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Der junge, zerbrechliche Staat

Von Klaus Huhold

Politik

Der bewaffnete Konflikt reißt in dem armen Land alte Wunden wieder auf.


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Juba. Dass der Südsudan ein fragiles Gebilde ist, war Politikern und Diplomaten schon klar, als er 2011 seine Unabhängigkeit erklärte. Ein jahrzehntelanger Unabhängigkeitskrieg, um vom Sudan loszukommen, hatte die Region verwüstet, zu vielen Gemeinden führt bis heute keine einzige Straße, viele Kinder haben eine Schule nie von innen gesehen. Angeführt wird das Land von ehemaligen Unabhängigkeitskämpfern, die es gewohnt sind, ihre Konflikte mit Gewalt zu lösen. Sie haben den jungen Staat in eine Katastrophe geführt: Ein Machtkampf zwischen Präsident Salva Kiir und seinem ehemaligen Vize Riek Machar mündete in einen bewaffneten Konflikt. Vor allem im Norden und Nordosten des Landes - dort, wo die Ölfelder und somit das Geld liegen - wird heftig gekämpft. Die Friedensgespräche zwischen den Konfliktparteien verliefen bisher im Sand.

Schätzungen zufolge haben die Kämpfe bereits rund 400.000 Menschen vertrieben. Die Ankunft von Flüchtlingen hat in den vergangenen Tagen auch die Österreicherin Brigitte Hinteregger erlebt. Die psychiatrische Krankenschwester und Psychologin befindet sich zwar derzeit in Uganda, war aber bis vor kurzem im Südsudan für die Friedens- und Gerechtigkeitskommission der Diözese Tombura Yambio (JPC Yambio) tätig, die in Landkonflikten vermittelt und Menschen unterstützt, Traumata aufzuarbeiten (siehe Kasten). Im südsudanesischen Bundesstaat Western Equatoria, wo Hinteregger arbeitet, blieb die Lage ruhig, weshalb viele Flüchtlinge ankamen. "Die Anspannung ist aber relativ hoch, dass auch hier der Konflikt ausbricht", berichtet Hinteregger.

Die ethnischen Trennlinien tauchen wieder stärker auf

Sie hat in den vergangenen Monaten miterlebt, wie die Stimmung im Land immer explosiver wurde. Als Auslöser der gegenwärtigen Krise im Südsudan gilt die Entlassung des halben Kabinetts durch Präsident Kiir im Sommer vergangenen Jahres. "Da haben wir bei unserer Arbeit schon gespürt, wie die Furcht zu den Menschen zurückkehrte, wie Erinnerungen an den Unabhängigkeitskrieg wieder hochkamen", berichtet Hinteregger. Und tatsächlich: Mitte Dezember brachen dann neuerlich Kämpfe aus.

Und diese lassen ein Bündel von Versäumnissen in der Geschichte des jungen Staates zutage treten. Denn die Hoffnungen der Südsudanesen, dass sie mit der Unabhängigkeit auch der Armut entkommen, sind enttäuscht worden. Gelder versickern, die Menschen fühlen sich vernachlässigt, die einzelnen Regionen kämpfen um finanzielle Mittel, und das heizt die Konflikte in dem Land an.

"Alte Wunden, die nicht verheilt sind, reißen wieder auf", sagt Hinteregger. Niemand musste sich für Massaker und Gräueltaten während des Unabhängigkeitskrieges verantworten. Damals bekämpften sich die Südsudanesen zeitweise auch untereinander, einzelne Ethnien wurden gegeneinander aufgehetzt. Die Ereignisse wurden nie aufgearbeitet. Nun, mit dem neuerlichen Ausbruch der Kämpfe, "kehren viele Erinnerungen und viel Wut zurück", sagt Hinteregger. Es wird wieder zusehends in ethnischen Trennlinien gedacht, das Gemeinschaftsgefühl, das es nach der Unabhängigkeit gab, geht immer mehr verloren.

Solange die bewaffneten Kämpfe nicht enden, wird sich die Abwärtsspirale im Südsudan weiterdrehen. Aber auch wenn es zu einem Frieden kommt, sei es entscheidend, dass die Grundprobleme des Landes gelöst werden, schreibt in einer E-Mail Minaida Peter Jamous, der Leiter von Hintereggers Organisation JPC Yambio. So müsse etwa mehr auf die Menschenrechte geachtet werden, es bräuchte mehr Rechtssicherheit und eine gerechtere Verteilung der Ressourcen.

Brigitte Hinteregger hat jedenfalls ihren Mut noch nicht verloren. Die 46-Jährige will in den Südsudan zurückkehren. In ihrer Region ist es ja noch ruhig. "Jetzt sind alle Bemühungen, den Frieden dort aufrechtzuerhalten, umso mehr gefragt", sagt sie.

Friedensarbeit im Südsudan

Die Friedens- und Gerechtigkeitskommission der Diözese Tombura Yambio (JPC Yambo), für die die Österreicherin Brigitte Hinteregger arbeitet, ist ist in Western Equatoria im Südsudan tätig und versucht, Landkonflikte zu lösen. Denn immer wieder kommt es zu Streitigkeiten zwischen Gemeinden, wo wessen Land beginnt und aufhört. Die Grenzen wurden vor Jahren willkürlich gezogen, ohne dass die Gemeinden eingebunden wurden. Zudem engagiert sich die Organisation in der Traumaarbeit. Dabei sollen die Gräuel des jahrzehntelangen Unabhängigkeitskrieges des Südsudans, der bei vielen Menschen tiefe Spuren hinterlassen hat, aufgearbeitet und Strategien für eine gewaltfreie Konfliktlösung entwickelt werden. Hinteregger bildet dabei auch Trainerinnen für die Traumaarbeit aus. Unterstützt wird JPC Yambo von westlichen Organisationen, etwa Cordaid und Justice and Peace Netherlands.