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Der Kampf um Plakatständer

Von Hanna Corsini

Politik
Die Dreieckständer von Wien Anders dürfen nur bei polizeilich genehmigten Kundgebungen aufgestellt werden. Auf dem Foto: El Awadalla (links), Wolf Goetz Jurjans (rechts)
© Herbert Fuchsbauer

Bürokratie erschwert Kleinparteien Wien Anders und Gemeinsam für Wien das Leben im Wahlkampf.


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Wien. Zwei Listen, die bei der Wien-Wahl am 11. Oktober antreten werden, stehen vor einer unüberbrückbaren Mauer: der Wiener Bürokratie. Zwei unterschiedliche Gründe, dasselbe Problem: Sie dürfen keine Dreieckständer auf Wiens Straßen aufstellen. Wien Anders (Andas) und Gemeinsam für Wien (GfW) suchen mit unterschiedlichen Mitteln dieselbe Lösung. Sie wollen ihre Ideen auf Plakatständern präsentieren dürfen.

Keine Ständer für Wien Anders

Das Wahlbündnis Wien Anders besteht aus Piratenpartei, KPÖ, Echt-Grün und der Plattform der Unabhängigen. So wie schon vor einem Jahr bei der EU-Parlamentswahl (damals trat die Allianz als Europa Anders an - KPÖ, Piratenpartei, Partei der Wandel und die Unabhängigen), möchte die Liste die genehmigten Standorte der KPÖ verwenden, um ihre Plakatständer aufzustellen. Doch dann die böse Überraschung: Der Bescheid wird zurückgewiesen, die Anfrage nicht genehmigt. Die Begründung: Wien Anders sei nicht im juristischen Sinne Rechtsnachfolger der KPÖ, schildert Wolf Goetz Jurjans, KPÖ Bezirksrat in Margareten. "Somit wird mir verboten, meine Ideen und mein Programm mittels Plakatständer im öffentlichen Raum darzustellen und um die Wählerschaft zu werben", meint er. Dies sei demokratiepolitisch durchaus fraglich, da somit einer offiziell zugelassenen Liste ein Kanal, der von anderen Parteien genutzt wird, gänzlich verweigert werde.

Um die öffentliche Aufmerksamkeit auf diese Geschehnisse zu lenken, hat der KPÖ-Bezirksrat vergangenen Freitag eine "Nachtrezeption" (er selbst ist Nachtportier) am Siebenbrunnenplatz in Margareten organisiert. Eine von der Polizei genehmigte politische Kundgebung, in der die aufgestellten Plakatständer unter polizeilichem Schutz stehen und nicht abgetragen werden dürfen. Im Laufe der "Nachtrezeption" hat er Flyer und Prospekte verteilt.

Andere Partei, gleiche Probleme

Am Montag macht sich Hoffnung breit: Die MA 46 (Verkehr) bietet eine Zwischenlösung an. Die KPÖ solle auf 40 bereits genehmigte Standorte zugunsten der wahlwerbenden Partei Wien Anders verzichten. KPÖ-Landessprecher Dietmar Zach, der von Beginn an im direkten Kontakt mit den Behörden stand, meint dazu: "Wir hätten dadurch nur 40 Plätze bekommen und dazu - juristisch gesehen - die gesamte Vorgangsweise der MA 46 ohne Widerspruch hinnehmen müssen." Daher habe er darauf verzichtet.

Doch Wien Anders ist nicht die einzige Liste, die gerade mit den Behörden bezüglich Wahlwerbung zu kämpfen hat. Die Partei Gemeinsam für Wien hat erst am letztmöglichen Tag, dem 4. September, alle 1800 notwendigen Unterstützungserklärungen eingereicht. "Die Gründungsinitiative hatte schon im Juni begonnen", erzählt Werner Bolek, Vorstandsmitglied und Bezirkskoordinator von GfW, "aber der Sommer ist damit vergangen, alle notwendigen Dokumente zu sammeln." Nach der Phase der Ungewissheit habe der Wahlkampf richtig begonnen. Doch auch hier stellt die Bürokratie ein Hindernis dar: Laut MA 46 könne die Liste die notwendigen Dokumente für die Beantragung von Standortplätzen einreichen. Dennoch: Das Verfahren kann bis zu sechs Wochen dauern. "Wir hätten unsere Plakate erst am 25. Oktober legal aufstellen können, also zwei Wochen nach der Wahl."

Parteien um Flächen gebeten

Bolek beklagt die Regelung: Während eine Partei noch Unterstützungserklärungen sammelt, soll sie auch schon geeignete Plakatstandorte suchen, fotografieren, dokumentieren, GPS-Koordinaten aufzeichnen und schlussendlich einen Antrag an die Magistratsabteilung stellen. Und das alles für eine Liste, deren Antreten noch nicht einmal sicher ist. "Das ist doch für beide Seiten vollkommen verlorene Zeit", meint Bolek.

Anders als Wien Anders versucht es GfW nicht mit einer aktivistischen Haltung, sondern mit einem Appell an die Spitzenkandidaten der etablierten Rathausparteien, SPÖ, ÖVP, Grüne und FPÖ. In einem offenen Brief vom 19. September ersucht die Liste um eine gemeinsame Lösung. Die Parteien sollen "einen fairen Teil", etwa zehn Prozent der ihr bereits genehmigten Plakatflächen, dazu verwenden, über die neue Liste zu informieren. "Uns geht es nicht um eine grafische Wahlwerbung", sagt Bolek. Ziel sei es, dass die Wahlbevölkerung mittels der Plakate über die Partei und ihre Werte informiert werde. "Selbstverständlich würden wir für die Kosten aufkommen", versichert Bolek. Im Brief wurde um eine Antwort bis 22. September gebeten. Bis Redaktionsschluss hat es noch keine Reaktion gegeben.

War der MA 46 "nicht bewusst"

Eine Sprecherin der MA 46 meint zum Fall Wien Anders, dass dem Magistrat bei der EU-Wahl 2014 nicht bewusst gewesen sei, dass das Standort-Kontingent der KPÖ für ein Bündnis genutzt wurde. Und zum aktuellen Streitfall wird auf Paragraf 76 und 108 der Wiener Stadtverfassung verwiesen, welche eine Nicht-Überlassung von Plakatständer regelt. Die Liste Gemeinsam für Wien habe keinen Kontakt aufgenommen: In ihrer Causa könne das Prozedere eingeleitet werden, "als MA 46 würden wir das Verfahren so rasch wie möglich abwickeln", heißt es vonseiten der Behörde. Was, wie im Übrigen bereits erwähnt, vier bis sechs Wochen dauern würde.

Beide Parteien stehen nun vor der Frage: Welche weiteren Schritte sollen unternommen werden? Wien Anders zeigt sich weiterhin kämpferisch: "Wir akzeptieren diese Zwischenlösung nicht und werden unsere aktivistische Haltung beibehalten", meint Goetz Jurjans. Bei Gemeinsam für Wien sieht es anders aus: Man sei auf der Suche nach Optionen, die aber keinesfalls in Streit ausarten, sondern auf Konsens beruhen sollen, sagt Bolek.