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Der Kampf der Superhelden

Von Lisz Hirn

Politik
Wahlkampf in Sri Lanka. Die Insel wählt am Donnerstag.
© Nikolai Friedrich

In Sri Lanka wird bei der anstehenden Präsidentenwahl ein enges Rennen erwartet. Amtsinhaber Mahinda Rajapakse muss sich seinem früheren Gesundheitsminister Maithripala Sirisena stellen. Ein Lokalaugenschein auf dem Inselstaat.


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Colombo. In Sri Lanka tobt der Wahlkampf um die zukünftige Führung des Landes. Der Präsident des Inselstaates darf nämlich wesentlich mehr als nur das Land repräsentieren. Was er tut, prägt das Gesicht der Insel nach außen und nach innen. Der amtierende Präsident Mahinda Rajapaksa habe bereits, geht es nach seinen Anhängern, Übermenschliches geleistet: Er hat dem Land nach dem jahrzehntelangen Bürgerkrieg mit der tamilischen Minderheit im Jahr 2009 den ersehnten Frieden und anschließend wirtschaftlichen Aufschwung gebracht. Nun hinterfragt sein Herausforderer Maithripala Sirisena dessen Mittel. Aber hat er gegen den eingesessenen Machthaber überhaupt eine Chance?

"Wenn es hier knallt, dann knallt es ordentlich", lacht der zierliche Joseph und kehrt die letzten Reste der Silvesterböller zusammen. Er versichert aber gleich, dass Touristen hier nichts zu befürchten hätten, außer einem ordentlichen Sonnenbrand. Während in Österreich der Winter Einzug gehalten hat, laufen die Ventilatoren in Josephs kleinem Lokal an Sri Lankas Westküste auf Hochtouren. Auch die Gemüter der Menschen vor Ort sind erhitzt. Seit Monaten fiebern viele dem Wahltermin entgegen. Immerhin geht es darum, dass alles besser werden soll.

"Der Optimismus ist groß", erzählt Joseph, der seit fünf Jahren das Restaurant im Badeort Negombo führt. Anfangs hätte hier praktisch nur Angst geherrscht, erzählt er. Angst vor den Separatisten, die vom Norden aus durch Terror-Aktionen auf sich und ihren Wunsch nach staatlicher Unabhängigkeit aufmerksam machten. "Der Präsident ist ein starker Mann. Er hat es geschafft, den Krieg zu beenden. Durch ihn gibt es wieder so etwas wie Normalität. Und auch die Touristen sind zurückgekehrt."

Joseph ist in Negombo aufgewachsen. Wie viele Bewohner der Westküste gehört er der christlichen Minderheit an. Er freut sich, dass man "endlich" wieder sorgenfrei den öffentlichen Bus benutzen könne, ohne Angst vor einem Selbstmordattentat der "Tigers" haben zu müssen. Mit den "Tigers" meint Joseph die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), eine ehemals höchst gefürchtete tamilische Terrororganisation.

"Die Terroristen hatten einfach eine falsche Vorstellung davon, wie Sri Lanka sein sollte. Jetzt haben sie im Norden ihr eigenes Gebiet und sind dort zusammengepfercht." Josephs Gesicht strahlt Genugtuung aus. Seit dem Ende des Terrors könnte hier jeder, der wolle, sein Glück im Tourismus versuchen. Mit der Errichtung des Flughafens in unmittelbarer Nähe sei der Ort aufgeblüht. "Der Fortschritt Sri Lankas geht unaufhaltsam weiter", prophezeit Joseph, um schnell hinzuzufügen: "Freilich nur, wenn Rajapaksa an der Spitze bleibt."

Verfassungsänderung ermöglicht Wahlteilnahme

Diese Spitze ist heiß umkämpft. An ihr steht seit 2005 Mahinda Rajapaksa, dem unter anderem eine Tendenz zum Nepotismus nachgesagt wird. Auch mit der Art und Weise, wie er den Frieden im Land gesichert hat, sind nicht alle einverstanden. Dank einer Verfassungsänderung darf er sich nun nach seiner zweiten Amtszeit abermals zur Wahl stellen. Es gibt auch einige Gegenkandidaten, deren Namen vielen Sri Lankern aber nicht auf Anhieb einfallen.

Der Mann, der Rajapaksa den Sieg tatsächlich streitig machen kann, ist im Land allerdings kein Unbekannter: Maithripala Sirisena. Als Gesundheitsminister warf Sirisena Präsident Rajapaksa öffentlich Amtsmissbrauch und Korruption vor. Er führe Sri Lanka in Richtung Diktatur. In Folge wurde der Sohn von Land besitzenden Bauern von Rajapaksa aus dem Ministeramt und aus der gemeinsamen Partei geworfen. Jetzt stellt sich Sirisena einem ungleichen Zweikampf. Rajapaksas Werbebudget ist größer. Öffentlichen Medien bezeichnen ihn als ungekrönten König Sri Lankas. Und sogar ausländische Handys bekommen über das nationale Netz Neujahrsglückwünsche: "Wünsche Ihnen allen ein fröhliches Neues Jahr! - Präsident Mahinda Rajapaksa."

