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Der Klassenfeind im eigenen Lager

Von Walter Hämmerle

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Die Sozialisten in allen Parteien verweigern sich einer Vereinigung in einer. Zum Leid- wesen mancher.


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Den "Sozialisten in allen Parteien" widmete 1944, inmitten des größten Kriegs-chaos, der Liberale Friedrich August von Hayek sein epochales Werk "Wege zur Knechtschaft". Das hielt Westeuropa dennoch nicht davon ab, sich in den folgenden Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg in sämtlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen selbst einer ebenso weit- wie tiefgreifenden Sozialdemokratisierung zu unterziehen.

Nun griff ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf dieses Bonmot wieder einmal in einem Interview mit dem "Standard" auf, um es den Befürworter einer höheren Vermögensbesteuerung in den eigenen Reihen missmutig entgegenzuschleudern. Unnötig zu erwähnen, dass die aufrechte Empörung der schwarzen Arbeitnehmer auf dem Fuß folgte.

Die kleine Polemik unter Parteifreunden mag all jene überraschen, die noch an die Existenz unüberbrückbarer ideologischer Gegensätze zwischen den österreichischen Parteien glauben. Die sind - siehe die folgenlosen Warnungen Hayeks - ein Irrglaube. Und daran - siehe Kopf - sollte auch der deutsch-britische Lord und Liberale Ralf Dahrendorf nichts ändern, der Ende der 80er Jahre seine These vom "Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts" postulierte. Die gesammelten politischen Reaktionen auf die Krise zeigt, dass auch von Dahrendorf diesbezüglich wenig mehr als ein eingängiges Bonmot geblieben ist. Er wird es verschmerzen, schließlich war der Lord ohnedies ein Grenzgänger zwischen Liberalismus und Sozialdemokratie, gehörte er doch nicht nur der FDP, sondern auch der SPD unter Helmut Schmidt an.

Die - nun tatsächlichen oder auch nur angeblichen - Sozialisten in der ÖVP waren natürlich nicht immer welche. Angefangen haben sie - ideengeschichtlich gesprochen - nämlich als Christlich-Soziale, die sich auf die katholische Soziallehre in ihrem sozialpolitischen Selbstverständnis beriefen. Versprengte Wirtschaftsliberale wie Kopf stießen - wiederum ideengeschichtlich gesprochen - erst später zu dem, was seit 1945 unter ÖVP firmiert.

In sagenhaften Zeiten, als Politik noch von grundsatzpolitischen Standpunkten geprägt wurde, hatten von der katholischen Soziallehre bewegte Christlich-Soziale und Sozialdemokraten wenig mehr gemeinsam, als Armut und Leid in der Welt zu mindern. Ihr Verständnis vom Staat, von der Ungleichheit im Leben und im Besitz hätte unterschiedlicher kaum sein können.

Mittlerweile hat die Unübersichtlichkeit der politischen Alltagshektik die Unterschiede längst verwischt, ja aufgehoben. Vermögensbesteuerung, Pensionsreform, Armutsbekämpfung: Die Konzepte gleichen einander wie ein Ei dem anderen und in der Frage einer Mindestsicherung übertrifft die Sozialakademie der Erzdiözese sogar traditionelle linke Ideen um Längen.

Übrigens ist der Mut der ÖVP, den Sozialisten in den eigenen Reihen standhaft Paroli zu bieten, ein wankelmütiger. Nämlich immer dann, wenn Wahlen vor der Tür stehen, entdeckt auch die Volkspartei die Vorteile eines staatlichen Füllhorns - paradigmatisch vorexerziert erst jüngst beim Nationalratswahlkampf 2008. Auch eine Finanztransaktionssteuer war schon paktiert mit der SPÖ.

Paradox mag angesichts dieser schleichenden Unterwanderung der Volkspartei durch Sozialisten erscheinen, dass seit Jahren der Arbeitnehmerbund ÖAAB in einer identitätsbedrohenden Krise gewähnt wird. Gemeinhin gelten nämlich Wirtschafts- und Bauernbund als die Taktgeber schwarzer Politik.

Das lässt eigentlich nur zwei Schlüsse zu: Entweder die Sozialisten in der ÖVP sitzen auch in der Wirtschaftskammer und auf den Bauernhöfen, oder aber der kleine Seitenhieb des Klubobmanns war nur ein aufmunternder Hinweis für den ÖAAB, dass er ja ohnedies den Ton in den Reihen der Volkspartei angibt.