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Kevin Donegan leitet für Transparency International die globale Kampagnenarbeit. Ein Gespräch darüber, inwieweit seine Organisation mit dem Frust der Bürger arbeitet, und wann Politiker bereit sind, auf Missstände zu reagieren.
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"Unmask the Corrupt" heißt eine neue Kampagne von Transparency International. Die Maske vom Gesicht ziehen will die Organisation dabei korrupten Politikern und Geschäftsleuten, indem etwa im Internet oder gegenüber Medien dokumentiert wird, wie diese über Briefkastenfirmen Gelder verschwinden lassen. Kevin Donegan leitet die internationalen Kampagnen von Transparency und war kürzlich in Wien beim "Campaigning Summit" - einem Forum, bei dem sich Experten über Öffentlichkeitsarbeit austauschen - zu Gast. Die "Wiener Zeitung" traf den Iren, der sich zuvor schon bei anderen NGOs wie dem "Center for Economic and Social Rights" um die Kommunikation kümmerte, zum Gespräch darüber, wie man Kampagnen aufzieht und was sie bewirken.
"Wiener Zeitung": In der jüngsten Kampagne "Unmask the Corrupt" berichtet Transparency International von einem früheren nigerianischen Regionalgouverneur, der sich um 2,2 Millionen Pfund ein Haus in London kauft, die er bar auf den Tisch legt und deren Herkunft wohl aus dunklen Kanälen stammt. Das ist eine Geschichte, die Bürger zornig macht. Inwieweit arbeitet Ihre Organisation bei ihren Kampagnen mit Emotionen wie Ärger, Wut oder Frustration?Kevin Donegan: Es geht uns nicht darum, Emotionen zu schüren. Aber es ist unsere Arbeit, darüber nachzudenken, welche Anliegen die Bürger haben. Sie sind über Korruption empört. Was wir mir derartigen Kampagnen erreichen wollen: Dass es für korrupte Individuen schwieriger wird, ihr Geld, das sie von der Öffentlichkeit gestohlen haben, um den Globus zu transferieren. Wir arbeiten da auch viel mit Daten. Aber gleichzeitig ist es wichtig, anhand von Beispielen, zu denen die Menschen einen Bezug haben, das Problem zu illustrieren.
Aber birgt es nicht auch Gefahren, wenn zu sehr mit Emotionen gearbeitet wird? Sie sind schwer zu kontrollieren.
Die Emotionen, die Korruption bei den Bürgern hervorruft, sollten nicht ignoriert werden. Es muss öffentlich klar werden, wenn Leute frustriert sind. Aber wir versuchen nicht, spezifisch mit Emotionen zu arbeiten und diese irgendwie zu provozieren. Vielmehr wollen wir die Leute zu Engagement bewegen - und gegen Straflosigkeit bei Korruption vorgehen.
Um das zu schaffen, müssen Sie Entscheidungsträger erreichen. Wann kommt der Moment, am dem diese NGOs zuhören?
Das kommt auf den einzelnen Entscheidungsträger an. .. Zunächst einmal ist es die Aufgabe, etwa von Parlamentariern, das öffentliche Leben zu verbessern. Es macht also einfach oft Sinn für sie, uns zuzuhören, wenn wir Vorschläge zur Korruptionsbekämpfung unterbreiten. Aber freilich hilft öffentlicher Druck. Und derzeit ist Korruption ein großes Thema. Unsere Untersuchungen zeigen, die Leute haben den Eindruck, dass die Korruption steigt - auch in West- und Zentraleuropa, einer Region, die ja global als weniger anfällig für Korruption angesehen wird. Auch Geschichten wie die so genannten Lux Leaks (dabei wurde aufgedeckt, wie milliardenschwere Großkonzerne Steuern vermeiden, Anm.) werfen ein Schlaglicht und sorgen für Aufmerksamkeit.
Schon beim letzten G20-Gipfel der großen Industrienationen waren ja internationale Finanzflüsse ein Thema. Es gab etwa das Bekenntnis, Briefkastenfirmen genauer unter die Lupe zu nehmen. Hat hier bereits der Druck von NGOs, den unter anderem Transparency International ausübte, gewirkt?
Ich denke, er hat eine Rolle gespielt. Aber wäre die Öffentlichkeit nicht derartig von dem Problem betroffen, wäre die Reaktion der Politiker wohl schwächer ausgefallen. Dieser öffentliche Ärger wirkt stärker als die Kampagnen von NGOs.
Aber NGOs bündeln diesen Ärger, geben ihm eine Stimme?
Das hoffen wir. Aber wir haben nicht viele Ressourcen, können etwa keine riesengroße Anzeigenkampagne starten. Wir können jedoch versuchen, Probleme öffentlich zu artikulieren.
Wie weit stehen NGOs dabei in Konkurrenz zueinander? In dem Sinne: Wer lauter schreit, bekommt mehr Aufmerksamkeit?
So ist es nicht. Viele NGOs verfolgen ja die gleichen Ziele, sie sind Verbündete und bilden Allianzen. Aber freilich gibt es eine Konkurrenz, wenn es um das Aufstellen von Geldern geht. Das ist ein Problem. Aber zwischen NGOs gibt es nicht einen derartiger Konkurrenzkampf wie etwa zwischen Konzernen, die am Markt in einem ökonomischen Wettbewerb stehen.
Was wird das nächste große Thema bei der Korruptionsbekämpfung?
Wie das globale Finanzsystem für Korruption eingesetzt wird. Regierungen und Konzerne, die Teil des globalen Finanzsystems sind, bemerken bereits, wie sehr die Leute dieses Thema bewegt.