Lithium ist der Treibstoff der Elektromobilität. Der massiv steigende Bedarf lässt nun einige Länder ihre Strategie im Umgang mit dem wertvollen Rohstoff überdenken. Statt privater Firmen soll der Staat den Abbau kontrollieren.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 1 Jahr in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Smartphones, Laptops und vor allem Elektroautos haben eines gemeinsam: Ohne Lithium kommen sie nicht aus. Die Ionen aus den Salzen des Alkalimetalls gelten als essenziell für den Transport elektrischer Ladung in aktuellen Batteriegenerationen. Aufgrund der Mobilitätswende weg von fossilen Verbrenner hin zu Elektroautos steigt weltweit der Bedarf für das silberweiße Leichtmetall. Global wird der Markt jedoch von einigen wenigen Ländern dominiert - und sie alle rüsten sich für den Ansturm auf den wohl wichtigsten Rohstoff der Energiewende. So hat Mexiko seine Lithium-Industrie bereits verstaatlicht, in Simbabwe, Myanmar und Indonesien gibt es Beschränkungen für verschiedene Rohstoffe.
Auch Chile, wo mit mehr als acht Millionen Tonnen Lithium das größte Vorkommen weltweit vermutet wird, will den Abbau in die Hand des Staates legen. Dafür ist die chilenische Regierung auch bereit, laufende Verträge mit den beiden tätigen Privatunternehmen SQM und Abemarle vor deren Ablauf im Jahr 2030 beziehungsweise 2043 nachzuverhandeln. Geplant ist ein Gemeinschaftsunternehmen, indem Privatfirmen maximal einen Anteil von 49,9 Prozent halten dürfen. "Chile verfügt über eines der größten Lithium-Vorkommen der Welt. Wir können uns nicht erlauben, keinen Nutzen daraus zu ziehen", argumentiert Staatschef Gabriel Boric den geplanten Eingriff in den Lithium-Abbau. Statt ausländischen Firmen die Kontrolle über die Minen oder Raffinerien zu überlassen, sollen die Einnahmen in Chile bleiben.
Lithium-Karbonat aus den Atacama-Salzseen
Abgebaut wird das chilenische Lithium im Norden des Landes. In den Salzseen der Atacama-Wüste wird das Lithium aus der Salzkruste gelöst und anschließend in Raffinerien zu Lithium-Karbonat verarbeitet. Doch obwohl im Salar de Atacama riesige Vorkommen schlummern, hinkt Chile bei der Produktion derzeit noch hinterher. Mit mehr als 60.000 Tonnen wird in Australien etwa die vierfache Menge abgebaut wie in Chile.
Dass Chile bei einer Ausweitung der Produktion genügend globale Abnehmer finden, ist unter Experten allerdings unbestritten. Zwar arbeiten Forscherteams und Start-ups an Alternativen zur Lithium-Ionen-Batterie, mit massentauglichen Alternativen ist jedoch erst in acht bis zehn Jahren zu rechnen. Rohstoffanalysten rechnen daher damit, dass sich die weltweite Lithium-Nachfrage von 685.000 Tonnen bis 2030 mit mehr als verdreifachen wird. Die prinzipiell verfügbare Menge sei nicht das Problem, Lithium gebe es weltweit genug, sagt der Geologe und Rohstoffexperte Jochen Kolb vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zur "Wiener Zeitung". Das Problem liege vielmehr in der Gewinnung. "Wir sehen bisher noch keine Tendenz, dass sich auch die Kapazitäten in den Bergbaugebieten in ähnlicher Art und Weise erhöhen."
Neben den bekannten Regionen Australien, Chile und Kanada wird auch in Europa nach Lithium in Gesteinsform oder in Thermalquellen gesucht. Vorkommen gibt es zum Beispiel in Portugal, Spanien, im deutsch-tschechischen Grenzgebiet, in Serbien und auch in Österreich. Seit 2011 gehört die heimische Abbaustelle inklusive der Schürfrechte in der Region der Kärntner Koralpe dem Unternehmen European Lithium. Seither fanden Explorationstätigkeiten, Probebohrungen und Machbarkeitsstudien statt, ein möglicher Abbaubeginn wurde in den letzten Jahren aber immer wieder in die Zukunft geschoben.
Soziale und ökologische Probleme beim Abbau
Zwar würde ein solcher Abbau in Europa unter strengeren Standards als in vielen anderen Ländern der Welt ablaufen, aber "wenn wir Bergbau betreiben, dann ist das immer ein Eingriff in die Umwelt", sagt Kolb. Neben dem Eingriff in die Biodiversität einer Region könne auch unter strengeren Standards die übliche Staub- und Lärmbelastung nicht verhindert werden. Außerdem werde in den lokalen Grundwasserhaushalt eingegriffen und "es gibt natürlich einen Wasserverbrauch durch die Aufbereitung", sagt der Rohstoffexperte.
Kolb zufolge gibt es im Rennen um die seltenen Erden allerdings auch vielversprechende Alternativen zum traditionellen Abbau. So erforscht das Karlsruher Institut für Technologie aktuell, wie sich Lithium auch bei Geothermiebohrungen gewinnen lässt. "Das Ziel ist, dass man das in Kombination macht, dass man weiterhin die Wärme des Wassers für das Heizen nutzen kann, aber eben zusätzlich das Lithium als Nebenprodukt herausholen kann." Pilotanlagen gibt es bereits, von einer großindustriellen Produktion ist man jedoch noch weit entfernt.
Eine weitere wichtige Rolle könnte künftig auch das Recycling spielen. Innerhalb der EU soll bis 2028 mehr als die Hälfte aller Batterien von leichten Verkehrsmitteln recycelt und wiederverwendet werden. 2031 sollen es dann 61 Prozent sein.
Recycling, Handelsverträge und Lagerstätten als Lösungen
"Recycling wird eine große Rolle spielen, das ist ein wichtiges Standbein in unserer Rohstoffversorgung. Aber eben nur ein Standbein, weil Recycling die Primärrohstoffe niemals vollständig ersetzen können wird", sagt Kolb. Hinzukommt, dass Recycling erst in zehn bis fünfzehn Jahren einen signifikanten Teil der Rohstoffverfügbarkeit ausmachen können. "Wir fangen ja jetzt erst richtig an mit der E-Mobilität", meint Kolb. Die Autos, die jetzt auf den Markt kommen, würden damit erst vergleichsweise spät für das Recycling zur Verfügung stehen.
Für eine gesicherte Versorgung mit Lithium brauche es in Europa daher "eigene Primärrohstoffe, ein gutes Recycling, gute und verlässliche Handelsverträge, um international an Rohstoffe zu kommen", sagt Kolb. Der Experte plädiert darüber hinaus aber auch für die Schaffung von strategischen Reserven. "Japan und die USA haben für wichtige Rohstoffe schon Speicher", sagt Kolb. "In Deutschland und Österreich wird außer fossilen Energieträgern und den staatlichen Goldreserven nichts gespeichert."
Mit der Speicherung wäre aber nicht nur für Krisenzeiten und bei gestörten Lieferketten vorgesorgt. Kolb sieh in einem "gesunden Lagermanagement" auch wirtschaftliche Vorteile. "Man könnte dann einkaufen, wenn der Preis niedrig ist, und wenn der Peis hoch ist, könnte man damit den Preis abfedern", sagt der Rohstoffexperte.