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Der Kampf der Pariser "Pipi-Damen"

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Politik
Es gibt glamourösere Jobs - aber Gabrielle, Awan, Thi-Hoa und ihre Kolleginnen wollten den ihren behalten. Trotzdem stehen sie nun auf der Straße.
© Flickr, Jordiet.

In Paris sollen aus Bedürfnisanstalten "Toiletten-Boutiquen" werden. Jene Reinigungskräfte, die gekündigt wurden, wehren sich.


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Paris. Jahrzehntelang verbrachten sie ihre Arbeitstage "in den Toiletten von Paris", wie sie sagen. Neben einem Schälchen für die Münzen empfingen sie am Eingang die Touristen, die ein dringendes Bedürfnis aufs stille Örtchen trieb. Sie wischten den Boden, sie wischten über die Kloschüsseln, während ihre Besucher sich schleunigst wieder prächtigeren Orten zuwendeten: der Basilika Sacré-Cur, der Kathedrale Notre-Dame oder dem Triumphbogen. "Pipi-Damen" werden sie genannt, nach dem in Frankreich gängigen und nicht nur von Kindern benutzten Ausdruck "faire pipi", "Pipi machen".

Es gibt glamourösere Jobs - aber Gabrielle, Awan, Thi-Hoa und ihre Kolleginnen wollten den ihren behalten. Trotzdem stehen sie nun auf der Straße, seit zum Juli der Betreiber der öffentlichen Toiletten an den Pariser Touristen-Attraktionen gewechselt hat und sich der neue weigert, alle bisherigen Angestellten zu übernehmen. Und da es sich nicht um eine reguläre Kündigung handelt, haben sie nicht einmal Anrecht auf Arbeitslosengeld.

Hoffnung auf Hilfe der Stadt

"Man behandelt uns, als existierten wir nicht mehr", klagt die 45-jährige Mahliya Fiokouna. "Ich schlafe nicht mehr, ich habe drei Kinder und eine Miete zu bezahlen." Die elf betroffenen Frauen haben geringe Chancen auf eine andere Anstellung, viele nähern sich bereits dem Rentenalter und alle stammen aus dem Ausland, meist aus afrikanischen Staaten.

Neun von ihnen wehrten sich, protestierten nicht nur vor einer ihrer einstigen Arbeitsstellen im belebten Montmartre-Viertel, sondern zogen mit einem Eilantrag vor das Pariser Arbeitsgericht - das diesen nun ablehnte. Die "Pipi-Damen" gingen in Berufung, erhoffen sich aber vor allem Hilfe von der Stadt Paris. Der für das Personal zuständige stellvertretende Bürgermeister Emmanuel Grégoire sieht in der Gerichtsentscheidung einen "Interpretationsfehler" und hat erklärt, das Rathaus untersuche die Möglichkeiten, eine "stabile berufliche Lösung" für die Frauen zu finden. Auch rief die Stadt das niederländische Unternehmen "2theloo", das über seine Filiale Sarivo PointWC die öffentlichen Toiletten betreibt, zu einer "verantwortungsbewussten Haltung" auf. Zwingen kann sie dieses aber nicht.

"Nicht das erwünschte Profil"

Denn während eine Branchenvereinbarung eine automatische Übernahme der bisherigen Beschäftigten vorsieht, argumentiert "2theloo", man falle als Handelsbetrieb nicht unter die Regelung. Das Unternehmen will die stillen Örtchen in edle "Toiletten-Boutiquen" umwandeln und diese auch für den Verkauf von Accessoires wie Klopapierrollen-Halter oder Plüschtiere nutzen. In dieses neue Konzept stylischer "Luxus-Toiletten" passen Mahliya und die anderen Frauen nicht mehr. "Sie sagen, dass wir nicht das erwünschte Profil haben und wollen, dass man mehrere Sprachen spricht", erklärt sie. Und das für einen Nettolohn von 1250 Euro im Monat. Unterstützung erhalten die Frauen von der Arbeiter-Gewerkschaft Force Ouvrière. Für gewöhnlich blieben die in der Reinigungsbranche Beschäftigten stets im Schatten, sagt Funktionär Jean Hédou. "Viele dieser Frauen sind nicht in Frankreich geboren und haben sich diesen Beruf nicht ausgesucht, den sie seit Jahrzehnten ausüben. Jetzt wird es der Öffentlichkeit wenigstens bewusst, dass sie existieren."