Die Mine in Rubaya im Kongo ist eines der wichtigsten Abbaugebiete weltweit für den Handy-Rohstoff Coltan. Doch es ist ein Konflikt entbrannt, wem die Erze gehören - der für Auseinandersetzungen zwischen Hutu und Tutsi sorgt.
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Rubaya/Goma. In Gummistiefeln steht Richard Bisingimana knietief im Matsch. Der 24-jährige Bergmann gräbt einen Kanal in das Flussbett und legt Steine an den Rand. "So waschen wir die Mineralien aus", erklärt er und greift in den Matsch: ein Gemisch aus Kieseln. Er zeigt auf ein paar glitzernde Steinchen in seiner Handfläche. Ein Grinsen rutscht ihm über das Gesicht: "Hier, das ist das Coltan", sagt er stolz. "Davon bezahle ich die Schulgebühren für meine Kinder."
Der Fluss Mwumba, in dem Bisingimana gräbt, wird von der lokalen Bevölkerung der "rote Fluss" genannt, nach seiner rostroten Farbe. Tiefe Frakturen ziehen sich durch die Flanken dieser Berge des ostafrikanischen Grabensystems. Regenwasser wäscht das rotbraune Gestein aus, das in den Fluss gespült wird. Er fließt durch die Stadt Rubaya, hoch oben in den Bergen des Bezirks Masisi, im Osten der Demokratischen Republik Kongo.
Dunkle schwere Wolken hängen in den Tälern. Nur wenn die Wolkendecke kurz aufreißt, sieht man unzählige Stollen, die die Berge durchlöchern wie Schweizer Käse. Dazwischen schleppen Männer Säcke. Sie kriechen in die Löcher hinein und kommen schmutzig wieder hinaus. Von allen Seiten hallt das Echo der Spitzhacken.
Bisingimana sammelt die Coltansteinchen in einer Wanne. Wenn er fleißig ist, schafft er an einem Tag rund ein halbes Kilo, erzählt er. Das bringt ihm umgerechnet rund zehn Euro. "Das ist eine gute Arbeit", sagt er. Er sei gerade dabei, sich ein Haus zu bauen.
Rubaya - das war noch vor zwei Jahrzehnten ein kleines verschlafenes Bergdorf rund 60 Kilometer westlich der ostkongolesischen Provinzhauptstadt Goma. Auf den Almen rund herum grasten die Kühe der Tutsi-Farmer. Dazwischen pflanzten Hutu-Bauern Kartoffeln, Bohnen und Mais an.
Dann fanden Geologen in den Gesteinsschichten Coltanerz - noch dazu mit einer hohen Konzentration von Tantal, das in der Elektronikindustrie weltweit gefragt ist. Als in den 1990er Jahren die Tantal-Nachfrage aufgrund der vermehrten Produktion von Computern und Mobiltelefonen in die Höhe schoss, strömten immer mehr Menschen nach Rubaya, um nach Coltanerz zu graben. Mittlerweile graben dort rund 50.000 Schürfer.
In diesem Kriegsgebiet gibt es nicht viele Jobs. Bisingimana ist froh, einen zu haben. Er zeigt einen Mitgliedsausweis der Kooperative "Cooperamma". Diesen muss er vorzeigen, wenn er abends seine Ausbeute im Lager oberhalb der Stollen abgibt und seinen Lohn erhält. Im Depot wird das Erz in Säcke abgepackt. Angestellte des Minenministeriums versiegeln sie. Dann werden die Säcke nach Goma transportiert. Dort verkauft sie Cooperamma an die Firma SMB, die die Mineralien offiziell exportiert. In Schmelzöfen in Asien wird aus dem Erz Tantal gewonnen, das in Handys verarbeitet wird. Bisingimana sagt, er wisse nicht, wo die Steinchen hingehen. Er vermutet: "Viele Leute machen damit sehr viel Geld."
"Wir konnten nicht einmal etwas zu essen kaufen"
Geld - das ist auch immer wieder die Sorge der Schürfer. Der Grund: SMB hatte die Bergbauarbeiten vorübergehend einstellen lassen. Am Tag darauf rückte die Minenpolizei aus Goma an und drohte, jeden zu verhaften, der gräbt. "Das war schlimm, wir konnten nicht einmal etwas zu essen kaufen", erinnert sich Bisingimana. Die Schürfer seien wütend gewesen, manche verzweifelt, berichtet er. Einige ließen ihre Spaten fallen, schnappten sich ihre Kalaschnikow und marschierten in Richtung der Provinzhauptstadt Goma. Auf dem Weg plünderten sie Geschäfte und Restaurants. An der Straßensperre in der Stadt Mushaki, 30 Kilometer vor Goma, wurden sie von der Polizei gestoppt. Es gab Verletzte.
Seitdem kommt es zu Übergriffen. So wurden etwa bei einem Überfall auf einen Umschlagposten von Coltan 13 Menschen getötet, darunter eine Frau und ein 5-jähriges Kind. Wer das Massaker verübt hat, ist bis heute unklar.
Rubaya galt schon immer als Brutstätte bewaffneter Milizen. Der Grund: Kongos Minengesetz ist ein widersprüchliches Konstrukt. Es vermacht die Rohstoffe im Boden an den einen Eigentümer, in diesem Fall an die Firma SMB der einflussreichen Tutsi- Familie von Edouard Mwangachuchu, mittlerweile Senator in der Hauptstadt Kinshasa. Das Ackerland an der Oberfläche gehört aber jemand anderem, in diesem Fall den in Rubaya ansässigen Hutu-Bauern. Da ist Streit zwischen den Ethnien vorprogrammiert.
