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Der Weltjugendtag ist ein beeindruckendes Zeichen. Es gibt nicht viele Organisationen, die so viele Jugendliche aus aller Welt versammeln können. Für den Vatikan ist es auch ein politisches Signal, die sozialdemokratische Regierung in Spanien hat der katholischen Kirche vor Ort Privilegien genommen. Für Papst Benedikt ist es ein politisches Signal an die Jugend, dass er an ihrer Seite steht. Seine Worte zum Raubtier-Kapitalismus waren zwar nicht neu, aber deutlich. Aber was sind die spirituellen Botschaften? Gute Stimmung unter gleichgesinnten Jugendlichen ist kein katholisches Privileg.
Die katholische Kirche steckt - wie die meisten althergebrachten Institutionen - in einer Krise. Die "Pfarrer-Dissidenten" (was für eine kuriose Bezeichnung) mit Helmut Schüller als Leitfigur holten sich von Kardinal Schönborn eine glatte Abfuhr. Es geht um die Aufhebung des Zölibats, es geht darum, dass Frauen zu Priestern geweiht werden können.
Njet, heißt es aus der Nomenklatura. Und wie jede Nomenklatura schafft sie es im Ernstfall nicht, über den Kirchturm hinauszusehen. Wenn ihre Botschaft Christi stark genug ist, wird sie auch von verheirateten Priestern verkündet werden können, sollte man meinen.
Doch die katholische Kirche beharrt auf ihren Unterschieden zu den anderen christlichen Kirchen, und das gehört halt dazu. Tatsächlich könnte man Schüller und den anderen revoltierenden Priestern zurufen, sie mögen doch in die altkatholische Kirche wechseln, dort gibt es bereits alles, was sie fordern.
Egal, ob das passiert oder nicht, die katholische Kirche steht vor einer ungeheuren Herausforderung. Das 21. Jahrhundert mit seinen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen drängt die Definition einer göttlichen Schöpfung beständig zurück. Die Liberalität einer offenen Gesellschaft stößt sich nicht an verheirateten Priestern. Der Bestemm des Vatikans hat mit dem "Kirchenvolk" wenig zu tun. Es tritt in Massen aus der Kirche aus, der damit der finanzielle Boden entzogen wird.
Nun kann sich die katholische Kirche auf Afrika, Indien und Südamerika konzentrieren, zumindest um die Zahl ihrer Gläubigen zu halten. Sollte dies der Fall sein, dann geht es bloß um Einfluss und Macht. Wenn Schönborn klug und mutig ist, gibt er nach. Das wäre keine Niederlage, sondern ein Zeichen von Weisheit.