Eurofighter: Rechtliche Hintergründe | Militärjurist Steiner über den Vertrag. | Wien. Die Wahlen stehen vor der Tür. Das Sommerloch auch. Zwei Gründe, warum die Eurofighter in den nächsten Monaten wieder diskutiert werden: Die ersten vier Zahlungsraten für die Abfangjäger werden sich 2007 zu Buche schlagen. Und im Zuge des Bawag-Skandals hat die Opposition neuerlich nach einem Untersuchungsausschuss gerufen, nicht nur für das Kreditinstitut, sondern, wie schon im Mai, auch für den unter Verschluss gehaltenen Eurofighter-Vertrag.
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Geheimniskrämerei
Damals veröffentlichte das Wochenmagazin "News" Auszüge aus dem Vertrag, es folgte eine öffentliche Welle der Empörung. Sogar für einen Stabmixer bekomme man mehr Gewährleistung, hieß es unter anderem. Die Regierung dementierte zwar, hielt sich aber weitgehend über Details aus dem Vertrag bedeckt.
"Uns wäre es eh lieber, wenn es nicht so eine Geheimniskrämerei gebe", hört man jetzt aus dem Verteidigungsministerium. Aber Datenschutz einerseits und die in der Verfassung garantierte Amtsverschwiegenheit aufgrund des überwiegenden Interesses einer Partei (Anm.: in diesem Fall die Eurofighter-GmbH) andererseits, halten zum Schweigen an: Der kaufmännische Teil soll nicht an die Öffentlichkeit, um die Verhandlungsposition der Eurofighter-GmbH bei neuen Interessenten nicht zu schwächen, der technische Teil ist aus wettbewerbs- und militärstrategischen Gründen geheim. Die technischen Feinheiten liegen verschlossen im Safe im Ministerium - und sind nur zwei bis drei Vertrauenspersonen zugänglich.
Generalmajor Peter Steiner, Leiter der Gruppe für Gebarungskontrolle im Verteidigungsministerium, ist einer der wenigen, der den genauen Inhalt des mehrere hundert Seiten starken Vertragskonvoluts kennt. Er nennt die Schlussfolgerungen, die darüber in der Öffentlichkeit gezogen worden sind, "größtenteils Humbug".
Gewährleistung...
Beispielsweise wurden dabei Gewährleistung und Garantie vermischt. Beide zielen zwar auf Behebung eines Schadens an der Ware ab, aber unter verschiedenen Voraussetzungen: Die gesetzliche Gewährleistung greift nur bei Mängeln, die bereits zum Zeitpunkt der Lieferung vorhanden waren. Für Fehler, die auftreten, nachdem die Ware die Sphäre des Verkäufers verlassen hat, ist der Verkäufer nicht mehr verantwortlich. "Bei der Garantie wiederum ist es egal, wann der Mangel an der Ware aufgetreten ist", erklärt der Militärjurist Steiner; der Verkäufer steht für sämtliche Fehler ein, die im Garantie-Zeitraum auftreten. Doch die Garantie ist immer extra zu vereinbaren. Die meisten Anbieter von Konsumgütern (häufig etwa bei Küchengeräten und dem damals viel zitierten Stabmixer) haben sie als "Zuckerl" bereits in ihren Bedingungen aufgenommen. Die Republik hat sich aber die im Vertrag festgesetzte Garantie-Frist von einem Jahr erstreiten müssen.
Bei der Gewährleistung gilt von Gesetzes wegen eine Frist von zwei Jahren. Diese ist auch im Eurofighter-Vertrag enthalten, obwohl die Vertragspartner theoretisch eine kürzere Frist vereinbaren hätten können. Denn die Republik ist, auch wenn sie als "privater Käufer" auftritt, rechtlich nicht als Konsument zu qualifizieren; die Zwei-Jahres-Frist ist daher nicht zwingend.
