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Der Kampf ums Quirinal

Von Rainer Mayerhofer

Analysen

Die Wiederwahl Ciampis wäre die beste Lösung - wenn er selbst es will. | 1010 "Grandi elettori" (Große Wähler) treten am kommenden Montag - vier Tage früher als ursprünglich geplant - zusammen, um den Nachfolger des 85-jährigen Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi zu wählen. So wie die Dinge liegen, könnte dieser wieder Ciampi heißen - wenn er selbst es will.


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Bisher hat Ciampi, der vor sieben Jahren im ersten Wahlgang mit einer großen Mehrheit (707 von 990 Stimmen) gekürt worden ist, eine neue Kandidatur ausgeschlossen. Keiner seiner neun Vorgänger im Quirinalspalast, dem Sitz des Präsidenten, war für ein zweites Mandat wiedergewählt worden, wenn auch die meisten es durchaus angenommen und einige auch in einer Volkswahl eine überwältigende Mehrheit bekommen hätten. Ciampi wäre diese ebenfalls sicher, gilt er doch gemeinsam mit dem von 1978 bis 1985 amtierenden Sandro Pertini als das beliebteste der italienischen Staatsoberhäupter.

Das ist aber nicht der ausschließliche Grund, weshalb er nun vom scheidenden Premierminister Silvio Berlusconi für ein neues Mandat vorgeschlagen wurde. Berlusconi weiß, dass er angesichts der Mehrheitsverhältnisse keine Chance hat, einen Kandidaten seiner Wahl durchzubringen. Den Linksdemokraten Massimo DAlema aber kann er nur verhindern, wenn es gelingt, Ciampi noch einmal zu einer Kandidatur zu überreden. Prodi, der bei der Regierungsbildung darauf bedacht sein muss, alle Gruppen seines Lagers bei der Stange zu halten, hätte mit einer Wahl DAlemas zum Präsidenten zumindest die stärkste Partei seines Bündnisses ruhig stellen können, wo doch die Linksdemokraten bei der Vergabe der Präsidentenposten im Parlament leer ausgegangen sind.

Das Prodi-Lager hat sich einer zweiten Amtszeit Ciampis nie widersetzt, die Entscheidung aber immer dem Präsidenten selbst überlassen. Ciampi hat Donnerstag zum erstenmal - wenn auch nur indirekt - erkennen lassen, dass er doch zum Verbleib im Quirinal bereit sein könnte. "Wir werden sehen" sagte er bei einem Besuch in seiner Heimatstadt Livorno, mit dem er eigentlich sein siebenjähriges Mandat hatte abschließen wollen. Vor einer Woche noch hatte er betont, sein Alter spreche gegen eine neue Kandidatur und er werde nur noch für die Funktion des Senators auf Lebenszeit zur Verfügung stehen, ein Amt, das Ex-Präsidenten automatisch zusteht. In dieser Funktion hätte er die knappe Mehrheitsfraktion des Mitte-Links-Lagers vermutlich um eine Stimme verstärkt.

Berlusconi könnte mit einer Wiederwahl Ciampis also seinem Nachfolger als Regierungschef, Romano Prodi, zwei kleine Nadelstiche versetzen und angesichts des hohen Alters Ciampis auf baldige Präsidentenneuwahlen hoffen. Diese Hoffnung ist allerdings schon einmal nicht aufgegangen - als der damals 82-jährige Sandro Pertini im Sommer 1978 als Kompromisskandidat gekürt und sieben Jahre durchgedient hatte.