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Natürlich ist es schwierig, in einem Shitstorm Kurs zu halten. Die Bildung einer Landesregierung durch SPÖ und FPÖ lässt die Emotionen auf allen Seiten hochkochen. Da hilft es, wenn man sich beim Zurückschlagen auf gut eingelernte Reflexe verlassen kann. Denn wer ist schuld, wenn des Volkes Seele zürnt? Natürlich der Journalismus. So geriet etwa "Kurier"-Fotograf Jürg Christandl ins Visier. Er fotografierte einen Protest der FPÖ vor einem Erdberger Flüchtlingsheim. Ein Foto zeigte die spärlich besuchte Kundgebung, während Flüchtlinge mit Kindern eintrafen. Das Foto, das sich auf Twitter verbreitete, sei "gestellt" behauptete HC Strache in der Fernsehsendung "Im Zentrum". Der Fotograf wies das zurück. Ebenso ins Visier geriet Catrin Kahlweit von der "Süddeutschen Zeitung", die in derselben Sendung Kritik an Rot-Blau äußerte. Sie durfte sich auf unzensuriert.at, einer Plattform aus dem FPÖ-Umfeld, als "jede Objektivität vermissend" taxieren lassen. Das Wort Journalistin wurde dabei unter Anführungszeichen gesetzt. In den Kommentaren durfte sich Kahlweit als "linksradikale Piefke-Tussi" bezeichnen lassen, die sich "verbissen" (sic!) solle. Das ist eine schon seit Jörg Haider verbreitete Taktik. Auch der Ahnherr der Partei pflegte gerne unangenehmen Fragen mit den vermeintlichen Privilegien des Fragestellers zu kontern. Sicher, man darf als kritischer Journalist nicht wehleidig sein: Kritik gehört zum Geschäft. Die Frage, ob sich jeder, der den FPÖ-Sympathisanten nicht in den Kram passt, in den Shitstorm hineinziehen lassen muss, kann man jedoch nur verneinen.