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Der Klimaforscher an der Seite des Papstes

Von Alexander U. Mathé

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Hans Joachim Schellnhuber war am Zustandekommen der Umweltenzyklika beteiligt.


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Hans Joachim Schellnhuber ist die Koryphäe schlechthin auf dem Gebiet der Klimaforschung. Mit seiner Expertise hat der deutsche Physiker in der Vergangenheit den Spitzen der Weltpolitik zur Seite gestanden: Er hat die EU-Kommission ebenso beraten wie den UN-Generalsekretär oder die Weltbank; Angela Merkel zeigte er den Weg, der ihr den Beinamen "Klima-Kanzlerin" einbrachte. Nun hat er sogar den Papst beraten und präsentierte am Donnerstag dessen Umweltenzyklika "Laudato si". Wie kaum ein Zweiter war Schellnhuber von Anfang an am Zustandekommen des Werks beteiligt, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am Donnerstag. Während es durchaus passend scheinen mag, dass Schellnhuber aus dem sogenannten Klosterwinkel in Bayern stammt, so ist er doch bekennender Agnostiker. Das wiederum - und die implizierte Orientierung an reinen Fakten - mag seinen Worten zusätzliches Gewicht verleihen, wenn er sagt, dass die Enzyklika eine "totale Wissenschaftskonformität" aufweise. Zwei Mal habe er das Werk Wort für Wort gelesen und festgestellt, dass der Aufruf von Papst Franziskus, gegen den Klimawandel zu kämpfen, die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema widerspiegle. Eine Durchschnittserwärmung der Welt um zwei Grad werde schwere Konsequenzen für den ganzen Planeten haben, sagte Schellnhuber. Er hat bereits 1995 diese Begrenzung der globalen Erwärmung gefordert. Die Folgen seien sonst katastrophal, und speziell das unumkehrbare Abschmelzen Grönlands sonst nicht mehr zu vermeiden. Die EU hat sich dieses Ziel bereits gesetzt und auch die UN-Klimakonferenz im Dezember in Paris könnte sich dem anschließen. Kritikern, die die Erderwärmung als natürliche Entwicklung abtun, trat Schellnhuber entgegen. Zwar sei es richtig, dass sich das Klima in der Erdgeschichte immer wieder verändert habe. "Aber was jetzt gerade passiert, ist etwas anderes." Für die Verharmloser hatte er einen menschlichen Vergleich parat: "Bei zwei Grad mehr haben Sie Fieber, bei fünf Grad mehr sind Sie schon tot." Besonders hart ins Gericht ging er mit dem Westen und den Industriestaaten Ostasiens. Diese verbrauchten die meiste fossile Energie, von der dadurch ausgelösten Klimaerwärmung seien dafür vor allem die armen Gesellschaften des Südens betroffen. "Anders als von manchen behauptet, ist es nicht die Masse der Armen, die den Planeten zerstört, sondern der Konsum der Reichen." Und auch wenn er Agnostiker ist, so ist er doch nicht weniger begeistert von der historischen Bedeutung der päpstlichen Schrift: "G7-Gipfel gibt es jedes Jahr, eine Umweltenzyklika hat nun nach fast zweitausend Jahren römischer Kirche Premiere." Umgekehrt ist offensichtlich auch der Papst von Schellnhuber begeistert, den er am Mittwoch in die Päpstliche Akademie der Wissenschaften berief.