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Der IS ist eine für Europa schwer fassbare Bedrohung: Was tun?

Von Maximilian Lakitsch

Gastkommentare
Maximilian Lakitsch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung.

Der Islamische Staat ist zu besiegen, in Syrien, aber auch im Irak.


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Die Pariser Anschläge haben schockiert: Seit den Zeiten von Al-Kaida hat man so groß angelegte Anschläge in Europa oder Nordamerika nicht mehr erlebt. Die Verunsicherung ist groß. Nicht zuletzt, weil die Bedrohung schwer fassbar ist.

Die Al-Kaida-Anschläge des vergangenen Jahrzehnts folgten zumindest noch einer klaren Strategie: Druck auf die Politik ausüben, damit der Westen sich politisch und militärisch vom Nahen Osten fernhält - nicht zuletzt sollten die USA dazu bewogen werden, ihre Militärpräsenz in Saudi-Arabien zu beenden.

Die IS-Miliz hingegen hat den internationalen Dschihad der Al-Kaida auf den Nahen Osten fokussiert. Die Stärke des IS rührt aus den Bündnissen mit ehemaligem irakischen Baath-Kadern und sunnitischen Stämmen im Irak und Syrien. So wurde aus der Terrorgruppe eine Miliz, die als regionale sunnitische Schutzmacht ihre Stärke ausspielen kann.

Beginnt der IS nun seine Ziele auf Europa und die USA zu verlagern, so ist das ein neues Szenario. Zwar hat man Dschihad-Heimkehrer seit jeher zu Anschlägen in ihrer Heimat ermutigt, andererseits ist schwer zu bezweifeln, ob diese Aktionen Teil einer von der IS-Führung koordinierten Gesamtstrategie entsprechen. Mit anderen Worten: Nicht überall, wo IS draufsteht, muss auch IS drin sein.

Auch wenn vieles unklar ist, so ist doch das Gefühl der Bedrohung berechtigterweise sehr real. Schließlich gibt es viele Dschihad-Heimkehrer sowie auch Dschihad-Sympathisanten, die auf eigene Faust jederzeit Attentate verüben könnten. Über eine Strategie des IS kann prächtig spekuliert werden. Relativ klar ist jedoch, dass der IS bewusst Eskalationen provoziert: Je anti-islamischer die nationalen Stimmungen, desto mehr Europäer werden in den IS-Dschihad getrieben, je mehr Bombenangriffe durch europäische Staaten oder die USA, desto mehr Syrer wollen Vergeltung für die Zerstörung üben und schließen sich der effektivsten Miliz an - dem IS.

Was also tun? Zum einen ist in Europa Ruhe zu bewahren. Frankreich hat sich nach den "Charlie Hebdo"-Anschlägen beispielhaft verhalten. Anstatt zu provozieren, wurde die nationale Einheit beschworen. Fast alle der identifizierten Attentäter waren französische oder belgische Staatsbürger. Erste Sympathien mit dschihadistischen Bewegungen kommen zumeist in schweren beruflichen und persönlichen Lebenskrisen auf. Staatliche Integrationsmechanismen sind hier viel stärker als bislang in die Pflicht zu nehmen. Europa muss seine starren Gesellschaftskonzepte überwinden und besser mit gesellschaftlicher Vielfalt umgehen lernen.

Nichts desto trotz ist die Dschihad-Ideologie mit den Gebietsbesetzungen des IS institutionalisiert. Solange der IS sich in Syrien und im Irak erfolgreich behauptet, so lange bleibt der IS-Dschihad eine mögliche Abenteuer-Option für desillusionierte Europäer und Amerikaner. Ebenso lange wird es einen verlässlichen Fundus an Dschihadis geben, die Anschläge im Westen verüben können. Der IS ist also zu besiegen, in Syrien, aber auch im Irak: durch Verhandlungen mit den verbündeten sunnitischen Stämmen, durch umfassende politische und soziale Maßnahmen und nicht zuletzt durch die Einbeziehung islamischer Würdenträger.