Vermeintliche Geld-Gurus auf der Jagd nach Kunden. | Finanzdienste im Web setzen auch auf Panikmache. | Hoffnung auf traumhafte Renditen. | Gesucht waren kürzlich Anleger, die "mit der Königsdisziplin der Aktienauswahl jeden Monat 5000 Euro verdienen" wollen. In einem ellenlangen Massenmail wurde jedem, der "ab jetzt wie ein Profi-Trader handeln" möchte, penibel erklärt, wie das funktionieren soll. Immerhin, hieß es da, seien die Börsenkurse von Aktien wie etwa Quiksilver, Singulus oder Crocs in den vergangenen sechs Monaten geradezu explodiert - um 225,7 Prozent, 180,3 beziehungsweise 122,0 Prozent.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Konkret geht es um den "Top-Trader" Jörg Mahnert, der sich dank 25-jähriger Erfahrung bestens auskenne und ganz genau wisse, dass sich "auf dem Trader-Parkett oft innerhalb von Sekunden unendlich lukrative Gewinn-Chancen ergeben". Aber keine Panik: Mahnert sei natürlich immer für Sie da und beantworte Mail- oder Fax-Anfragen garantiert innerhalb von 24 Stunden. Als Draufgabe bekomme man noch drei "Spezial-Reports" kostenlos ins Haus geliefert, beispielsweise "Die sieben Geheimnisse der Golf spielenden Multi-Millionäre in Florida und Hawaii".
Trotz Mini-Depots einFinanz-Jongleur sein
Mahnert ist Chefredakteur des "Point & Figure Trader", der sich der Chart-Technik verschrieben hat. Er offeriert den vermeintlichen Investoren völlig gratis einen 30-Tage-Test, und sobald diese die richtige Stelle anklicken, sind sie dabei. Und sofern sie nicht rechtzeitig wieder kündigen, zahlen sie in der Folge 38,40 Euro - pro Woche, zumindest ein Jahr lang. Dafür bekommen sie mindestens ein Mal wöchentlich "Eilmeldungen", mit "neuen Kauf- und Verkaufssignalen".
Viele deutsche Medien - darunter "Capital", "Börse Online" oder "Der Aktionär" - offerieren ihrem Publikum ein Online-Infoservice, das auch vor Österreich nicht Halt macht. Doch keines agiert so marktschreierisch und wirkt so aufgeregt wie der durch und durch boulevardesk anmutende "Point & Figure Trader". In dem immer breiter werdenden Geschäftssegment mischen viele andere Konkurrenten mit, so zum Beispiel die "Devisen-Signale" des Investor-Verlages in Bonn, der "berlinvestor" in Berlin, "investinformer.de" in Eschenlohe, die "Market-Trends" aus Bischweier oder die "Anlage-Trends" aus Frankfurt.
Auch Heiko Seibel dient sich als professioneller Geld-Guru der feinsten Sorte an. Er ist seit 2009 Chefredakteur von "Devisen-Strategie" und hat seit damals - angeblich - eine Gesamtperformance von 409,94 Prozent geschafft. Der gelernte Diplomkaufmann war Aktienhändler und verdient laut eigenem Bekunden seit acht Jahren "richtig gutes Geld mit Devisen".
Sein Mail-Angebot ist mit dem vorhin geschilderten beinahe ident: 30 Tage gratis testen - und Sie werden "mit absoluter Wahrscheinlichkeit bereits GEWINNE machen". Also Klick, wenn Ihr künftiges Spezialgebiet der Devisenhandel sein soll - und dort geben Sie unter "Ja, ich will jeden Monat 4000 Euro Gewinn machen" Ihre persönlichen Daten ein. Wenn Sie der "100 Prozent risikolose 30-Tage-Gratis-Test" überzeugt, gehts nahtlos weiter, und Sie zahlen sodann 28,80 Euro pro Woche. Übrigens: Reich werden muss kinderleicht sein, denn man kann bereits mit "einem Minikonto von nur 4000 Euro" starten. Herr Seibel will jedenfalls exakt wissen, wie Sie als Devisen-Trader plötzlich zum "Finanz-Jongleur sechsstelliger Summen" werden und Ihren Einsatz "verhundertfachen".
