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Der Kampf gegen die Armut

Von Veronika Gasser

Wirtschaft

Armut ist eines der drückendsten Probleme weltweit. "Die Armen sind ihrer fundamentalen Rechte und Freiheiten beraubt und leben ohne Aussicht auf Verbesserung der Situation", lautet der erste Satz des Entwicklungsberichtes 2000/2001 der Weltbank mit dem Titel "Attacking Poverty" (Bekämpfung der Armut). Dieser wurde vergangene Woche im Finanzministerium von Mitautorin, Viktoria Kwakwa, vorgestellt.


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Die Daten der offiziellen Statistiken zeigen erschreckende Dimensionen: Von weltweit 6 Milliarden Menschen muss nahezu die Hälfte - 2,8 Milliarden - mit weniger als 2 Dollar pro Tag ihr Überleben sichern. Ein Fünftel der Weltbevölkerung - 1,2 Milliarden - hat sogar weniger als einen Dollar pro Tag zur Verfügung. Die Menschen leiden unter Hunger und Wassermangel, haben keine oder nur unzureichende Unterkünfte und es fehlt ihnen am Zugang zu Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen.

"Diese Entbehrungen sind sehr schmerzhaft", wissen die Experten des Weltbank-Berichtes. Armut ist keine Naturgesetzlichkeit, sondern ein Ergebnis von ökonomischen, politischen und sozialen Prozessen - und sie wächst, trotz eines weltweiten Wirtschaftswachstums. "So hatten die Krisen am Kapitalmarkt verheerende Auswirkungen - nur ein kleiner Teil profitierte davon. Die Armut stieg in vielen Ländern", analysiert Viktoria Kwakwa, Ökonomin der Weltbank in Nigeria.

Das Durchschnittseinkommen in den 20 reichsten Ländern ist 37mal höher als in den 20 ärmsten- die Kluft hat sich in den letzten 40 Jahren verdoppelt. Doch die Lage verschiebt sich auf den einzelnen Kontinenten. Während in Ostasien 1987 noch 420 Millionen Menschen von weniger als einem Dollar pro Tag leben mussten, sank diese Zahl innerhalb der folgenden elf Jahre auf 280 Millionen. Zur gleichen Zeit hat sich die Armut in Lateinamerika, Südasien und Afrika explosionsartig verbreitet. Aber auch die ökonomischen Umbrüche und Krisen in einigen osteuropäischen Ländern und Mittelasien führten zu einem Anstieg der Armut ums Zwanzigfache. Diesem Umstand will nun die Weltbank den Kampf ansagen.

Und sie hat dazu ihre bisherigen Strategien geändert. Gab es bislang hauptsächlich Kooperationen mit den Regierungen der betroffenen Länder, so sollen nunmehr verstärkt zivilgesellschaftliche Organisationen wie NGO's in die Gespräche eingebunden werden. Auch muss in Zukunft viel stärker die mikroökonomische Ebene eines jeden Landes berücksichtigt werden. "Wir müssen auch die Stimmen der Ärmsten hören", erklärt Kwakwa. Schon der Bericht ist dieser neuen Leitlinie gefolgt, und so kamen vor Fertigstellung 60.000 Arme und Vertreter von Organisationen zu Wort. Die Weltbank setzt angesichts der verheerenden Lage auf "Empowerment": Die Betroffenen sollen aus eigener Kraft ihre triste Situation überwinden können. Andererseits müssen in den Ländern erst die Bedingungen für diese Selbsthilfe geschaffen werden.

Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (beides Organisationen der UNO) können mittels Vergabe von Krediten Auflagen an die Länder stellen, für Versorgung von Nahrung, Bildung und Gesundheit zu sorgen. In Zukunft will die Finanzorganisation ihre reichen Mitgliedsländer auf Schuldennachlass und mehr Mittel für Entwicklungshilfe drängen. "Die ärmeren Länder sollten eine verbesserte Mitsprachemöglichkeit in internationalen Organisationen bekommen," betonte Kwakwa. Wahrscheinlich will sich mit dieser Forderung auch die Weltbank selbst in die Pflicht nehmen.