaßen hinzieht und demnächst den Lucona-Prozess gegen Udo Proksch überholen wird (57 Tage), liegt einerseits an der komplexen Materie. Andererseits braucht es halt seine Zeit, um die bisher rund 70 Zeugen zu befragen - auch wenn einige davon eher entbehrlich waren. So stellt sich die Frage, wo der Sinn darin liegt, sämtliche vom ÖGB entsandten frühere Bawag-Aufsichtsräte vorzuladen, deren Aussage jedes Mal in etwa lautete: "Ich war empört und schockiert, man hätte uns informieren müssen, die ÖGB-Garantie hätte niemals eigenmächtig abgegeben werden dürfen." Wirkliche Neuigkeiten waren von den Gewerkschaftern nicht zu hören. Daran wird auch der Auftritt von vida-Gewerkschafts-Boss Rudolf Kaske heute, Dienstag, kaum etwas ändern.
Aber es gehört zur Verhandlungsart von Richterin Bandion-Ortner, dass sie sich jede Stimme ganz genau anhört. Es könnte ja etwas Entscheidendes dabei sein. Wenn man ihr - wie in manchen Kommentaren geschehen - deswegen vorwirft, dem Kern der Sache zu wenig auf den Grund zu gehen, tut man der 40-jährigen Juristin unrecht. Sie versucht sich ein klares Bild von einer sehr verschwommenen Sache zu machen. Dazu ist es nötig, wirklich jeden Aspekt zu betrachten - auch im Sinne der Angeklagten.
Dass sie dies zuweilen mit einer gehörigen Portion Humor macht, tut der Sache keinen Abbruch. Vielmehr sorgt sie mit ihrer Art für eine angenehme Atmosphäre - was auch die lange Verfahrensdauer erträglicher macht. Wer ihr deswegen eine Verhandlungsführung "zwischen Barbara-Karlich-Show und einer Gerichts-Soap auf RTL 2" (Christian Ortner in "Die Presse" vom 5. Oktober) vorwirft, tut Bandion-Ortner ebenso unrecht wie jene, die ihr "Mediengeilheit" unterstellen - tatsächlich sind wohl eher die Medien "geil" auf die Richterin.
Außerdem darf man nicht vergessen, Bandion-Ortner kann auch ganz anders: Im Konsum-Prozess verurteilte sie Hermann Gerharter zu einer unbedingten Haftstrafe. Erst die letztinstanzliche Umwandlung des Urteils in eine bedingte Strafe bewahrte den Konsum-Boss vor dem Gefängnis.
Sollte die Richterin die Angeklagten schuldig sprechen, wird sie dies jedenfalls nicht lachend tun. Denn (auch wenn manche Kritiker das nicht glauben) sie kennt den Unterschied zwischen einem "Seitenblicke"-Event und einem Strafprozess sehr genau - schließlich hat sie beides schon erlebt. Seite 4