SPÖ macht erstmals Fehler, ÖVP droht die Kannibalisierung rechts der Mitte.
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So manche Wahl wurde durch sie schon entschieden. Dennoch wird ihre schiere Existenz von den meisten wahlkämpfenden Parteien abgestritten. Die Rede ist von der Abteilung "Gegnerbeobachtung". In den USA sind die Damen und Herren von der "Opposition Research" aus keinem professionellen Wahlkampfteam wegzudenken.
Schon ein bis zwei Jahre vor einer entscheidenden Wahlauseinandersetzung wird da nach potenziellen Angriffspunkten auf Kontrahenten gefahndet. Da bleibt dann keine je getätigte politische Aussage, kein privater Fehltritt des Gegners undokumentiert.
Grüne Gegnerbeobachtung
Zugegeben: In Österreich spielt sich das nicht auf demselben Niveau ab. Dennoch, die Herrschaften, die sich in der grünen Kampagne um den freundlichen Mitbewerber kümmern, haben zuletzt ganze Arbeit geleistet. Die Grünen waren es nämlich, die der bislang sehr konstant und geordnet kommunizierenden SPÖ die erste Niederlage des Wahlkampfs zugefügt haben. Mit der via Debatten-Taferl aufgedeckten Zuordnung eines zentralen Plakatsujets zum sozialdemokratischen Parlamentsklub ist die Kanzlerpartei erstmals in der Defensive. Es ist klar, dass die SPÖ einen Fehler begangen und - im besten Fall - schlampig gearbeitet hat.
Die roten Parteigranden verlängerten die Fehlleistung auch noch kommunikativ, indem sie eine Zeit lang versuchten, die eigene Vorgangsweise schönzureden. Damit machten sie den Grünen das Geschenk, deren zentralen Kampf gegen Korruption und politische Tricksereien zu befeuern. Der Trost für die Sozialdemokraten: Die Frage, wer das Faymann-Plakat nun bezahlt hat, die Parteizentrale oder der Parlamentsklub, wird die roten Kader nicht weiter umtreiben.
Gesucht: Emotion!
Wahlentscheidend ist das Thema also nicht. Immerhin aber dominierte Plakat-Gate über Tage hinweg die ansonsten so gähnend leere Themenlandschaft. Das Problem der SPÖ auf den letzten Metern ist allerdings ein anderes: Ihre Basis ist zwar noch immer die größte aller Parteien des Landes. So richtig mobilisiert scheint sie aber 15 Tage vor dem Wahltag noch nicht. In den kommenden zwei Wochen braucht die SPÖ noch dringend eine emotionale Zuspitzung, die sicherstellt, dass die, die zur SPÖ tendieren, auch wirklich zu den Urnen schreiten. Im Gegensatz zum lange geplanten "Kanzlerduell" mit Heinz-Christian Strache fehlt der aktuellen, verzweifelten Warnung vor Schwarz-Blau definitiv der arithmetische Pfeffer. Und ob Michael Spindelegger als politische Reinkarnation Wolfgang Schüssels durchgeht, darf auch bezweifelt werden.
Spindis Spendierhosen
Der ÖVP-Chef hat außerdem selbst genug Probleme. Die Pleiten-, Pech- und Pannenserie der ersten Wahlkampfwochen ist zwar gestoppt - und auch der verspätete Wahlkampfauftakt war recht gelungen. Doch die drohende Kannibalisierung der Parteien rechts der Mitte wird zum echten Problem.
Zum Verteilen hat die Volkspartei wahrlich nichts. Frank Stronach hat seine Strahlkraft in Richtung Mitte zwar selbst dezimiert. Doch ein Effekt hat sich auf Seiten der ÖVP bislang noch nicht eingestellt: BZÖ und Neos sind auch zwei Wochen vor dem Wahltag noch nicht von der Bildfläche verschwunden. Klar: Der Einzug in den Nationalrat ist für beide ein langer Weg. Aber auch wenn sie diesen knapp verfehlen, kann das die ÖVP entscheidende Stimmen kosten. BZÖ-Chef Josef Bucher macht in den TV-Duellen keine schlechte Figur und könnte zumindest einen Teil der bürgerlichen Haider-Wähler von 2008 binden.
Weg vom Fenster?
Wenn nun noch die Neos in der einen oder anderen Umfrage in Richtung vier Prozent ziehen, bekommt das politische Start-up auch noch Momentum. In diese Richtung gerückt ist man schon mit der Präsentation von Hans Peter Haselsteiner als potenziellem Minister. In den ersten TV-Auftritten wirkte der Ex-LIF-Abgeordnete rhetorisch zwar einigermaßen eingerostet. Aber als berechenbares, wirtschaftspolitisches Gegengewicht zu Frank Stronach geht er allemal durch.
Für die Volkspartei kann die Zähigkeit der Neos fatal sein: Denn eigentlich wollte man abwanderungswilligen ÖVP-Anhängern wenige Tage vor der Nationalratswahl das Argument näherbringen, wonach eine Stimme für die Neos eine mit Sicherheit verlorene Stimme wäre. Setzen sich die Neos allerdings noch ein-, zweimal gut in Szene, könnte dieser fix einkalkulierte Effekt verpuffen.