Noch eine Spur deftiger in der Diktion tritt der Mail-Versender Thorsten Schenk auf: Er fordert seine zufällig ausgewählten Ansprechpartner zu finanzieller Wachsamkeit auf: "Kümmern Sie sich jetzt um Ihr Geld! Bevor Merkel und Obama alles verteilen: an die Pleite-Staaten, an die gierigen Banken, an die Pleite-Unternehmen." Und umgehend folgt ein gut gemeinter Tipp: "Holen Sie Ihren Besitz da raus, bevor es knallt und der Euro gar nichts mehr wert ist."
Bringt ein Gratis-Test "aberwitzige Gewinne"?
Also fürchten Sie sich nicht vor der Inflation in "dieser chaotischen Zeit, die uns bevorsteht", sondern genießen Sie das Mail von Herrn Schenk, denn mit der sogenannten "Sieben-Faktoren-Strategie für Reichtums-Vergrößerung" werden Sie "aberwitzige Gewinne" machen - verspricht er zumindest. Sie erhalten von einem gewissen Janne Jörg Kipp - natürlich gratis - "den kompletten Plan für die Rettung Ihres Geldes vor der Inflation und der Währungsreform".
Darin sind fünf Musterdepots "für die unerlässlichen Sachwerte" zu finden - Rohstoffe, Edelmetalle, Immobilien, Aktien und Inflationsschutz-Papiere. Drei weitere Reports des "genialen Inflations- und Geldanlage-Experten" Kipp (etwa "Nur Sachwerte machen reich - sicher und nachhaltig!") werden als Geschenk mitgeliefert, sofern Sie wieder einmal geklickt haben. 30 Tage frei - wie gewohnt - und dann werden jede Woche 19,20 Euro fällig. Die Kündigung ist jederzeit zum Quartal möglich.
Doch wer ist der Mann, der Ihnen zeigt, wie Sie "aberwitzige Gewinne" machen, während "90 Prozent der Menschen in der Inflation 2010/2011 alles verlieren"? Janne Jörg Kipp, studierter Diplom-Ökonom, war leitender Manager einer Aktiengesellschaft und ist nun Chefredakteur mehrerer deutscher Börsen-Informationsdienste, etwa des "Neuen Deutschen Geldanlagebriefs". Im vergangenen Jahr will er 54,13 Prozent Gewinn erzielt haben.
Mit Beginn der Krise zog er sich "immer weiter aus dem Tagesgeschäft zurück, um sich tiefschürfend mit dem Phänomen Inflation zu beschäftigen". Jetzt weiß Kipp klipp und klar, was man tun muss, um als Privatanleger ein Vermögen ab 30.000 Euro vor der Inflation zu schützen - nämlich seinen "Inflationsschutz-Investor" abonnieren und seine Eilmeldungen lesen. Der Autor deckt darin, wird einem zugesichert, "die Lügen der Finanzberater und der Politiker auf, die derzeit kursieren".
Kann aus 1000 Euro eine Million werden?
Die "Kapitalmarkt-Trends", die Auserwählten ebenfalls per Mail ins Haus geliefert werden, verheißen wiederum "eine Zeit wahren Reichtums". Die "alten Großkonzerne" seien zwar "nur noch Schutt und Asche", die DAX-Aktien "keinen Pfifferling mehr wert", der Euro sei "bereits am Ende", der Dollar "längst schon dem Tod geweiht" und "die Natur versinkt - im Dreck, im Öl, im Chaos".
Aber keine Panik, denn jetzt startet endlich "die große Ära der neuen Aktien". Eine "kleine Schar von Unternehmen" habe sich nämlich daran gemacht, "die Welt zu übernehmen". Sofern man die Liste jener Geheimtipps, die "Sie reich machen werden", besitzen will, sollte man sich zu einem raschen Mausklick entschließen: Er sichert einem "Sascha Mohaupts Innovationsinvestor", in dem verraten wird, wie Sie jetzt "plus 1000 Prozent machen". 30 Tage gratis testen, wie gehabt, außerdem gibts drei "vertrauliche Dossiers" kostenlos - über Biotech, Internet und Elektroautos.
Mohaupt schreckt nicht einmal vor dem Versprechen zurück, "aus 1000 Euro in vier Jahren mehr als eine Million Euro zu machen". Er prophezeit etwa dem Bereich Umweltschutz und erneuerbare Energie "1580 Prozent Gewinn in den nächsten drei Jahren" und einigen Biotech-Firmen einen Reibach von 1450 Prozent im selben Zeitraum.
