Unisex-Polizzen: Umstellung kostete heimische Assekuranz bis zu 130 Millionen.
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Wien. Frauen leben im Regelfall um ein paar Jahre länger als Männer. Als Autofahrer sind sie meist vorsichtiger und verursachen weniger schwere Unfälle. Auch sonst leben Frauen auf weniger gefährlichem Fuß als Männer, weil sie Risiken eher scheuen. In Zukunft ist das alles egal, die EU will es so. Und deshalb bricht für Europas Versicherungswirtschaft eine völlig neue Ära an. Ab morgen, Freitag, darf die Branche Neukunden nur noch geschlechtsneutrale Preise, sogenannte Unisex-Tarife, verrechnen.
Diese Preise müssen für Frauen und Männer gleich sein. Eine Gleichstellungsrichtlinie sieht das vor. Das Argument der EU-Regulatoren: Bisher sei das Geschlecht als "Risikofaktor" in der Assekuranz eine unzulässige Diskriminierung gewesen.
Die Versicherer haben mit ihrer Verpflichtung zu geschlechtsunabhängigen Prämien freilich alles andere als Freude. Nur zähneknirschend haben sie ihre bisherige Risikokalkulation über Bord geworfen und ihre Preise umgestellt. "Schlechte Risiken" müssen sie nun verbilligen und "gute Risiken" verteuern. "Das ist ein massiver Bruch des Versicherungsgedankens", ist aus der Branche zu hören.
Vor allem schlummert jetzt die Sorge, "was aus Brüssel noch alles kommt". Dazu ein Manager einer großen österreichischen Versicherungsgesellschaft zur "Wiener Zeitung": "Wir schließen nicht aus, dass eines Tages vorgeschrieben wird, für Ältere nicht mehr verlangen zu dürfen als für Junge oder für Kranke nicht mehr als für Gesunde." Ätzender Nachsatz: "Am Ende muss vielleicht auch noch die Versicherung für jedes Auto gleich viel kosten."
Die jetzige Neuregelung bedeutet jedenfalls, dass Frauen in Sachen Prämie bei einigen Versicherungsprodukten besser dran sind als Männer, also weniger zahlen als bisher. Bei anderen Produkten werden Männer hingegen weniger als Frauen berappen müssen. Faktum ist demnach, dass die jeweiligen Risiken bei Mann und Frau nun quasi wechselweise quersubventioniert werden.
In Summe höhere Prämien
Für Frauen teurer und für Männer billiger als bisher werden etwa jene Lebensversicherungspolizzen, bei denen das Ablebensrisiko dominiert. Umgekehrt wird es in der Rentenversicherung, aber auch in der privaten Krankenversicherung für Frauen billiger und für Männer teurer. Bis dato waren Männer hier besser dran, Frauen aufgrund der höheren Lebenserwartung schlechter.
Am weitesten klafften die Prämien bisher in der Unfallversicherung auseinander. Weibliche Kunden mussten um bis zu 30 Prozent weniger zahlen als Männer, die statistisch gesehen riskanter leben. Diese Differenz ist ab Freitag aufgehoben, wobei die neuen Prämien wohl in der Mitte liegen, wie hierzulande aus der Branche zu hören ist. Grob gerechnet dürfte es für Männer somit um etwa 15 Prozent billiger werden - für Frauen jedoch um rund 15 Prozent teurer. Ebenfalls zum Nachteil der eher vorsichtig veranlagten Frauen: Die Rabatte in der Autoversicherung fallen nun weg.
In Summe beschert die Unisex- Umstellung den Konsumenten etwas höhere Prämien, wie es bei den Versicherern hinter vorgehaltener Hand heißt. Die Umstellung selbst hat die Branche immerhin einiges gekostet (IT, Personaleinschulung etc.); in Österreich sollen es alles in allem 100 bis 130 Millionen Euro gewesen sein.
Die heimische Versicherungswirtschaft beteuert, dass es durch den Umstieg - über alle Produkte betrachtet - keine Gewinner und Verlierer geben wird. Allianz-Österreich-Chef Wolfram Littich sieht das anders: Er sagt, dass Frauen draufzahlen und hierzulande mit jährlich 340 Millionen Euro höher belastet sein werden als Männer.
Verschiedene Risikogruppen
Egal, ob Mann oder Frau - unterschiedliche Prämien für verschiedene Risikogruppen wird es in der europäischen Versicherungsbranche trotz der EU-Gleichstellungsrichtlinie weiter geben. Beispiel Krankenversicherung: Wer gesund lebt, Sport treibt und regelmäßig zur Vorsorge geht, wird von seiner Versicherung wie bisher Prämienrabatte bekommen - es sei denn, dass die EU auch da ins Geschäft der Versicherer eingreift. Ähnliches gilt bei Autoversicherungen: Für Garagenwagen etwa bleiben die Kaskoprämien günstiger als für Autos, die großteils auf Straßen geparkt werden.