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Der König auf dem Pulverfass

Von Sabine Ertl

Politik

In Eswatini, dem früheren Swasiland, begehrt die Jugend gegen Mswati III, den letzten absoluten Monarchen Afrikas, auf.


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Die Bürger Eswatinis sind wütend. Ihr Groll richtet sich gegen den verschwendungssüchtigen Monarchen Mswati III.

Sein Ruf eilt ihm voraus: Der 53-Jährige pflegt seit Jahrzehnten einen ausufernden Lebensstil, ist Besitzer von Flugzeugen, Luxuskarossen und Palästen, feiert ausschweifende Partys, hat 15 Ehefrauen und ist Vater von mindestens 30 Kindern. Die absolute Macht in Eswatini liegt in seinen Händen: Seit er im Alter von 18 Jahren zum Regenten gekrönt wurde, kontrolliert er Parlament, Regierung, Verwaltung, Justiz und Sicherheitskräfte. Politische Parteien sind seit 1973 verboten. An seinem 50. Geburtstag im Jahr 2018, zeitgleich zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit von Großbritannien, machte sich Mswati III selbst ein besonderes Geschenk und benannte das frühere Swasiland überraschend im Alleingang "Eswatini" ("Land der Swasi") um.

Seinen Führungsstil verteidigt er seit jeher als Ergebnis gesellschaftlicher Tradition. Eine Tradition, die sich mit prodemokratischen Regungen nicht anfreunden kann. Tatsächlich prallt aber die luxuriöse Inszenierung des Monarchen und die nicht verhallenden Vorwürfe, stets die Staatskasse zu plündern, auf die triste Situation im ressourcenarmen Land selbst. Etwa sechs von zehn Bürgern leben unterhalb der Armutsgrenze, ein Viertel ist HIV-positiv, die Unzufriedenheit steigt massiv, vor allem junge Leute haben den König satt. Seit Ende Juni brodelt es nun gewaltig im ganzen Land, das eingeklemmt zwischen Südafrika und Mosambik, zu den ärmsten Staaten der Welt zählt.

Auslöser der jüngsten Proteste waren die tödlichen Schüsse der Polizei auf den Jus-Studenten Thabani Nkomonye im Mai. Seitdem kommt der Zwergstaat mit seinen 1,2 Millionen Einwohnern nicht mehr zur Ruhe. