Zum Hauptinhalt springen

Der Iran will nachgeben

Von Thomas Seifert

Politik

US-Außenminister Kerry sucht in Wien mit Javad Zarif nach einer Lösung im Atomstreit.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Der Ort vor dem Palais Coburg im ersten Wiener Gemeindebezirk, in dem Spitzendiplomaten seit Tagen einen Kompromiss im seit fast zehn Jahre schwelenden Atomstreit mit dem Iran suchen, heißt Theodor-Herzl-Platz. Das blaue Schild verleitet zu einer Assoziation und ruft in Erinnerung, dass Israel die Gespräche zwischen dem iranischen Außenminister Javad Zarif und US-Außenminister John Kerry mit größtem Misstrauen verfolgt. Israels Premier Benjamin Netanyahu warnte im konservativen US-Nachrichtensender Fox News vor einem Atomabkommen mit dem Iran, das Teheran die Fähigkeit belasse, Uran anzureichern. Das wäre eine Katastrophe für die USA und für die ganze Welt, sagte Netanyahu.

Im ersten Stock des Palais gaben sich am Wochenende auch die Außenminister von Großbritannien, Deutschland und Frankreich ein Stelldichein. Die westlichen Mächte - soviel ist klar - wollen endlich den Atomstreit beilegen und einen Vertrag aushandeln, der dem Iran eine militärische Nutzung seines Atomprogramms dauerhaft verunmöglicht. Barack Obama braucht dringend einen außenpolitischen Erfolg, nachdem der Reset in den Beziehungen zu Moskau in einem Systemabsturz geendet und der Rückzug der US-Truppen in Afghanistan und dem Irak für die Stabilität in diesen beiden Ländern auch nicht gerade förderlich war. Und auch dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani und seinem Außenminister Javad Zarif käme ein Verhandlungserfolg bei den Wiener Gesprächen sehr gelegen.

Seit dem Jahr 2005, zur Zeit der Präsidentschaft von Mahmud Ahmadinejad hatte sich der Konflikt um das iranische Atomprogramm zwischen dem Westen und dem Iran verschärft, der Iran wurde einem strengen Sanktionenregime unterworfen.

John Kerry noch in Wien

Bei komplexen Verhandlungen wie diesen ist bis zum Schluss nicht klar, ob es zu einer Einigung kommt. Denn es gilt das Wort von Michael Mann, dem Sprecher von Catherine Ashton: "Solange nicht alles entschieden ist, ist nichts entscheiden." Der britische Außenminister William Hague hatte am Sonntag vor Journalisten gesagt, die Differenzen seien nach wie vor sehr groß.

Aussagen wie jene von Hague sind eine Botschaft an die andere Seite am Verhandlungstisch. Das zweite Motiv hinter solchen Aussagen: Expectation Management. Soll heißen: Niemand will allzu große Erwartungen schüren, damit im Falle eines Scheiterns niemand zu sehr enttäuscht ist. Dazu kommt das Mikado-Dilemma: Niemand will sich zuerst bewegen, gleichzeitig wollen aber alle Seiten grundsätzliche Flexibilität demonstrieren. Ein "Wall Street Journal"-Journalist kündigte am Abend jedenfalls eine Exklusivmeldung an, wonach der Iran im wichtigsten Streitpunkt der Uran-Anreicherungskapazitäten bereit ist, nachzugeben.

Dass Kerry noch in Wien weilt, darf wohl auch als positives Zeichen für die Verhandlungen gewertet werden. "Wir sind inmitten von Gesprächen über die Weiterverbreitung von Atomwaffen und wollen das iranische Programm bremsen. Und ich kann Ihnen sagen, es sind sehr schwierige Verhandlungen", zitierte die Nachrichtenagentur AFP eine Aussage Kerrys. Die französische Agentur berichtete unter Verweis auf ägyptische Medienberichte zudem, Kerry werde am heutigen Dienstag zu Gesprächen über die Gaza-Krise in Ägypten erwartet.

Und dass nun der Bruder des Präsidenten, der Diplomat Hossein Fereydoun, mit im iranischen Verhandlungsteam sitzt, gilt ebenfalls als Indiz dafür, dass es dem Iran ernst ist.

Dass bis zum Ende der selbst gesetzten Frist am 20. Juli eine Einigung über ein endgültiges Abkommen zur Beilegung des Atomstreits erreicht werden kann, gilt als höchst unwahrscheinlich. Eine Verlängerung ist allerdings möglich, es war immer wieder davon die Rede, dass eine Einigung auch erst am 22. Juli oder gar erst im August möglich wäre. Wien könnte noch eine Weile im Fokus der Hochdiplomatie stehen, Außenminister Sebastian Kurz hat jedenfalls am Sonntag angeboten, dass das Coburg weiter als Verhandlungsort offen stehe.