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Der kanadische Kampf um Kyoto

Von Barbara Ottawa

Politik

Die UN warnte vergangene Woche, dass das Ziel, die weltweiten Treibhausgas-Emissionen zu verringern, nicht erreicht werden könne, wenn die USA dem Kyoto-Protokoll nicht zustimmen. Diese lehnen jedoch das Abkommen ab, da es Entwicklungsländer nicht einbeziehe und - vor allem - weil sie glauben, es werde der US-Wirtschaft schaden. Ähnlich argumentieren auch die nördlichen Nachbarn der USA, Kanada. Dort versucht Premierminister Jean Chrétien gerade, die Provinzen zu überzeugen, seinem Plan, Kyoto noch vor Jahresende zu ratifizieren, zuzustimmen.


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Die meisten Seen und Wälder in Kanada sind noch "gesund". Viele US-Bürger fahren jährlich nach Ontario, um dort in den Wäldern zu jagen - derzeit ist gerade Elchjagdsaison. Auch die Kanadier selbst sind stolz auf ihre Bäume und deren wunderschön rotes Herbstlaub.

Lake Eerie, einer der "Großen Seen", stirbt jedoch gerade. Einige Stellen des Gewässers, durch das die Staatsgrenze verläuft, sind ohne Sauerstoff und daher tödlich für alle Arten von Lebewesen. Die Ursache für das Absterben ist nicht sicher. Es könnten fremde Spezies sein, die das Gleichgewicht des Sees gestört haben oder die Globale Erwärmung.

Die meisten Rasenflächen vor Häusern in guten Wohnvierteln in und um Ottawa sehen tadellos aus. Sie sind gepflegt, ohne Unkraut, und nur ein- oder zweimal in der Woche stören Behälter mit der Aufschrift "We recycle. Nous recyclons" das Bild.

Die Stadtregierung überlegt jetzt, den Gebrauch von Pestiziden für Privatpersonen zu verbieten, da die Gifte der Gesundheit und der Umwelt schaden. Plakate machen Rasenbesitzer schon jetzt auf alternative, natürliche Mittel zur Unkrautbekämpfung aufmerksam.

Wenn Kanada das Kyoto-Protokoll ratifiziert, müsste das Land seine Treibhausgas-Emissionen um 30 Prozent, das sind 240 Megatonnen, verringern. Premierminister Jean Chrétien ist überzeugt, dass dies möglich ist, und möchte das Protokoll bis Jahresende ratifiziert sehen. "In 30 Jahren werden einige Menschen in Kanada sterben, weil wir heute nicht verantwortungsvoll gehandelt haben", sagte er vor dem kanadischen Unterhaus.

Die Provinzregierungen haben sich geschlossen gegen eine Ratifizierung des Protokolls bis Jahresende ausgesprochen - aus unterschiedlichen Gründen. Alberta, einer der schärfsten Gegner von Kyoto, fürchtet, dass seine Ölindustrie großen Schaden durch die Emissionsverringerungen nehmen könnte. Quebec fürchtet, dass seine Fortschritte, die es im Bereich Umweltschutz gegenüber anderen kanadischen Provinzen bereits gemacht hat, im Plan der Bundesregierung nicht anerkannt werden.

Allgemein werden der Alleingang der Bundesregierung in dieser Frage und die fehlenden Details im vorliegenden Ratifizierungsplan kritisiert. Er beinhalte weder konkrete Angaben dazu, wie die Emissionsverringerungen erreicht werden sollen und wer davon am meisten betroffen sein wird, noch zu den finanziellen Auswirkungen. Industrielle in Kanada haben sich bereits der US-Meinung zum Kyoto-Protokoll angeschlossen. Die USA lehnen es unter anderem ab, den Vertrag zu unterschreiben, da er zu hart gegen die Wirtschaft und die Industrie vorgeht.

Der kanadische Unternehmer Geoffrey Ballard hat vor kurzem in einer Rede das Kyoto-Protokoll als gefährlich bezeichnet, da es den "wirtschaftlichen Fortschritt zurückbilden" würde. So könnten kanadische Unternehmen nicht mehr wettbewerbsfähig sein.

In der öffentlichen Meinung ist das Kyoto-Protokoll höher angesehen. Die meisten Kanadier sind für eine Ratifizierung. Doch es gibt auch solche, die der Ansicht sind, dass ein vernünftiges Industrieland Kyoto nie unterschreiben würde. Um die Vertragsziele zu erreichen, müssten zu viele Fabriken schließen, zu viele Arbeitsplätze gingen verloren. Das fehlende Bewusstsein für alternative Möglichkeiten zur sofortigen Schließung von Fabriken, wie der Einbau von Filtern oder sonstige emissionshemmende Maßnahmen, zeigen sich auch in einer der kanadischen Traditionen: Dem Sonntags"spaziergang" mit Auto - inklusive Stau - in den diversen Parks.

Indigene als grünes Gewissen Kanadas?

Wie auch auf der europäischen Seite des "großen Teiches" kamen mit den 80er-Jahren auch in Kanada und den USA grüne Parteien auf. Doch in beiden Ländern sind sie nie besonders stark geworden. Einige Kanadier meinen, dass es vor allem daran liegt, dass sie außer ihrem Umweltprogramm keine politische Agenda hätten und außerdem nur aus "blutjungen" Leuten bestehen würden. Andere bringen die fehlende finanzielle Unterstützung durch große Sponsoren ins Treffen.

In der Vorstellung der meisten Europäer sind es die Indianer, die sich auf dem amerikanischen Kontinent um die Umwelt kümmern. Entgegen anderer weit verbreiteter Klischees über die indigene Bevölkerung in Kanada und den USA, ist dieses Bild weitgehend richtig.

Einige Indigene wollen möglichst schnell auch ein Stück vom Wirtschaftskuchen haben und vergessen, laut anderen Indigenen, dabei auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Die Mehrheit ist sich jedoch der Auswirkungen des Klimawandels bewusst.

Grand Chief Ted Moses von den Cree Indianern im Norden Quebecs hat mit der Provinzregierung einen Selbstverwaltungsvertrag für die Cree ausverhandelt. Ein Bestandteil davon ist, dass die Provinz die Ressourcen auf dem Indianerterritorium nutzen darf - aber nur in von den Cree bestimmten Maßen. "Die Winter werden wärmer. Das Fell der Tiere wird weniger dicht und die Zugvögel ändern ihre Route", berichtet Chief Moses der "Wiener Zeitung". Die Auswirkungen des Klimawandels sind sichtbar. Bevor die Cree ihren Vertrag mit der Provinz unterzeichnet haben, war in der Region Kahlschlag gang und gäbe. "Jetzt gibt es keinen Kahlschlag mehr", sagt Chief Moses stolz. Wenn ein Wald bis zu einem bestimmten Grad abgeholzt wird, wird er, bis er sich "erholt" hat, für die Forstwirtschaft gesperrt. Dafür garantiert die Beteiligung der Cree an der Forstwirtschaftskommission.