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Der Jemen am Scheideweg

Von WZ Online

Politik

"Wir stehen fest wie Berge", tönt Jemens Präsident Ali Abdullah Salih. Klingt so ein Staatschef, gegen den wenige Stunden zuvor der eigene Bruder geputscht hat und dem binnen eines Tages sechs Botschafter die Gefolgschaft aufgekündigt haben? Es sieht so aus, als wolle Salih, der in Sanaa seit 1978 an der Macht ist, alles tun, um seinen Posten zu verteidigen.


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Aktuell ähnelt die Situation der Lage in Libyen vor etwa drei Wochen. Nachdem Salih versucht hat, die wachsenden Proteste gegen ihn und sein Regime mit Gewalt zu beenden, hat sich ein Teil der politischen und militärischen Top-Funktionäre mit den Demonstranten solidarisch erklärt. An ihrer Spitze steht General Ali Mohsen al-Ahmar, ein Halbbruder von Präsident Salih.

Ein Teil der Führungsclique steht aber nach wie vor treu zum Präsidenten, darunter mehrere Verwandte, die von ihm mit Schlüsselpositionen in Armee und Polizei bedacht worden waren. Das Verteidigungsministerium veröffentlichte denn auch, kurz nachdem sich Al-Ahmar und 50 weitere Offiziere vom Präsidenten losgesagt hatten, eine Erklärung. Darin hieß es, die Armee werde "die verfassungsgemäße Legitimität, die Sicherheit, Stabilität und Einheit des Landes" schützen.

Rolle Saudi-Arabiens entscheidend

Entscheidend ist jetzt, welche Rolle der reiche Nachbar Saudi-Arabien spielt, der dank seiner üppigen Geldgeschenke in den vergangenen Jahren mindestens so viel Einfluss auf die Führung in Sanaa hatte wie die USA, die für den Kampf gegen die Al-Kaida-Zellen Berater und Kampfdrohnen in das südarabische Land schickten. War der Seitenwechsel von General Ali Mohsen al-Ahmar vielleicht ein bisher nur mäßig erfolgreicher Militärputsch von Riads Gnaden? Oder hat, wie einige arabische Beobachter vermuten, der Emir von Katar, Scheich Hamad bin Khalifa al-Thani, bei dem Putschversuch am Montag die Strippen gezogen?

Dass sich nun ausgerechnet sein Halbbruder Ali Mohsen al-Ahmar, und sein Cousin Mohammed Ali Al-Ahmar - beide Armeekommandanten - gegen Salih wenden, ist nach dem arabischem Verständnis von Familienehre eine Schande, aber dennoch nicht wirklich ungewöhnlich. Schließlich hatte auch der aktuelle Emir von Katar einst seinen Vater gestürzt. Und auch in einigen anderen Golfstaaten war der innerfamiliäre Machtwechsel nicht immer friedlich.

Doch wer ist General Ali Mohsen al-Ahmar, der an diesem Montag erst bei Al-Jazeera, dem furiosen TV-Sender aus Katar, eine Erklärung verliest und dann anschließend den Anti-Salih-Demonstranten in Sanaa einen Besuch abstattet? Als Verfechter von Demokratie und Gegner von Korruption ist Al-Ahmar bislang jedenfalls nicht in Erscheinung getreten. Kritische Stimmen merken an, dass alleine die Gegnerschaft zu Salih aus einem skrupellosen General, der militante Islamisten für den Kampf gegen die schiitischen Houthi-Rebellen rekrutiert hatte, noch keinen Leuchtturm des Wandels macht.

Am Montag machte sich auf jeden Fall der jemenitische Außenminister Abu Bakr al-Kirbi mit einer Botschaft von Präsident Salih auf den Weg zu König Abdullah in Riad. Bisher weiß niemand, ob diese Botschaft ein Hilferuf ist oder ob Salih ausloten will, auf welcher Seite die Saudis jetzt stehen. Ein saudischer Diplomat reagierte auf diese Frage mit vornehmer Zurückhaltung: "Dies ist eine rein jemenitische Angelegenheit." (Anne-Beatrice Clasmann/dpa)