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Chinas Machtelite liebt Zahlen. Deng Xiaoping sprach von seinen "Vier Modernisierungen": Modernisierung der Landwirtschaft, Industrie, Verteidigung sowie Wissenschaft und Technik. Oder die Idee des "Dreifachen Vertretens" von Jiang Zemin aus dem Jahr 2000: Die Partei soll die Interessen des Volkes vertreten, die Produktivkräfte sowie die Kultur entwickeln.
Doch nicht nur ideologische Leitlinien kommen am liebsten im Plural daher, auch für Wachstumszahlen, Autobahn- und Schienenkilometer, Internetanschlüsse und Universitätsabgänger gilt: je mehr, desto besser. Zum Auftakt des 18. Parteitags der Chinesischen Kommunistischen Partei in der Großen Halle des Volkes finden sich in der Rede des abtretenden Präsidenten Hu Jintao ebenfalls eine Menge Zahlen. Die wichtigste: Bis 2020 sollen die Einkommen der Menschen in China verdoppelt werden.
Die Kommunistische Partei Chinas hat mit der chinesischen Bevölkerung einen faustischen Pakt abgeschlossen: Die Partei sorgt für Wachstum, Wohlstand, Arbeitsplätze und das Volk verzichtet im Gegenzug auf politische Teilhabe. Tatsächlich hat sich das Bruttoinlandsprodukt in der Ära von Präsident Hu Jintao und Wen Jiabao vervierfacht. Hunderte Millionen wurden aus der Armut geholt, das Land trat selbstbewusst und mit Getöse auf das Parkett der Weltbühne.
Doch die 5. Führungsgeneration, an die die Stafette beim 18. Parteitag in Peking übergeben wird, steht vor gewaltigen Herausforderungen.
Die Internet-Generation der jungen Chinesen hält nicht mehr brav den Mund und will Mitsprache. Das umweltzerstörende, exportorientierte, Energie und Ressourcen verschlingende Wachstumsmodell hat sich überholt. Die sozialen Gegensätze werden unerträglich. Und die flagrante Korruption höchster Parteikader korrodiert das ohnehin nicht besonders stark ausgeprägte Vertrauen in Staat und Partei immer weiter.
Die Ära von Hu Jintao und Wen Jiabao der vergangenen zehn Jahre war wirtschaftlich zweifellos ein gewaltiger Satz, politisch aber eine Ära des "weiter so", bestenfalls ein "kleiner Sprung nach vorn" - immerhin hat das Internet Fortschritte in Sachen Meinungsfreiheit gebracht. Der kommende Präsident Xi Jinping und sein designierter Premier Li Keqiang können so aber nicht weitermachen. Wenn sie sich um politische Reformen herumdrücken, droht Chaos. Und nichts fürchten Chinesen mehr als Tumult und Wirren.