Energiewirtschaft und Industrie brauchen die Fließgewässer. Rund 60 Prozent sind in keinem guten ökologischen Zustand.
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Wien. Will man saubere Energie gewinnen, ist es eine willkommene Quelle, für die sich Österreich gerne rühmt. Denkt man den Umweltgedanken aber weiter, zerstört genau diese Art der Energiegewinnung Flüsse und Ökosysteme. Wasser, das blaue Gold, ist mächtig und vergänglich zugleich.
In Österreich speisen derzeit etwa 3100 Kleinwasserkraftwerke Ökostrom in das öffentliche Versorgungsnetz ein und decken damit rund zehn Prozent des Strombedarfs. Laut der "#Mission 2030", der Klima- und Energiestrategie der Bundesregierung, soll bis 2030 Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien kommen. Aktuell sind jedoch schon 60 Prozent der Fließgewässer in keinem guten ökologischen Zustand. Nur noch 15 Prozent erhalten das Prädikat "sehr gut", so die Daten des Umweltministeriums.
Verbauung statt Renaturierung
Dennoch werde aktuell mehr Geld in die Verbauung als in die Renaturierung investiert, sagt Andreas Baumüller, Chef der Naturschutzabteilung des Brüsseler WWF-Büros für EU-Politik, zur "Wiener Zeitung". "Die Probleme sind dadurch hausgemacht." Angeblich gebe es auch "sehr viele Pläne zu neuen Wasserkraftwerken" - rund 150 lägen in der Schublade.
"Der große Ausbau der Wasserkraft war in den 70er Jahren. In der Vergangenheit wurde viel in den Gewässerschutz investiert und wir investieren weiter", meint dazu Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). Um das Ziel zu erreichen, Strom bis 2030 zu 100 Prozent aus Erneuerbaren zu erzeugen, werde man vor allem auf Biomassekraftwerke, Photovoltaik und Wasserstoff fokussieren.
Der Anteil von 60 Prozent der Fließgewässer, die in keinem guten ökologischen Zustand sind, gilt jedoch auch europaweit. Die Wasserpolitik sollte durch die EU-Wasserrahmenrichtlinie grundlegend reformiert werden. Diese trat im Jahr 2000 in Kraft und zielt darauf ab, dass spätestens bis 2027 alle Oberflächengewässer in einem guten ökologischen und chemischen Zustand und bis dahin bei Bedarf renaturiert worden sind. Erheblich veränderte oder künstliche Gewässer sollen "ein gutes ökologisches Potenzial" aufweisen.
Inwieweit die Umsetzung dieser Richtlinie voranschreitet beziehungsweise die Erreichung des Ziels realistisch ist ("Fitness-Check"), ist Thema bei der fünften Europäischen Wasserkonferenz, die von Donnerstag bis heute, Freitag, in Wien stattfindet. Mehr als 400 Experten und NGOs aus rund 40 Staaten sind dabei.
Köstinger unterstrich bei der Eröffnung der Konferenz am Donnerstag, dass es viel zu tun gäbe - Österreich gehöre zu den wasserreichen Ländern der Welt. Man dürfe die Biodiversität nicht zerstören, fügte Veronica Manfredi hinzu, Direktorin in der Generaldirektion Umwelt in der Europäischen Kommission.
Umweltschutzorganisationen befürchten dennoch, dass der "Fitness-Check" der EU-Wasserrahmenrichtlinie nicht zu einer Verbesserung, sondern einer weiteren Verschlechterung der Situation führen könnte. Wasserkraftwerke sind dabei nur ein Teil des Problems. Auch Grenzwerte für Abwässer aus der Industrie, Dünger aus der Landwirtschaft sowie die Wasserentnahme für Kühlung und Bewässerung sind Thema. "Die Mitgliedstaaten sind bei der Umsetzung säumig. Dadurch, dass immer mehr Wirtschafts- und Industrielobbys Stimmung gegen den ökologischen Gewässerschutz machen, haben sie die Ziele nach hinten verschoben", sagt Bettina Urbanek vom WWF. Eigentlich hätten diese schon bis 2015 erreicht werden sollen und nur mit Ausnahmen spätestens bis 2027.
"Jetzt, wo es enger wird, könnten sie die Ziele hinunter setzen oder weiter verschieben", sagt Urbanek. Der "Fitness-Check" könnte durch Interessengruppen auf Wirtschafts- und Industrieseite "so beeinflusst werden, dass die EU-Wasserrahmenrichtlinie in der geltenden Form als nicht umsetzbar beurteilt und zur Überarbeitung geöffnet wird. Passiert das, stünde eine Aufweichung der elementaren Schutzstandards unmittelbar im Raum - und wir können die notwendige Gewässersanierung für viele Jahre abschreiben", ergänzt Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes.
Bereits jetzt gestalte sich diese in Österreich schwierig - denn die Finanzierung vonseiten des Bundes wurde gestoppt. Waren im ersten Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan (NGP) von 2009 bis 2015 noch je 25 Millionen pro Jahr für ökologische Maßnahmen für Gewässer vorgesehen, ist dieser Topf im zweiten NGP bis 2021 trockengelegt. Im Moment fließt also kein Geld vonseiten des Bundes in die Renaturierung von Flüssen und Bächen. "Wir werden alles tun, dass wir es in Zukunft zur Verfügung stellen", sagt dazu Köstinger. Denn es sei wichtig, in die Renaturierung zu investieren.
Kosten für Wasseraufbereitung
Wird die EU-Wasserrahmenrichtlinie nicht umgesetzt, leidet jedenfalls nicht nur die Umwelt. Eine Studie der Europäischen Kommission aus 2011 beziffert die volkswirtschaftlichen Folgekosten für eine unzureichende Umsetzung auf fünf bis 20 Milliarden Euro pro Jahr - unter anderem für Flutsicherung oder Wasseraufbereitung.
Umweltschutzorganisationen befürchten eine weitere Verschlechterung der Situation.