Geschäftsführer Ben Mwangachuchu, Bruder von Senator Edouard, sitzt im ersten Stock eines noblen Hauses in Goma hinter dem Schreibtisch. Obwohl das Mineralien-Depot nebenan leer ist, sitzen vor den hohen Mauern bewaffnete Polizisten: alle Tutsi. Man traut also nur seinen eigenen Volksleuten. Seine Angestellten seien bedroht, einer seiner Sicherheitsleute sei im Mai in Rubaya getötet worden, erklärt er.
Die einflussreiche Tutsi-Familie hatte sich in Zeiten des Kongo-Krieges von 2006 bis 2008 die Minen unter den Nagel gerissen. Der heutige Senator war damals der politische Führer der Tutsi-Rebellen. Bei den Wahlen 2006 wurde er zum Abgeordneten des Bezirks Masisi gewählt, wurde später Senator. Kurz darauf erteilte ihm das Minenministerium die Abbaulizenz. Doch dies war Ackerland der Hutu-Bauern.
Robert Seninga, Hutu und Abgeordneter für Rubaya im Provinzparlament, mobilisierte die Hutu, um ihre Landrechte gegen die Minengesellschaft zu verteidigen. Er war einer der Mitgründer der Miliz Nyatura (übersetzt: Harter Druck), heute eine der größten bewaffneten Gruppen im Ostkongo. Die Milizionäre errichteten Straßensperren rund um die Gruben, verlangten Wegzoll für jeden Sack, der passierte. Die Geologen von SMB, die die Gruben vermessen und Maschinen installieren wollten, erhielten keinen Zugang. Hingegen begannen die Bauern mit Spitzhacken, Stollen zu errichten. Seninga gründete die Kooperative Cooperamma.
Seninga sitzt im feinen Anzug in seinem Büro, nur wenige hundert Meter von Mwangachuchus Firmensitz entfernt. Cooperamma sei mit über 3000 Mitgliedern Nord-Kivus größter Arbeitgeber, erklärt er stolz. Seninga und Mwangachuchu sind direkte Rivalen: im Krieg um Macht und Geld.
Immer wieder kam es zu Kämpfen zwischen Hutu und Tutsi in Rubaya. Die Erze waren auf dem Weltmarkt als sogenannte Blutmineralien verschrien, die Rebellen finanzieren. 2010 verbot die Regierung jeglichen Export. In den folgenden Jahren bemühte sich das Minenministerium, mit Hilfe internationaler Organisationen ein Zertifizierungsschema einzurichten, um im Bergbausektor aufzuräumen.
Unter Vermittlung der Regierung ließen sich 2013 Mwangachuchu und Seninga auf einen Kompromiss ein: Die Minengesellschaft erlaubte den Schürfern zu graben. Die Kooperative verpflichtet sich, die Mineralien an SMB zu verkaufen. Daraufhin galt Rubaya als Mustermine. Sie war 2012 die erste, die von der Regierung im neuen Zertifizierungsschema den Status "grün" erhielt, und SMB konnte wieder legal auf den Weltmarkt exportieren.
Schmuggelvorwürfe und ein Streit um Millionen Dollar
Doch dann ließ Verwalter Ben Mwangachuchu vergangenes Jahr die Bergbauarbeiten in Rubaya einstellen. Der Grund, erklärt er: Cooperamma habe 13 Containerladungen des in der SMB-Mine geförderten Coltanerzes illegal außer Landes geschafft, "ohne uns auch nur einen Dollar dafür zu bezahlen. Sie schulden uns fünf Millionen Dollar."
Bei den Schmuggelvorwürfen winkt Seninga ab. Er wirft SMB vor, durch die Schließung der Mine neue Konflikte zu schaffen: Die arbeitslosen Schürfer würden dann wieder zu den Waffen greifen, "um zu plündern und zu zerstören".
Mwangachuchu berichtet von ethnischen Spannungen in Rubaya. Seine Arbeiter seien angegriffen worden. "Wir hatten sogar einen Toten zu beklagen", sagt er. Nach den Zwischenfällen setzte Kongos Minenministerium den Status der Mine von grün auf gelb. SMB konnte nicht mehr legal exportieren. Damit wuchs der Schuldenberg.
Kongos Minenminister zwang Mwangachuchu und Seninga an den Verhandlungstisch. Letztlich unterschrieben beide ein Abkommen. Darin wird nun klar geregelt: Cooperamma muss alle Mineralien an SMB verkaufen. Im Gegenzug erlaubt SMB den Schürfern noch etwa bis Ende dieses Jahres zu graben. "Doch dann müssen sie alle unsere Mine verlassen, basta!", so Mwangachuchu. Nun ist die Mine wieder geöffnet. Doch Seninga fürchtet: Wenn die Schürfer die Mine verlassen müssen, "werden die Folgen für alle sehr schlimm".
Hutu und Tutsi leben in Ruanda, in Burundi und im Ostkongo - und immer wieder war ihr Verhältnis von massiver Gewalt überschattet. Geschätzt 300.000 Menschen sollen in Burundi bei Gewaltakten zwischen Hutu und Tutsi, die über Jahrzehnte wiederholt ausbrachen, getötet worden sein. Und in Ruanda begingen 1994 radikale Hutu einen Völkermord an Tutsi und moderaten Hutu. Innerhalb von drei Monaten ermordeten sie rund 800.000 Mitbürger. Als die von Tutsi dominierte Ruandische Patriotische Front unter dem heutigen Präsidenten Paul Kagame das Morden beendete und die Macht übernahm, flohen hunderttausende Hutu in den Ostkongo. Damit gelangte auch der Kongo in den Strudel dieses Konflikts. Unter den Flüchtlingen waren viele Mörder, die erneut Hutu-Milizen gründeten, die bis heute den Ostkongo verwüsten. Aber auch die kongolesischen Tutsi haben in der Vergangenheit bewaffnete Verbände gegründet.