Ein weiteres Problemfeld war der von der Republik abgegebene Einredeverzicht: Österreich müsse weiterhin zahlen, selbst wenn die Lieferungen schadhaft sind. "Das ist bestenfalls unzureichend dargestellt", urteilt Steiner. Genau diesem Szenario wirke man mit einer Garantie der Eurofighter-GmbH entgegen: "Es gibt zwei unabhängige Verträge", erläutert Steiner: Einen zwischen der Eurofighter-GmbH und der Republik Österreich. Und ein Darlehensverhältnis zwischen der Eurofighter-GmbH und der Bawag P.S.K. Der Flugzeug-Fabrikant bekommt bei der Bank einen Kredit, um in Produktion gehen zu können.
...und Einredeverzicht
Die Republik Österreich zahlt die Raten an die Bank - und muss aufgrund eines gegenüber der Bank abgegebenen Einredeverzichts auch zahlen, wenn die Abfangjäger-Lieferung mangelhaft ist, weiß Steiner. Die Bank trägt daher kein Risiko - mit ein Grund für den günstigen Kredit.
Doch auch die Rechte der Republik sind gesichert. Denn die Eurofighter-GmbH hat für den Fall, dass eine Leistung schadhaft ist, eine Garantie abgegeben: Einen Monat vor jeder Lieferung überweist die Eurofighter-GmbH den entsprechenden Geldbetrag auf eine Art Treuhandkonto. Wenn dann die Leistung der Eurofighter-GmbH nicht ordnungsgemäß erbracht wird, kann die Republik das Geld von diesem Konto abziehen.
Falls nun ein Flügel lahmt, oder nicht rechtzeitig geliefert wird, löst dies dreierlei aus: Österreich hat einerseits die Rechte aus Gewährleistung und Garantie (Behebung des Schadens). Die Raten-Zahlungen erfolgen weiter an die Bawag, da die Republik keine Einrede geltend machen kann. Doch aufgrund der von der Eurofighter-GmbH abgegebenen Garantie kann sich Österreich wiederum an der Eurofighter-GmbH schadlos halten.
Wissen: Kauf und Verkauf von Kriegsmaterialien
Der Ankauf von Rüstungsgütern geschieht nicht nach den strengen Bedingungen des Bundesvergabegesetzes, das normalerweise für öffentliche Aufträgen gilt. "Das bedeutet aber nicht, dass dieses formfreie Verfahren mit Willkür gleichzusetzen ist", betont Generalmajor Peter Steiner. Auch hier muss das Verfahren (vor der Vergabe) transparent gehalten sein und dürfe nicht diskriminieren.
Freihändige Vergabe
Das Verteidigungsministerium kann ein solches freihändiges Vergabeverfahren selbst gestalten. In Fall der Eurofighter listete es neben der Leistungsbeschreibung in einem Bewertungskatalog alle Kriterien auf: Den Fragebogen mussten alle Bieter ausfüllen. "Anhand dieses Verzeichnisses wird eine Vergleichsbasis herausdestilliert", erklärt Steiner. Anschließend beurteilte eine 33-köpfige Bewertungskommission die Eigenschaften der jeweiligen Flieger. Um eine Beeinflussung zu verhindern, blieben die Preisrichtlinien der Anbieter für die Kommissionsmitglieder verschlossen. "Man kann also im Wettbewerbsteil nicht manipulieren", so Steiner über den Vorteil des Systems.
Auf dieser Basis machte die Kommission eine Empfehlung an den Ministerrat. Der Kaufentscheid erfolgte dann durch das Parlament.
Die Empfehlung der Kommission erzeugt indirekt Druck: Zwar müssen sich die Politiker nicht daran halten; aber das empfohlene Unternehmen könnte eine zivilrechtliche Klage gegen die Republik anstreben, erklärt Steiner. Ähnlich dem System des Bundesvergaberechts könnte der nun ausgewiesene Bestbieter, der nicht zum Zug kommt, eine Klage wegen Verletzung der Sorgfaltspflichten vor Vertragsabschluss einbringen.
Zweiter Teil: Vertrag
Nachdem der Bestbieter ermittelt worden war, trat das Beschaffungsverfahren in die Vertragsphase. Die Bedingungen werden einmal mehr verhandelt, eine Abänderung ist nur zu Lasten des Bestbieters möglich, die Republik darf keine Konzessionen machen, dies würde den zuvor erfolgten Wettbewerb mit den inzwischen ausgeschiedenen Bietern verzerren.