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Der Kampf um Schottland hat begonnen

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Schottlands SNP-Chefin Sturgeon will ein zweites Referendum über die Sezession von Großbritannien. London wirft ihr "politische Spielchen" vor.


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London. In Großbritannien hat ein bitteres Ringen um die Zukunft Schottlands und des ganzen Vereinigten Königreichs begonnen. Während die schottische Regierung ein neues Unabhängigkeits-Referendum für ihr Land noch vor dem britischen Austritt aus der EU verlangt, will die Regierung in London den Schotten eine solche Volksabstimmung verweigern - zumindest für die nächsten Jahre, und möglicherweise bis ins Jahr 2021 hinein.

Auf dem Frühjahrs-Parteitag der Schottischen Nationalpartei SNP in Aberdeen erklärte Vize-Parteichef Angus Robertson, das Schottland-Referendum werde auf jeden Fall kommen: "Das wird so sein!" Ihr "arrogantes Gepolter" könne sich die britische Regierungschefin Theresa May schenken, sagte Robertson: "Keine Premierministerin darf es wagen, sich Schottlands Demokratie in den Weg zu stellen", sagte Robertson am Freitag. May suche ja nur verzweifelt zu verhindern, dass jemand ihr und ihrem "harten, rechten Brexit" einen Strich durch die Rechnung mache.

Die schottische Regierung unter SNP-Chefin Nicola Sturgeon plant, am nächsten Mittwoch im Holyrood-Parlament von Edinburgh mit den Stimmen der SNP und der schottischen Grünen ein neues Unabhängigkeitsreferendum - das zweite seit 2014 - in die Wege zu leiten. Sturgeons Partei hatte eine solche Möglichkeit bereits in ihrem letzten Wahlprogramm verankert. Und ein Mehrheitsbeschluss des schottischen Parlaments wäre nach Ansicht der SNP ein klares Mandat.

Die Londoner Regierung muss diesem Plan aber zustimmen - und will in den nächsten zwei Jahren über eine solche Abstimmung nicht einmal mit sich reden lassen. Ein neues schottisches Unabhängigkeitsreferendum wäre "schlecht für Schottland, schlecht fürs Vereinigte Königreich, schlecht für uns alle", sagte die britische Regierungschefin Theresa May beim konservativen Frühjahrs-Parteitag in Cardiff. Das ganze Land werde mit ihr in den Brexit ziehen.

Konzentrieren auf den Brexit

Auf diese Aufgabe, auf den Brexit, müssten sich nun alle Energien konzentrieren, erklärte May. Für ein neues schottisches Unabhängigkeitsreferendum sei "jetzt nicht die richtige Zeit", hatte sie schon vorher gesagt. Wann "die richtige Zeit" sei, wollte sie allerdings nicht sagen. Erst einmal müssten die Schotten darauf warten, wie sich der Brexit nach 2019 in der Praxis anlasse, fügten konservative Politiker am Freitag hinzu. 2014 wurde ja bereits einmal abgestimmt, 55 Prozent der Schotten sprachen sich damals für den Verbleib im Vereinigten Königreich aus, während 45 Prozent ein unabhängiges Schottland wollten.

Selbst der damalige schottische Premier und Chef der SNP Alex Salmond hatte nach jener Niederlage erklärt, das sei es ja dann wohl "für eine Generation" gewesen. Seine Nachfolgerin Sturgeon sieht aber völlig neue Umstände, nach dem Brexit-Beschluss. Schließlich hatten 62 Prozent der Schotten für Verbleib in der EU votiert.

Vor allem, argumentieren SNP-Sprecher, hätten die Schotten im EU-Binnenmarkt bleiben wollen, den Theresa May selbst noch vor einem Jahr himmelhoch gelobt hatte. Nicola Sturgeon hatte May in der Folge des Brexit-Beschlusses angeboten, den EU-Austritt für Schottland zu akzeptieren, solange Großbritannien oder wenigstens Schottland im Binnenmarkt verbleiben könne.
Der von May in Aussicht genommene Ausstieg aus Binnenmarkt und Zollunion machte aber entsprechende Hoffnungen zunichte. Und Mitsprache bei der Brexit-Planung gewährte May den Schotten nicht. Das hatte diese Woche bereits zu offener Feindseligkeit zwischen den Regierungen in London und Edinburgh geführt.

May warf Sturgeon dabei vor, "politische Spielchen zu spielen" und den Brexit nur als "Vorwand" für ihre separatistischen Ziele zu benutzen. Sturgeon hielt May vor, nicht mal über ein persönliches Wähler-Mandat zu verfügen: "Die Premierministerin ist bisher von niemandem gewählt worden." Der Tag, an dem May versucht habe, ein schottisches Referendum zu blockieren, prophezeite Sturgeon düster, werde sich im Rückblick noch als der Tag erweisen, "an dem das Schicksal der Union besiegelt worden ist".