Vergleich spart Nerven, Zeit und Geld. | Hohe Streitwerte gehören vor Gericht. | Wien. Streiten oder sich vergleichen? In Streitfällen wird oft pauschal zu einem Vergleich geraten. Anders als bei einem unvorhersehbaren Gerichtsurteil haben die Parteien hier die Möglichkeit, eine Lösung zu erarbeiten, die beide Seiten zufrieden stellt.
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In manchen Fällen ist eine einvernehmliche Einigung zwischen den Parteien durchaus anzuraten. Gerichtsprozesse können lange dauern und die Parteien an deren psychische und finanzielle Grenzen bringen.
Wer den Gerichtsweg beschreitet, sollte daher immer die Chancen des Obsiegens im Prozess im Verhältnis zu den drohenden Prozesskosten im Falle des Unterliegens gegeneinander abwiegen.
Druck durch Klage
Oft lässt sich die Gegenseite erst nach Einbringung einer Klage und auf das Einwirken des Richters hin zu einem Vergleich überreden. Wollen die Parteien nach Einleitung des Gerichtsverfahrens einen Vergleich abschließen, ist es sinnvoll, auch bereits entstandene Prozesskosten und Zinsen in den Vergleichsvertrag einzubeziehen.
Bei Abschluss eines Vergleichs noch vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens ist besonders aus Sicht des Gläubigers darauf zu achten, die Einigung am besten schriftlich zu dokumentieren und sonstige Eventualitäten zu berücksichtigen.
Da ein Vergleich juristisch gesehen eine neue Grundlage einer Forderung bildet, fällt im Regelfall die ursprüngliche Basis für die Forderung weg. Zahlt der Schuldner den Vergleichsbetrag nicht, kann der Gläubiger auf Basis der Vergleichsvereinbarung gerichtlich klagen, ohne dass die möglicherweise komplexen Hintergründe der ursprünglichen Forderung wieder aufgearbeitet werden müssen.
Mit einem Generalvergleich kann darüber hinaus ein Schlussstrich über Streitpunkte aus verschiedenen Geschäften gezogen werden. Damit wird verhindert, dass nach Vergleichsabschluss noch eine Forderung desselben Gegners hereinflattert.
Ein Vergleichsabschluss heißt nicht automatisch, dass der Schuldner seine Schuld begleicht. Kann er den Vergleichsbetrag nicht zahlen, kann es beim Gläubiger zu weiteren Einbußen oder finanziellen Aufwendungen durch Nachverhandlungen, Gerichts- und Anwaltskosten und schlimmstenfalls zur nachfolgenden Insolvenz des Schuldners kommen.
Im Fall einer Insolvenz könnte dann beispielsweise die Konkursquote nur mehr vom reduzierten Vergleichsbetrag und nicht mehr von der ursprünglichen oft viel höheren Forderung erzielt werden.
Eine Lösung bietet der sogenannte Prämienvergleich. Zwar wird hier die Zahlung des Vergleichsbetrages von den Streitparteien angestrebt, für den Fall des Zahlungsverzuges vereinbart man allerdings einen Strafzuschlag oder gar ein Aufleben der ursprünglichen Gesamtforderung.
Will der Schuldner einen solchen Prämienvergleich nicht abschließen, ist an seiner Zahlungswilligkeit oder -fähigkeit des geringeren Vergleichsbetrages ernsthaft zu zweifeln.
Anders als ein Urteil ist ein Vergleich, den man privat abschließt, nicht direkt exekutierbar. Zahlt der Schuldner nicht, muss man daher den Vergleichsbetrag gerichtlich einklagen.
Damit bei Nichtzahlung gleich die Exekution eingeleitet werden kann, ist der Abschluss eines Vergleichs bei relativ geringen Gebühren auch vor Gericht möglich.
Nicht alle Fälle eignen sich für einen Vergleich. Insbesondere bei Präzedenzfällen, sehr hohen Streitwerten und damit im Vergleich geringerem Kostenrisiko sowie bei weit auseinander liegenden Standpunkten ist es sehr schwierig, zu einem Vergleich zu gelangen und der Gerichtsweg meist vorzuziehen.
Bernhard Girsch ist Rechtsanwalt bei der Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH.