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Der Kampf um die Anerkennung

Von Barbara Ottawa

Politik

"First Nations", also "die ersten Völker", werden die Indianer in Kanada politisch korrekt bezeichnet. Obwohl sie demnach als erste das Land besiedelt haben, müssen sie heute für ihre Rechte auf dasselbe kämpfen. Im Jahr 1980 wurden die Rechte der indigenen Völker Kanadas, "Aboriginal Titles and Rights", als Artikel 35 der kanadischen Verfassung festgeschrieben. Näher wurden diese jedoch nicht definiert, und so muss heute noch immer in jedem Fall einzeln über Nutzungs- und Besitzrechte entschieden werden. Die kanadische Regierung bietet den Indianern individuelle Verträge an, die ihnen bestimmte Rechte zusichern. Vielen ist das nicht genug.


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Seit etwa 200 Jahren versuchen die indigenen Völker Kanadas, für ihre Rechte auf die Nutzung von Land zu kämpfen. 1997 wurden vom Obersten Gerichtshof Kanadas in der sogenannten "Delgamuukw-Entscheidung" die angestammten Landrechte der Indianer als "Aboriginal Title" anerkannt. Die Indigenen sahen die Entscheidung als Meilenstein.

Die Handhabung der Entscheidung verläuft jedoch weniger nach den Vorstellungen der Betroffenen. Die Regierung verlangt Beweise für die Existenz von Land- oder Nutzungsrechten auf bestimmte Gebiete und vergibt die Rechte nur spezifisch für einzelne Fälle.

Um die Landrechtsfragen schneller zu klären, hat Kanada Vertragsverhandlungen eingeleitet. Um in die Verhandlungen einzusteigen, müssen die Indigenen auf ihre Rechte als Indianer verzichten. Im Gegenzug besteht durch die Verträge die Chance, dass sie bestimmte Rechte zuerkannt bekommen. "Wir bieten den First Nations die Chance, Rechte zu erwerben, ohne einen Beweis für ihren Rechtsanspruch bringen zu müssen", erläutert der von der Bundesregierung als Verhandler beauftragte Thomas Molloy im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Viele Indigene sehen das anders. Der Vertrag zwingt sie, die angestammten Rechte völlig aufzugeben.

Letzte Woche hat Chief Arthur Manuel, Mitglied der Versammlung der Statusindianer "Assembly of First Nations" (AFN) dem Staatssekretär für Indianerangelegenheiten Stephen Owen eine ausführliche Studie zu den Problemen der Vertragsverhandlungen vorgelegt. Die sogenannte "Comprehensive Claims Policy" der Bundesregierung sei nicht mit dem Gesetz konform, so die Stellungnahme. Vor allem die Delgamuukw Entscheidung habe die Einhaltung der Rechte der Indigenen zu einer Verpflichtung für die Krone gemacht. Die derzeitige Politik würde aber das Gegenteil anstreben.

"Es ist nicht ein Aufgeben der Rechte, sondern deren Definition, die wir anstreben", erläutert Molloy auf Anfrage der "Wiener Zeitung".

Strategisch verhandeln - Vorteile richtig einschätzen

Seit Beginn der jetzigen Vertragsverhandlungen 1976 sind 14 Abschlüsse erzielt worden. "Die meisten Indigenen sind mit den Verträgen sehr zufrieden", sieht Molloy die Situation. "Die Regierung wäre auch nicht bereit, Verträge neu zu verhandeln." Tatsächlich zeigen sich die meisten Nisga'a fast ein Jahr nach Vertragsabschluss noch zufrieden. "Ehrlich gesagt ist alles, was wir uns von der Ratifizierung des Vertrages erhofft hatten, eingetreten", sagt Nisga'a Präsident Joe Gosnell. Einer der großen Kritikpunkte ist, dass nur 2.000 km² von ursprünglich 22.000 km², die den Nisga'a zur Verfügung standen, ihnen nach dem Abschluss noch gehören.

Dieses Volk ist bislang das einzige in der kanadischen Provinz Britisch Kolumbien, das einen solchen Vertrag abgeschlossen hat. Eine der größten Nationen in diesem Teil des Landes, die Shuswap, sieht die Vertragsverhandlungen als Angriff auf ihre Rechte und nicht als Chance für die Zukunft. "Wir werden nach unsere angestammten Rechten leben und sie nicht aufgeben", so Manuel, Chief der Shuswap.

"Wir können die Leute nicht zwingen, zu verhandeln. Neben Verhandlungen besteht noch die Möglichkeit vor Gericht zu gehen", erläutert Molloy. Die Indigenen können sich ihre alten Grenzen vom Gericht bestätigen lassen, wenn sie Beweise erbringen können. Doch wie die Shuswap in einer Stellungnahme an die "Wiener Zeitung" erklären, sind die Gerichtsverfahren langwierig und können bis über 700.000 Euro pro Jahr kosten - nicht nur für das Gerichtsverfahren sondern auch für die Beweisführung. Das schrecke viele Nationen ab obwohl auch schon Verfahren gewonnen wurden, in denen das Gericht die Regierung zur Zahlung der Gerichtskosten verpflichtet hat.

"Die Entscheidung, am Verhandlungsprozess teilzunehmen liegt bei den einzelnen indigenen Gruppen", analysiert Carlo Krieger, Völkerkundler, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" die Situation. "Jede Gruppe muss entscheiden, ob ein Vertrag für sie Vorteile bringen würde oder nicht." Für einige Nationen - wie etwa für die Shuswap - sei das Angebot der Regierung nicht attraktiv.

Die Cree in Quebec andererseits haben nun einen Vertrag mit der Regierung abgeschlossen, über die Nutzung von Wasser für ein Kraftwerk. Die Verhandlungen hatten sich über mehr als 20 Jahre hingezogen. Die Cree haben durch die besondere politische Situation in Quebec und ihr Gebiet, das reich an Bodenschätzen ist, eine starke Verhandlungsposition. Nun haben sie der Nutzung ihrer Ressourcen zugestimmt, mit Auflagen. Die Übereinkunft sichert den Cree im Gegenzug finanzielle Unterstützung in Millionenhöhe zu. Viele Kritiker sprechen aber von einem Ausverkauf.

Die Nisga'a hatten vor ihren Vertragsverhandlungen argumentiert, dass der Vertrag die einzige Chance sei, dem hundert Jahre alten Indianergesetz, dem "Indian Act", zu entgehen, der zwar einen gewissen Schutz und Rechte garantiert, allerdings in grob paternalistischer Weise. Robert Nault, Minister für die Angelegenheiten Indigener, ist stolz auf die Indianerpolitik seines Landes: "Wir sind weltführend in der Anerkennung der Rechte von Indigenen. Wir sind das einzige Land der Welt, dass diese Rechte in der Verfassung festgeschrieben hat." Er überlegt nun eine komplette Änderung des "Indian Act". Seine Vorschläge werden allerdings von den meisten First Nations abgelehnt, da sie nicht in Zusammenarbeit mit den Indigenen ausgearbeitet worden sind.

"Ungelöste Landrechtsfragen werden noch lange ein Problem in Kanada ein", schätzt Krieger die Situation auf Anfrage der "Wiener Zeitung" ein. Für einige First Nations bedeuten die Verträge eine Sicherheit, dass sie in bestimmten Gebieten etwa Fischfang oder Ackerbau betreiben können. Andere Nationen sehen nicht ein, wieso sie um Land, das sie Jahrhunderte lang bewirtschaftet haben, kämpfen müssen.