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Der Kampf um das Berliner "Rote Rathaus" ist eröffnet

Von Volker Warkentin

Politik

Berlin - Ein Satz macht politische Karriere und verhilft der Berliner SPD zu einem Wahlkampf-Gag. Seit sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit mit den Worten ". . . und das ist gut so" öffentlich zu seiner Homosexualität bekannte, ziert der Spruch Werbemittel der Partei und er soll auch weiter eine Rolle spielen. Die CDU schickt den 35-jährigen Fraktionschef Frank Steffel ins Rennen, den seine Anhänger als "Kennedy von der Spree" preisen. Farbe im Wahlkampf verspricht PDS-Star Gregor Gysi, den es bei der Wahl am 21. Oktober ebenfalls auf den Chefsessel im Roten Rathaus drängt und dessen Ost-Partei gen Westen blickt.


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Seit die SPD wieder den Regierungschef stellt, verspürt die Partei der Bürgermeister-Legenden Ernst Reuter und Willy Brandt Rückenwind. "Wir sind die Kraft der Mitte", lobt SPD-Landeschef Peter Strieder seine Genossen, die seit dem Bruch der großen Koalition und der Bildung des von der PDS tolerierten rot-grünen Minderheitssenats so geschlossen sind wie seit Jahren nicht mehr. 30 Prozent plus X lautet das Wahlziel der SPD. Die SPD, das zeigen Bundestagswahlergebnisse, hat in Berlin ein Potenzial von etwa 38 Prozent. Vor zwei Jahren erreichte die SPD mit 22,4 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1945. Nun aber hat sich die Lage aus Sicht der SPD grundsätzlich geändert. "Wir haben den Regierenden Bürgermeister und einen Neuanfang. Das wird von den Menschen so wahrgenommen", verkündet Wahlkampfleiter Michael Donnermeyer. Dass der Senat im Abgeordnetenhaus auf die Stimmen der PDS angewiesen ist und die SPD eine Koalition mit den SED-Nachfolgern nicht ausschließt, ist "nicht das zentrale Thema", so Wowereit. Auf diesen aus ihrer Sicht wunden Punkt will die seit dem Bruch der großen Koalition oppositionelle CDU den Finger legen. Man werde deutlich machen, dass die SPD nur dank der Stimmen der SED-Nachfolger in die jetzige Situation gekommen sei, kündigt CDU-Wahlkampfleiter Volker Liepelt an. "Dem Vordringen des Sozialismus und der Sozialdemokratie in Europa muss ein Riegel vorgeschoben werden", fordert Steffel.

Die Christdemokraten streben nach Liepelts Worten mehr als 35 Prozent der Stimmen an und wollen wieder stärkste Partei im Bundesland werden. Die CDU werde im Wahlkampf deutlich machen, dass sie nach der Spenden- und Bankenaffäre um ihren früheren Fraktionschef Klaus Landowsky einen Schnitt gemacht habe und mit Landowskys Nachfolger Steffel einen frischen Kandidaten präsentiere.

"Go West" heißt es - wieder einmal - bei der PDS. "Wir werden im Westen verstärkt Präsenz zeigen", gibt Wahlkampfleiterin Almuth Nehring-Venus die Marschrichtung vor. Fünf bis sechs Prozent nach 4,4 Prozent im Westen vor zwei Jahren sollen es werden. "Gregor Gysi steht für diesen Brückenschlag von Ost nach West", preist Nehring-Venus den roten Spitzenkandidaten mit den Entertainer-Qualitäten. Im Osten wolle man die knapp 40 Prozent von 1999 noch ausbauen und stadtweit auf etwa 22 nach 17,7 Prozent kommen. Thematisieren will die PDS "die ungelöste Ost-West-Frage", für die Berlin symbolisch stehe. Vor allem aber ist Berlin für die PDS die Generalprobe für die Bundestagswahl 2002.

Für Grünen-Landeschefin Regina Michalik ist die Kandidatur Gysis "reiner Show-Effekt". Ihre Partei werde im Wahlkampf auf Inhalte setzen. "Wir haben das Problem bemerkt zu werden, aber das ist das Problem der besseren Argumente", umschreibt Michalik die Schwierigkeiten der Grünen, die vor zwei Jahren in ihrer "Hochburg" Berlin mit einem Verlust von über drei Punkten auf 9,9 Prozent abgesackt waren und auch jetzt schlechte Umfragewerte haben.

Morgenluft wittert dagegen die seit 1995 außerparlamentarische FDP. Die Liberalen strebten unter Ex-Wirtschaftsminister Günter Rexrodt ein zweistelliges Wahlergebnis an und gingen ohne Koalitionsaussage in die Wahl, sagt Parteisprecher Rolf Steltemeier.