Der Kaiser gratulierte der Republik zum runden Geburtstag - missmutig, ist anzunehmen.
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Unter´m alten Kaiser hätt´s das nicht gegeben - bekanntlich setzte Franz Joseph zeit seines Lebens keinen Fuß über die Schwelle des Hohen Hauses am Ring.
Mit dieser Tradition brach nun sein "Nachfolger", Robert Palfrader alias Kaiser Robert Heinrich I.: Ausgerechnet im 90. Gründungsjahr der Republik stattete er den gemeinen Volksvertretern einen Besuch ab und wandelte durch die Jubiläumsausstellung in der Säulenhalle.
Aus dem Parlament hört man, dass sich die Lust der Spitzenpolitiker auf ein Treffen mit dem TV-Kaiser in Grenzen hielt. Wahrscheinlich die Furcht vor einer Kopfwäsche von allerhöchster Stelle für die armselige Darbietung während der vergangenen zwei Jahre. Zu sehen ist der Kaiser im Parlament am Sonntag im "Hohen Haus" um 12 Uhr auf ORF 2.
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Was wäre die Innenpolitik ohne die kleinen Gemeinheiten, die die Parteien so wunderbar unter der Hand über einander verbreiten? Wer dahinter nur pure Bösartigkeit vermutet, liegt sicherlich falsch. Nur was sich liebt, das neckt sich ja bekanntlich auch. Weshalb nicht fehlgehen kann, wer hinter einer kleinen Spitze eine versteckte Liebeserklärung zu erkennen vermag.
Nun trug es sich am Mittwochvormittag zu, dass im ehemaligen k.u.k. Kriegsministerium am Stubenring, wo heute gleich vier Ministerien logieren, der Ernstfall geprobt wurde: Nach einem angekündigten Feueralarm um 10 Uhr sollten sich alle, ausnahmsweise wirklich alle, sofort auf die Straße begeben.
Das ganze Haus folgte den Anweisungen. Das ganze? Nein, einer hielt die Stellung im Büro, um den imaginierten Flammen zu trotzen. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein soll, so macht das Gerücht die Runde, sich unbekümmert weiter dem zweiten Teil seiner Zuständigkeiten gewidmet haben - ein Arbeitsminister ist schließlich zum Arbeiten da. Und brennen tut´s in der Politik sowieso ständig.
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The winner takes it all: Nach diesem Motto funktioniert das US-Mehrheitswahlrecht, das nun Barack Obama mit überwältigender Mehrheit zum nächsten US-Präsidenten gemacht hat, obwohl er bei den Stimmen nur magere fünf Prozent vorne lag. Wie aber wären in Österreich die Nationalratswahlen nach einem solchen System ausgegangen?
Wenig überraschend wäre Werner Faymann auch dann der Wahlsieger. Bei einem Mehrheitswahlrecht nach Regionalwahlkreisen käme die SPÖ auf 95 von 183 Mandaten, die ÖVP auf 72, das BZÖ auf 13 und die Grünen auf 3. Größte Überraschung: Die FPÖ als drittstärkste Partei würde leer ausgehen, da sie in keinem Wahlkreis stärkste Kraft wurde.
Zählt man die Stimmen nach Bundesländern aus, käme die SPÖ auf 100, die ÖVP auf 70 und das BZÖ wiederum auf 13 Mandate. In diesem Fall würde nicht nur die FPÖ, es würden auch die Grünen leer ausgehen, da ihre starken Wiener Bezirke nichts zählen.
Nach Regionalwahlkreisen wäre auch 2006 die SPÖ vorne gelegen, trotz des knappen Ergebnisses sogar mit einer absoluten Mehrheit von 94 Mandaten. Die ÖVP käme auf 86, die Grünen auf 3 Abgeordnete - FPÖ und BZÖ wären draußen.
Nach Landeswahlkreisen hätte jedoch Wolfgang Schüssel seine Kanzlerschaft 2006 verlängern können. Niederösterreich wäre an die ÖVP gegangen und hätte den Schwarzen 98 Mandate beschert, die SPÖ wäre auf 85 gekommen. Andere Parteien? Fehlanzeige.
1999, als die FPÖ die ÖVP überholte, hätte der SPÖ einen fulminanten Sieg beschert. Nach Regionalwahlkreisen hätte Viktor Klima 106 Mandate erobert, die ÖVP wäre mit 57 klar Zweiter, die FPÖ mit 20 abgeschlagener Dritter. Nach Landeswahlkreisen hätte die SPÖ sogar 136 Sitze geschafft, die ÖVP nur 23 und die FPÖ 24. Zumindest die Rangordnung wäre damit wieder hergestellt gewesen.
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