Sascha Mohaupt, früher Analyst eines Internet-Börsenportals und langjähriger Chefredakteur, steckt jedenfalls seit 2006 hinter dem Informationsdienst "Innovation-Investor". Mit seinen Empfehlungen will er in einem Jahr 425,3 Prozent Rendite gemacht haben. Seine ständigen Tipps kosten 29,90 Euro pro Woche. Er ist übrigens unter der selben Adresse zu erreichen wie die drei anderen "Geld-Gurus", die via Mails Kunden zu ködern versuchen.
Die GeVestor Financial Publishing Group in Bonn ist eine Sparte des Verlags für Deutsche Wirtschaft, der über 100 Millionen Euro umsetzt. Sie ist seit 1987 auf bankenunabhängige und werbefreie Börsebriefe wie den 80-seitigen "Geldanlage-Berater" spezialisiert, die an rund 200.000 Mailadressen verschickt werden. In Österreich werden 20.000 potenzielle Kunden regelmäßig kontaktiert.
"Für die Banken sindwir sicher ein Feindbild"
Ein Netzwerk aus 50 Analysten und Autoren wirft mittlerweile mehr als 30 solcher Börsebriefe auf den Markt. Die Gruppe versucht den Banken auch mit Gratis-Newslettern, E-Mail-Kursen, DVD-Lernpaketen und Seminaren für Börse-Anfänger das Wasser abzugraben. GeVestor-Sprecher Robert Sasse: "Für die Banken sind wir sicher ein Feindbild, weil wir unabhängig und kritisch agieren." Dass die Mails extrem reißerisch und die Versprechen überaus vollmundig wirken, ist ihm nicht neu: "Unsere Produkte sind weitaus seriöser, aber das kommt in der Werbung leider nicht rüber." Gottlob seien die Kunden großteils zufrieden.
Die GeVestor Group hat jedenfalls einen guten Tipp auf Lager: "Vertrauen Sie nie blind den Empfehlungen in unbestellten E-Mails." Vor allem vor fragwürdigen Anlageberatern solle man sich in Acht nehmen: "Das Deutsche Institut für Anlegerschutz schätzt, dass diese Jahr für Jahr ihren Kunden mehr als 40 Milliarden Euro abzocken."
Wer sind die schwarzen Schafe?
In Österreich ist die Palette an Finanzportalen, Informationsdiensten und Börsenbriefen einigermaßen überschaubar, und die meisten Anbieter - darunter etwa www.boerse-express.com oder www.boersenbrief.at - sind in der Regel auf Seriosität bedacht. In Deutschland hingegen, wo dieses Marktsegment viel unüberschaubarer ist, wird es immer schwieriger, zwischen anständigen und dubiosen Informationsquellen zu unterscheiden. Online-Tipps in Finanzfragen verbreiten etwa folgende Anbieter:
- www.Activetrades.de
- www.aktienmonitor.net
- www.aktien-strategie.de
- www.dax-vestor.de
- www.derboersianer.com
- www.deraktionaer.de
- www.geldwelt.de
- www.geld-wissen.com
- www.investcoach.com
- www.konten-check24.de
- www.moneymoney.de
- www.onlinestreet.de
- www.plus500.at
- www.rosstrading.de
- www.selltrades.de
- www.de.sharewise.com
- www.topaktienreport.de
- www.tradingtrends.de
- www.wallstreet-online.de
Sogar Fachleute tun sich bisweilen schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen. Hartwig Knapp, der die Website www.handeln-mit-system.de betreibt, meint: "Ich kenne diverse Börsenbrief-Anbieter, die mit 1000 Prozent und mehr am Markt auftreten. Das ist unrealistisch und in manchen Fällen auch betrügerisch."
Der Wiener Finanzmarktaufsicht (FMA) fallen ebenfalls gelegentlich schwarze Schafe auf - etwa der in den Niederlanden herausgegebene "Swiss Money Report", der bestimmte Aktien pusht, die er selbst kauft. Die FMA warnt daher: "Seien Sie vorsichtig bei Informationen, die Sie aus Online-Newslettern erhalten, da Sie in der Regel nicht wissen, wer die Informationen liefert und welche Ziele er damit verfolgt. Oft erweisen sich diese Anlageempfehlungen als Falschauskünfte, um durch Beeinflussung des Kurses einen persönlichen Gewinn zu erzielen. Kontrollieren Sie daher eine Informationsquelle, bevor Sie eine Investition tätigen."