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Der Islam-Hype

Von Lia Ulitzka

Gastkommentare

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Es gab Aufregung vor einiger Zeit. Die von vielen Journalisten verachtete "Kronen Zeitung" berichtete über eine Begegnung zweier Frauen. Sie schneiderte daraus jenen Konflikt, über den man heute so gerne liest und der das Salz in der aktuellen Wahlkampfsuppe ist: den zwischen vermeintlicher mitteleuropäischer Aufgeklärtheit und vermeintlicher östlicher weil islamischer Zurückgebliebenheit und Traditionalismus.

Worum ging es? Eine Österreicherin ging mit ihrem Hund spazieren, eine junge Somalierin kam ihr entgegen. Die junge Frau hatte Angst vor dem Hund und sprang in Richtung Hundehalterin. Beide fielen daraufhin um, und die Österreicherin verletzte sich am Knie. Die "Krone" machte daraus eine fanatische Muslimin, die die Österreicherin niederprügelte, weil diese mit einem unreinen Hund an ihr vorbeiging.

Nachdem die Sachlage bekannt wurde, ging zu Recht ein Aufschrei durch die österreichische Medienwelt. Dass eine Geschichte derart verfälscht dargestellt wurde, war und ist verachtenswert. Nur, was die "Krone" Holzhammer schwingend betreibt, begehen andere Medien, die allgemein als seriös bezeichnet werden, ziselierend im mindestens ebenso großen Ausmaß. Befeuert durch von Ministerien und Stiftungen in Auftrag gegeben Studien über Integrationswilligkeit und -unwilligkeit von Muslimen, den Radikalismus an islamischen Kindergärten oder unter muslimischen Jugendlichen werden stetig Keile in die Gesellschaft getrieben.

Medienschaffende hängen sich dann gerne den Differenzierungsmantel um. Die erschreckende Unwissenheit über das Thema und das nicht Hinterfragen der Fragestellungen zeigen jedoch, wie unedel die edlen Absichten doch sind. Menschen unterschiedlicher Herkunft, familiärer, kultureller und psychischer Hintergründe werden in die Schablone eines Schreckenswortes gepresst: Islam. Es wird verallgemeinert, was nicht verallgemeinert werden kann, aber knackige Überschriften und die ersehnten hohen Klickzahlen im Internet bringt.

"Aber man kann doch nicht nicht darüber reden", würden die Medienarbeiter jetzt sagen. Doch, man kann. Man kann einfach einmal nicht darüber reden. Denn eingebracht hat das "Darüber reden" bisher nichts - außer, dass Menschen eines bestimmten Glaubens gefürchtet und verachtet werden. Kann das wirklich das Ergebnis aufklärerischer Medienarbeit in Demokratien sein?

Zur Autorin

Liza Ulitzka

Liza Ulitzka hat Kultur- und Sozialanthropologie mit Spezialisierung auf Nahen und Mittleren Osten studiert. Sie war freie Journalistin in Ägypten und ist nun bei Puls 4 stellvertretende Politik-Ressortleiterin. privat