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Joe Biden, der Hoffnungsträger? Politik funktioniert nicht nach dem Erlöserprinzip.
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Auf Trump hier, Trump dort, Trump überall folgt jetzt Biden, Biden, Biden. Der 46. Präsident der Vereinigten Staaten trägt nicht nur die Probleme der Welt auf seinen Schultern, von ihm werden auch wegweisende Weichenstellungen für Lösungen erwartet; andernfalls hat er versagt, entweder mit voller Absicht, weil er wie eben Donald Trump andere Ziele verfolgte, oder trotz seiner guten Absichten, wie es zum Beispiel Ex-Präsident Barack Obama widerfuhr. Jetzt ist überall davon die Rede, dass Biden die Klimaerwärmung stoppen will und muss.
Der Staatsmann als Weltenlenker, der aus eigener Kraft den Lauf der Geschichte zu verändern imstande ist. Um dieses Bild zu zeichnen, gehen die Inszenierung der Politik und der Hang der Medien, lieber Personen ins Scheinwerferlicht zu stellen, statt mühsam das Zusammenwirken von Strukturen aufzudröseln, eine glückselige Verbindung ein. Und keineswegs nur, wenn es um Weltpolitik geht: Das Schicksal Frankreich liegt in Emmanuel Macrons Händen, Angela Merkel allein ist das Überleben der EU zu verdanken, China ist zurück in jenen Zeiten, in denen der Herrscher nicht nur für Wohlstand, sondern auch für das Glück unterm Himmel zuständig ist. Und Österreich ist überhaupt das letzte Land, das mit der Verengung von Politik auf Köpfe aufhört. Dabei ist es mit all seinen Zuständigkeitsverwischungen weit und breit eines der kompliziertesten Gebilde.
Natürlich wäre es unzulässig, die tragende Rolle von Präsidenten oder Kanzlern kleinzureden. Einzelne Menschen können einen Unterschied machen. Aber langfristige Entwicklungen tanzen in der Regel nicht nach dem Taktstock eines Einzelnen, und sei dieser noch so mächtig. Den besten Beleg dafür bieten ausgerechnet die beiden in allem entgegengesetzten Vorgänger Bidens. Obamas Missionen in zentralen Bereichen wie Einwanderung, Waffengesetzen oder Sozialpolitik sind ebenso gescheitert, wie die Klimaschutzpolitik in den USA trotz Trump nicht zum Stillstand kam.
Politische Entscheidungen sind weder Willen noch Launen eines Einzelnen oder einer Clique ausgeliefert, sondern das Ergebnis langer, mühsamer Vorbereitungen zahlloser Mitentscheider und Sherpas. Deswegen ist echte Veränderung auch so unendlich schwer umzusetzen. Wie schwer, wird der Klimaschutz einmal mehr jedem Einzelnen beweisen. Und wahrscheinlich weiß dies keiner besser als Biden, der jetzt überall als "Gamechanger" der Klimapolitik beschrieben wird. Wenigstens hier hat die EU einen Vorsprung. In Brüssel weiß man, dass es keine weißen Ritter gibt, nur elendslange Verhandlungen.