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Viele extreme Naturereignisse. | "Anpassungsprozess" der Assekuranzen ist im Gange. | München. Roter Teppich auf weißem Marmor ziert den einen Gang, blaues Licht durchflutet den nächsten. Zur besseren Orientierung haben Künstler die zahllosen Gänge der Münchner Rück - einem der weltweit größten Rückversicherer - unterschiedlich gestaltet. Zehn Gebäude verknüpft dieses Korridor-Geflecht am Standort München Schwabing. Ein Verbindungsgeflecht, das an jenes zwischen Assekuranzen und ihren Rück-Versicherungen erinnert.
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So ist zum Beispiel die Österreichische Hagelversicherung zu einem Fünftel bei der Münchner Rück versichert, "der Rest ist auf viele andere aufgeteilt", erklärt Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung. "Für Naturkatastrophenversicherer wie uns sind die Rückversicherer besonders wichtig, da wir besonders starken Schwankungen unterworfen sind." Ohne Rückversicherung zu agieren, das wäre so, wie ohne Fallschirm aus dem Flugzeug zu springen, verdeutlicht Weinberger. Und die Naturkatastrophen nehmen zu, das haben die Überschwemmungen, Wirbelstürme und Dürren der vergangenen Jahre gezeigt. Die Ursache für die steigende Zahl der Naturkatastrophen liege im allgemeinen Klimawandel und der sei "eine Tatsache", ist Weinberger überzeugt.
Rekordjahr 2005
Als Klimawandel bezeichnet man eine Änderung über eine Zeitperiode von 30 Jahren hinweg. Eine derartige Änderung gibt es bereits: Die wichtigste Größe in diesem Zusammenhang, die globale Mitteltemperatur, nimmt unaufhörlich zu. Sie lag im Jahr 2005 um 0,48 Grad Celsius über dem Mittel der so genannten Klimanormalperiode von 1961 bis 1990 (Jahresmittel 14 Grad Celsius). Über das letzte Jahrhundert ist die Mitteltemperatur global sogar um etwa 0,7 Grad Celsius angestiegen. Einer der negativen Effekte dieser Erwärmung: Auch die Meerestemperatur steigt, was wiederum die Entstehung von Hurrikanen fördert. Das Jahr 2005 sei jedenfalls ein Jahr der Wetterrekorde gewesen, berichtet Peter Höppe, Leiter der GeoRisikoForschung der Münchner Rück. Noch nie seit dem Beginn der Aufzeichnungen (1851) habe es so viele Hurrikane (15) und tropische Wirbelstürme (27) gegeben.
Der Hurrikan Katrina etwa war der sechststärkste seiner Art seit Beginn der Messungen und verursachte im August 2005 den größten versicherten Schaden aller Zeiten durch ein Einzelereignis (mehr als die Anschläge auf das World Trade Center!). Dämme brachen, und New Orleans wurde praktisch zerstört. Die volkswirtschaftlichen Schäden belaufen sich auf rund 125.000 Mio. US-Dollar, die versicherten Schäden auf 60 Mio. Dollar. Höppe führt die Bildung von rund einem Drittel der Hurrikane der vergangenen Jahr auf den Klimawandel zurück.
"Der Mensch hat nachweislich Einfluss auf das, was in der Atmosphäre vor sich geht", so Höppe. Der hohe Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) und der damit verbundene Treibhauseffekt seien für die Klimaänderung mitverantwortlich.
Die Versicherungswirtschaft zieht die Konsequenzen aus der zunehmenden Schadenslast: Sie reichen von Anpassungen der Prämien je nach Risikogebiet über die Erhöhung bzw. Einführung von Selbstbehalten, bis zum Ausschluss bestimmter Regionen und Gefahren. "Wir sind mitten in einem Anpassungsprozess", erklärt Höppe.
Risiko besser streuen
Die Österreichische Hagelversicherung verzeichnete im vergangenen Jahr fast 19.000 Schadensmeldungen. Das entspricht einer Steigerung von 6,5 Prozent zum Vorjahr. Trotz der zunehmenden Wetterschäden will die Österreichische Hagelversicherung ihre Prämien derzeit nicht erhöhen. Stattdessen soll das Risiko breiter gestreut werden. Neben der klassischen Hagelversicherung, die in Österreich rund 80 Prozent der Ackerflächen versichert, will der Spezialversicherer künftig verstärkt seine Mehrgefahrenversicherung - u.a. gegen Trockenheit, Überschwemmung und Sturm verkaufen. Als Wachstumspotenzial betrachtet Weinberger auch jene 20 Prozent der Ackerflächen, die noch nicht versichert sind. Außerdem will die Assekuranz heuer von Österreich aus in Tschechien aktiv werden. Für seine Kunden bietet das Unternehmen ab März ein neues Info-Service an: Per Internet können die spezifischen Daten für die jeweiligen Anbauflächen abgerufen werden. "Selbst ein 100 Hektar-Betrieb kann dann für sich die Niederschlagsmengen des Vorjahres in einem bestimmten Zeitraum abrufen", erklärt Weinberger.