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Der Inflationseffekt der höheren Energiepreise verflüchtigt sich

Von Svein Aage Aanes

Gastkommentare

Ein Ende des Zinserhöhungszyklus bei den Zentralbanken ist in Sicht.


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Es gibt einige oberflächliche Ähnlichkeiten zwischen dem Inflations-Peak von 1973 und der heutigen Situation. Diese beziehen sich hauptsächlich auf die Rolle der Energiepreise beim Inflationsanstieg. Ich würde jedoch behaupten, dass es auch sehr wichtige Unterschiede zwischen den beiden Zeiträumen gibt.

Einer besteht darin, welche Faktoren für den allgemeinen Inflationsanstieg am wichtigsten sind. In den vergangenen Jahren und insbesondere seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine waren die Energiepreise zweifellos von großer Bedeutung. Noch wichtiger für die längerfristigen Inflationsaussichten und die Reaktion der Zentralbank dürften jedoch die Nachwirkungen der Corona-Pandemie gewesen sein. Der Mangel an Arbeitskräften nach der Wiedereröffnung in Verbindung mit Problemen in internationalen Wertschöpfungsketten war für die Zentralbanken und ihre Reaktion wahrscheinlich wichtiger als der Anstieg der Energiepreise als solcher.

Ein weiterer wichtiger Unterschied ist das geldpolitische System. 1973 war die Reaktionsrolle der Zentralbanken auf die Inflation unklar beziehungsweise nicht gut bekannt oder verstanden. Sie standen unter politischem Einfluss, und es gab keine klare Verbindung zwischen Geldpolitik und Inflation. In diesem System führten Inflationsschocks mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Anstieg der langfristigen Inflationserwartungen.

Inflationsrisiko verlagert sich

Im gegenwärtigen geldpolitischen System, in dem die Zentralbanken unabhängig sind und definierte Inflationsziele verfolgen, sind die langfristigen Inflationserwartungen besser verankert, solange die Zentralbanken in Übereinstimmung mit ihren Inflationszielen reagieren. In diesem Sinne können wir meines Erachtens sagen, dass wir bereits einige der Lehren aus der Hochinflationszeit in den 1970er und frühen 1980er Jahren umgesetzt haben.

Die Energiepreise waren bisher der größte Inflationstreiber, aber wie immer sind die Auswirkungen eines Energiepreisschocks nur vorübergehend und kurzlebig, wenn sie sich nicht durch höhere längerfristige Inflationserwartungen und ein höheres Lohnwachstum im Laufe der Zeit ausbreiten. Deshalb konzentrieren sich die Zentralbanken darauf, ihre Volkswirtschaften und Arbeitsmärkte durch Zinserhöhungen abzukühlen. Wir beobachten bereits, dass sich die Inflationseffekte der höheren Energiepreise verflüchtigen und sich das Inflationsrisiko auf längerfristige Inflationstreiber verlagert.

Die Zentralbanken nähern sich dem Ende des Zinserhöhungszyklus. Zwei Beispiele hierfür sind die norwegische Zentralbank und die Federal Reserve (Fed) in den USA. Die Zinssätze haben bereits ein Niveau erreicht, das sich dämpfend auf die Wirtschaft auswirkt, und beide haben das Tempo der Zinserhöhungen heruntergeschraubt. Sie werden den Höhepunkt des derzeitigen Zinserhöhungszyklus in diesem Frühjahr bei einem Niveau von etwa 3 Prozent in Norwegen und 5 Prozent in den USA erreichen. Die Europäische Zentralbank muss noch etwas weiter gehen, da sie den Zinserhöhungszyklus mit etwas Verspätung begonnen hat.

Wie üblich, wenn die Märkte erkennen, dass wir uns dem Ende eines Zinserhöhungszyklus nähern, kommt es zu einer reflexartigen Reaktion und einer Senkung der Zinssätze mit etwas längeren Laufzeiten, da der Markt Zinssenkungen in der Zukunft einzupreisen beginnt.

Auswirkungen auf die Märkte

Als die Zinssätze bis 2022 weiter angehoben wurden, begannen sowohl die Aktien- als auch die Kreditmärkte, eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen wirtschaftlichen Abschwung infolge der Zinserhöhungen einzupreisen. Schließlich geht es bei den Zinserhöhungen darum, die Wirtschaftstätigkeit zu dämpfen und die Wahrscheinlichkeit einer Verfestigung der Inflation durch einen anhaltenden Preis-Lohn-Zyklus zu verringern. In diesem Sinne haben die Risikomärkte bereits eine Art Wirtschaftsabschwung eingepreist, und es stellt sich schnell die Frage, ob sich dieser zu einer vollwertigen, tieferen Rezession auswachsen könnte.

Das Risiko einer solchen Entwicklung ist eindeutig gegeben. Die Fed beispielsweise hat nun in etwas mehr als sechs Monaten den Leitzins um 4,25 Prozentpunkte erhöht. Der Zinssatz ist eine stumpfe Waffe, und die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Art von Politikwechsel sind ziemlich ungewiss. Wir sehen jetzt, dass die vorausschauenden Wirtschaftsdaten fallen, und nicht zuletzt eine Abschwächung des Immobilienmarktes. Meiner Ansicht nach weiß derzeit niemand, auch nicht die Fed, wie sich die Situation entwickeln wird. Und wenn sich die Wirtschaftsaussichten ausreichend verschlechtern, besteht eindeutig die Gefahr, dass sich die Kreditspreads ausweiten, obwohl sie bereits für schwächere Zeiten eingepreist sind.

Der norwegische Leitzins liegt derzeit bei 2,75 Prozent und damit deutlich unter jenem der US-Zentralbank, aber immer noch etwas über jenem der EZB. Im Laufe des Herbstes wurde deutlich, dass die kombinierten Auswirkungen höherer Zinssätze und hoher Inflation eine dämpfende Wirkung auf die norwegische Wirtschaft haben - der Leitzins hat also bereits restriktives Terrain erreicht. Ein wichtiger Grund für die vergleichsweise starke Wirkung von Zinserhöhungen in Norwegen ist die Tatsache, dass mehr als 90 Prozent der Hypotheken der privaten Haushalte variabel verzinst sind, sodass sich Zinserhöhungen direkt in höheren Hypothekenzahlungen niederschlagen. Aus diesem Grund sind wir davon überzeugt, dass wir uns dem Ende dieses Zinserhöhungszyklus nähern. Wahrscheinlich wird es im März noch eine weitere Anhebung auf 3 Prozent geben, und dann ist es vorbei.