Bangen und Unbehagen vor dem Wahltag

Im geschichtsträchtigen Ort Kandy, dem zwei Autostunden entfernten buddhistischen Zentrum des Inselstaats, wurde die Polizeipräsenz verstärkt. 1998 war ein Bombenanschlag auf das wichtigste buddhistische Heiligtum, den Zahntempel, verübt worden. "Wir wollen ja nicht, dass Besuchern etwas passiert, das wäre nicht gut für uns", erklärt Khadir und streicht nachdenklich über seinen rot gefärbten Bart, während der neben ihm stehende T-Shirt-Verkäufer Hassan lauthals vom amtierenden Präsidenten schwärmt. "Rajapaksa hat den Krieg beendet, er ist ein Held!"

Die mit vielen Fähnchen gesäumte Hauptstraße zeugt noch vom kürzlichen Besuch des Präsidenten. Für Khadir hat sich unter Rajapaksa wenig verändert. Er betreibt seit Jahrzehnten einen Stand auf dem Markt in Kandy. Ginge es nach ihm, wird Sirisena der neue Präsident, weil der auch Interesse an der muslimischen Minderheit im Land hat und nicht nur auf das Wohl der singhalesischen Mehrheit schaut.

Auch die größte Partei der Tamilen hat sich aber hinter Sirisena gestellt und den Vorwurf erhoben, dass Rajapakse seit Ende des Bürgerkriegs zu wenig für die Versöhnung mit den Tamilen getan hat. Menschenrechtsgruppen werfen der Armee vor, bei der blutigen Schlussoffensive gegen die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) im Jahr 2009 bis zu 40.000 Zivilisten getötet zu haben, was Rajapakse bestreitet.

Khadir ist mit diesem Wunsch nicht alleine. Amirfad betreibt eine kleine Drogerie in der Innenstadt. "Von 1000 verdienten Rupien konnte man vor fünf Jahren 800 auf die Seite legen. Heute verbraucht man 1200 Rupien, obwohl man nur 1000 verdient (1 Euro entspricht rund 160 Rupien). Den Leuten bleibt nichts mehr zum Leben", versucht Amirfad die Lage der meisten Bewohner zu schildern, während er die ayurvedischen Salben auf dem Tresen ordnet. "Nach dem 8. Jänner werden wir einen neuen Präsidenten haben - und einiges wird sich ändern", gibt er sich überzeugt und fügt beim Händedruck hinzu, dass Touristen sich am Wahltag und den darauf folgenden Tagen besser in den Hotels verbarrikadieren sollten. Er selbst wird sein kleines Geschäft sicherheitshalber schließen. "Man kann ja nie wissen."

Hoffnung auf anhaltenden Frieden

Wenige Zugstunden von Kandy entfernt liegt Nuwara Eliya inmitten sattgrüner Berge, der Heimat des bekannten Ceylon-Tees. In der ehemaligen Kolonialstadt demonstrierten im Vorfeld der Wahlen immer wieder Anhänger Rajapaksas. Der amtierende Präsident hat hier viele Unterstützer. Junge Männer, alte Frauen und Kinder ziehen durch die Straßen und singen lautstark. Die Stimmung ist am Kochen. Vielerorts wird heftig diskutiert. "Rajapaksa verdanken wir alles", sagt eine ältere Dame, die Sticker mit dessen Konterfei an Passanten verteilt.

Ruhiger geht es Sangita an. Sie ist Ökonomin und stolze Tamilin, trotzdem wird sie Rajapaksa wählen. Im Gegensatz zu den Tamilen im Norden haben sich die meisten Tamilen des zentralen Hochlands nicht in den blutigen Konflikt eingemischt. Seit vier Jahren arbeitet Sangita in einer nachhaltig geführten Teefabrik und wünscht sich, dass der Frieden im Land anhält. Sie glaubt, dass Rajapaksa der Mann dafür ist.

Gänzlich anders sieht das Jafula, der dem amtierenden Präsidenten Günstlingswirtschaft vorwirft. "Rajapaksa arbeitet doch nur für seine Familie, wir brauchen Veränderung", sagt er und rührt mit einem blauen Strohhalm im frisch gemixten Mangosaft. Sein Laden ist nicht mal fünf Quadratmeter groß, jeder Zentimeter wird genutzt. Stolz hält er das Wahlposter Sirisenas in die Höhe. "Zehn Jahre Rajapaksa sind genug, aber ohne Kampf werden sich er und seine Anhänger nicht geschlagen geben", seufzt er resigniert. "Sirisena hat eine reale Chance zu gewinnen und dann ist es mit der Korruption vorbei."

Auch einige Anhänger Rajapaksas teilen offenbar diese Einschätzung. Unbekannte hatten bei einer Kundgebung der Opposition kürzlich das Feuer auf Sirisena eröffnet, als dieser die Versammlung in seinem Heimatbezirk Polonnaruwa verlassen wollte. Da Sirisena unversehrt blieb, geht der Kampf um alles oder nichts nun in die letzte Runde.