Die Pinken setzen bei der Suche nach türkis-grünen Einfallstoren auf ihr Leibthema Bildung und neue Zielgruppen.
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Die türkis-grüne Bundesregierung zieht derzeit alle Aufmerksamkeit auf sich. Begleitet von zahlreichen Medienvertretern, hielt sie diese Woche in Krems ihre erste Klausur ab. Mit Neugier werden die neuen Minister porträtiert und die ersten Reformen analysiert.
Wenig Rampenlicht bleibt da vorerst für die Opposition übrig. Dass die Neos diese Woche etwa ebenfalls eine Klubklausur im Burgenland bestritten, ging im Trubel um die Bundesregierung weitgehend unter.
"Ich habe befürchtet, dass wir im Zuge des Hypes um Türkis-Grün in der medialen Wahrnehmung absacken", erklärt Nationalratsabgeordneter Yannick Shetty (Neos). Doch zeige sich in aktuellen Umfragen, "dass wir unter Türkis-Grün nicht leiden, sondern sogar leicht dazugewinnen".
Derzeit liegen die Pinken in Umfragen zwischen neun und zehn Prozent. Bei der vergangenen Nationalratswahl im September hatten sie 8,1 Prozent erreicht. In der Klubklausur habe man das als Bestätigung dafür gesehen, dass man weiterhin auf Kernthemen wie die Bildung setzen sollte, so Shetty.
Neos debattieren über Mindestlöhne
Die Pinken wollen den Fokus bei ihrem Leibthema aber ausweiten. "Bildung ist zwar eine wichtige Voraussetzung, aber alleine gut ausgebildet zu sein, heißt für den beruflichen Aufstieg heute auch nichts mehr", sagt Neos-Generalsekretär Nikola Donig. Es gebe heute viele junge Menschen, die gut ausgebildet seien, aber sich schon mit dem Einstieg in den Beruf schwertun würden. Bereits hier müsse man ansetzen: "Denn Aufstieg würde heißen, schon einmal Fuß gefasst zu haben."
Der Generalsekretär will mit den Neos beispielsweise künftig auch verstärkt Lehrlinge erreichen. Diese Wählergruppe hatten die Pinken bisher weniger Blick, sie ist eher im SPÖ-FPÖ-Milieu verortet. Die pinken Säulen Freiheit, Fairness und Chancen sollen künftig auch jene ansprechen, die "nicht auf der Universität und Unternehmer sind", sagt Donig.
Daher debattiere man auch über Vorhaben, die für eine wirtschaftsliberale Partei heikel seien, wie etwa über Mindestlöhne. Das könnte nicht nur Unternehmer, eine Kernzielgruppe der Pinken, sondern auch Parteimitglieder verärgern.
Mit "Mindestlohn bedeutet Mindestarbeitslosigkeit" betitelten etwa die Junos, die Jugendorganisation der Pinken, ein Positionspapier. Ein Vorteil sei aber, dass neben Shetty, dem jüngsten Nationalratsabgeordneten, mit Sepp Schellhorn auch ein Hotelier bei den Neos sei, der "nur" eine Lehre gemacht habe, sagt Donig. "So können wir die Diskussion gleich einmal in unserer eigenen Fraktion führen."
Ein Schwerpunkt wird auch das Kontroll- und Transparenzthema bleiben. Am Freitag brachten die Neos mit der SPÖ ihre Anfechtung der thematischen Einschränkung des parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschusses beim Verfassungsgerichtshof ein. Die beiden Parteien wollten im Ausschuss ein inhaltlich deutlich weiteres Feld untersuchen. Ihr Antrag wurde von ÖVP und Grünen sachlich und inhaltlich stark eingeschränkt, da er nicht der parlamentarischen Geschäftsordnung entspreche.
"Grüne weniger mutig als gedacht"
Teile der Ibiza-Ermittlungen, aber auch die Mehrheit aller türkis-blauen Gesetzesbeschlüsse ab Ende 2017 wurden von Türkis-Grün als Untersuchungsobjekte gestrichen. Der Untersuchungsausschuss befasst sich daher vorerst nur mit dem Komplex Casinos, Glücksspiel und ÖBIB/ÖBAG. Klubobfrau Sigrid Maurer (Grüne) begrüßte den Schritt. Es liege im Interesse der Grünen, "rechtliche Fragen von höchster Stelle klären zu lassen".
Stephanie Krisper, die Neos-Fraktionsführerin im Ausschuss, zeigt sich vom neuen Koalitionspartner der Volkspartei enttäuscht: Die Grünen würden im U-Ausschuss nicht nur der ÖVP, sondern auch der FPÖ "die Mauer machen". Generell seien die Grünen "viel weniger mutig als gedacht" und würden zahlreiche türkis-blaue Vorhaben mittragen, etwa die Sicherungshaft. "Da hat sich unter Türkis-Grün kaum was geändert. Die Sicherheitspolitik ist weiterhin populistisch und unvernünftig", wettert Krisper.
Aus Sicht von Neos-Sozialsprecher Loacker ergeben sich für die Neos gleich mehrere türkis-grüne Einfallstore. So falle die Steuerreform zu unambitioniert aus, die Reform der Gewerbeordnung werde nicht angegangen. Auch die Auswirkungen der demografischen Alterung auf die Pensionen werde nicht thematisiert. "Da bleibt viel Spielraum", so Loacker.
Eine pinkes Problemfeld bleibt das Stadt-Land-Gefälle. In der Steiermark gelang ihnen auch dank eines überdurchschnittlichen Ergebnisses in Graz der Einzug in den Landtag. In der Landeshauptstadt kamen die Pinken auf 8,57 Prozent, landesweit waren es 5,37 Prozent.
Die Schwäche am Land zeigte sich dann aber bei der burgenländischen Landtagswahl am vergangenen Sonntag. Mit mageren 1,7 Prozent verpassten die Neos den Einzug klar. Im Vergleich zur Wahl 2015 mussten sie sogar noch einen Rückgang verzeichnen: Damals hatten sie noch 2,3 Prozent erreicht.
Fokus auf regionale Probleme
Derart dramatisch sei das Stadt-Land-Gefälle bei den Neos nicht, meint Shetty. Mittlerweile schneide die Partei auch in ländlichen Regionen besser ab, etwa bei der Gemeinderatswahl in Niederösterreich. "Das Ergebnis im Burgenland war enttäuschend. Aber das ist einfach ein schwieriges Pflaster für uns. Die Grünen haben auch mehrere Wahlen gebraucht, bis sie den Einzug geschafft haben", sagt Shetty.
Man werde künftig aber versuchen, die Themen, die Menschen am Land überproportional stark betreffen, dort auch in den Fokus zu rücken. "Das betrifft zum Beispiel die Kinderbetreuung. Es gibt in Tirol Gemeinden, bei denen Betreuungsplätze mehr als 100 Tage im Jahr geschlossen sind."
Damit bleibt die Partei in derzeit sechs Landtagen vertreten: Neben dem Burgenland klappte es für die Pinken auch in Kärnten und Oberösterreich nicht. Die nächste Chance besteht für die Neos im Jahr 2021, wenn in Oberösterreich gewählt wird.
In Wien wird voraussichtlich im Herbst der Landtag und Gemeinderat gewählt. Auch hier ist das pinke Ergebnis noch ausbaufähig: 2015 erreichten die Neos etwas mehr als sechs Prozent. Loacker schraubt die Erwartungen jedoch etwas hinunter: "Natürlich wünschen wir uns ein Wachstum. Die Bäume werden aber nicht in den Himmel wachsen." Die Konkurrenz bei SPÖ, ÖVP und Grünen schlafe nicht.