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Der Karneval ohne Karneval

Von Eva Stanzl

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Was hat er sich bloß dabei gedacht? Kölns neuer Polizeipräsident Jürgen Mathies will während der Karnevalstage "konsequent gegen alle, die über die Stränge schlagen", vorgehen. Nach den Silvester-Übergriffen auf Frauen mit mehr als 800 Anzeigen wende sich das verschärfte Sicherheitskonzept für den Kölner Karneval gegen "jegliche Form von Gewalt - Diebe, Räuber, alkoholisierte Aggressoren und Sexualstraftäter, die das Nein einer Frau nicht akzeptieren." So weit, so erfreulich. Doch die Bezeichnung "über die Stränge schlagen" muss entweder als Themenverfehlung oder als absurdes Wortspiel gedeutet werden - mit krimineller Energie hat sie nämlich nichts zu tun. Über die Stränge schlagen heißt "übertreiben" und kommt vom unerwünschten Treten eines Pferdes mit den Hinterbeinen über die Zugstränge seines Geschirrs; "das Pferd hatte es mit dem Galopp übertrieben oder war zu wild". Synonyme sind "verrückt spielen" "sich austoben, amüsieren", "mit Vehemenz wüten", "ausschweifend leben" - ein Beispiel: "Wer mit Alkohol über die Stränge schlägt, muss mit einem Kater rechnen."

Begrapschen heißt jetzt also über die Stränge schlagen, vergewaltigen tut man zum Dampf Ablassen und das Handtascherl entreißt man jemandem, weil’s lustig ist.

Weiters benötigt die Kölner Polizei nach dieser Ankündigung wohl nicht nur Verstärkung aus den Bundesländern, sondern auch zusätzliche Gefängnisse. Streng genommen müsste sie nämlich alle Verkleideten verhaften, die beim Karneval durch die Straßen ziehen, denn Faschingszeit ist über die Stränge Schlagen. Ob Mathies, der milde formuliert, um keinen Fremdenhass zu schüren, das auch weiß?