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Analyse: Auf syrischem Boden droht eine neue Eskalation mit globalen Folgen. Israel und Iran schenken einander nichts.
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Damaskus/Teheran/Wien. Sieben Jahre nach Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges ist von Frieden keine Spur. Im Gegenteil: Die vergangenen Tage haben verdeutlicht, dass gefährliche Muskelspiele der Perser und der Israelis auf syrischem Boden die ohnehin verworrene politische Lage noch komplizierter machen. Denn es gibt nicht nur den syrischen Bürgerkrieg per se.
Auch die Frage "Wer gegen wen" kann nicht mehr mit "Präsident Bashar al-Assad gegen seine Gegner" beantwortet werden. Es sind mehrere Konflikte mit geopolitischen Konsequenzen, die auf syrischem Territorium ausgetragen werden. Israel, die USA, die Türkei, Saudi-Arabien, der Iran, Russland, um einige zu nennen, mischen alle kräftig mit und tragen dazu bei, dass eine Lösung für das krisengeschüttelte Land kurz- und mittelfristig in weite Ferne gerückt ist.
Am meisten gibt jedoch eindeutig die jüngste Eskalation zwischen dem Iran und Israel Anlass zur Sorge: Als die Israelis am vergangenen Samstag mindestens zwölf Ziele in Syrien angegriffen haben, nachdem syrische Verbände einen israelischen Kampfjet des Typs F-16 abgeschossen hatten, war klar, dass hier eine neue Facette im Konflikt zum Vorschein kommt. Der israelische Brigadegeneral Tomer Bar brachte es auf den Punkt und sagte, dass es sich um die "größte kriegerische Eskalation gegen die syrische Fliegerabwehr seit dem Libanonkrieg von 1982" handle. Unter den von Israel beschossenen Zielen waren vier syrische Fliegerabwehrstellungen und vier Stellungen, die als "iranisch" eingeschätzt wurden.
Viele Experten sprachen daraufhin schon von einem bevorstehendem "Krieg zwischen den Persern und den Israelis. Denn für Israel, das sich bisher eher zurückhielt im Konflikt, wurde eine rote Linie überschritten. Militärische Stützpunkte des Iran und seines bewaffneten Armes, der Schiitenmiliz Hisbollah, an seinen Grenzen, sowie die Verbindung des Südlibanon mit Südsyrien durch einen Einflussbereich der dem Iran unterstehenden Hisbollah sind für Israel ein No-Go.
Wie kam es zur Eskalation in Südsyrien? Der abgeschossene israelische Kampfjet wurde ursprünglich losgeschickt, nachdem ein israelischer Apache-Kampfhelikopter eine Drohne iranischer Machart abgeschossen hatte, die vom Luftwaffenstützpunkt bei Homs gestartet und angeblich in den israelischen Luftraum eingedrungen war. Israelische Flugzeuge griffen daraufhin iranische Ziele in Syrien an. Dabei gelang es Soldaten der syrischen Armee, besagte israelische Maschine noch im israelischen Luftraum abzuschießen. Die beiden Piloten konnten sich mit dem Schleudersitz retten, wurden geborgen und ins Spital gebracht.
Abgesehen vom israelisch-iranischen Kleinkrieg auf iranischem Boden gab es vergangene Woche aber auch noch weitere Problemfelder: Im Nordwesten fielen mehr als ein Dutzend türkische Soldaten im Kampf gegen die Kurden, Ankaras Luftwaffe feuerte Raketen auf ihre Gegner. Im Osten töteten US-Luftangriffe vermutlich mehr als 100 regierungstreue Kämpfer und im Zentrum bombardierten syrische Kampfflugzeuge fast täglich ein eingeschlossenes Rebellengebiet, mehr als 200 Zivilisten kamen ums Leben. Die jüngsten Ereignisse zeigen aber auch ganz klar, dass die Saudis und die Amerikaner in Syrien nicht mehr viel zu sagen haben. Assad und der Iran gestärkt durch die Rückendeckung aus Moskau, scheinen sich zurückzulehnen und abzuwarten.
Unmittelbare Bedrohung vor der israelischen Haustür
Für die Perser, die mit 60.000 schiitischen Kämpfern unter ihrem Kommando vor Ort sind, gibt es nicht viel zu verlieren: Solange sich Benjamin Netanjahu nicht zu einem Angriff auf iranische Atomanlagen entschließt, testen die Al- Quds-Brigaden in Syrien, wie weit sie gehen können. Schlägt Israel in Syrien - wie eben vor wenigen Tagen zurück -, nimmt man das hin. Sollten die Israelis auf die Russen hoffen, damit diese Druck auf Teheran und Damaskus ausüben, wäre das naiv. Das Einzige, was der Kreml verhindern will, ist ein direkter Zusammenstoß mit Israel. Großer Gewinner dieser Woche ist die Hisbollah. Die Schiitenmiliz, von Israel vor wenigen Jahren noch als eine ausschließlich in Libanon operierende Terrorgruppe definiert, hat sich durch ihre starke Präsenz auf dem syrischen Schlachtfeld zu einer unmittelbaren Bedrohung vor der israelischen Haustür entwickelt. Zudem kann sie Israel durch ihre jahrelange Erfahrung und durch ihr großes Raketenarsenal enormen Schaden zufügen.
Israel hofft nun auf Hilfe Washingtons. Denn schließlich hat US-Präsident Donald Trump Teheran den Kampf angesagt und die USA mischen daher auch mit Soldaten mit: Das umkämpfte Gebiet nahe der früheren IS-Hochburg Deir al-Zor ist strategisch wichtig. Hier liegen Ölvorräte, die Grenze zum Irak ist nahe. Wer diese Gegend beherrscht, kontrolliert den Nachschub und kann Zollgebühren kassieren. Den iranischen Milizen geht es darum, dauerhaft eine Landachse zu sichern, die von Libanon am Mittelmeer über Syrien und den Irak bis nach Teheran führt.
Und was will Moskau? Wollten die russischen Einheiten nicht abziehen? Man weiß es nicht genau. Assad an der Macht halten, ja, das war die eine Doktrin. Doch wegen der hohen Kosten wäre Moskau an einem Ende des Konflikts interessiert. Zu viel iranischer Einfluss soll ebenfalls vermieden werden. Daher hat Präsident Wladimir Putin Israel den Raum gewährt, gegen Teherans Milizen vorzugehen. Und auch Ankaras Operation gegen die Kurden akzeptierte der Kreml ohne lauten Aufschrei.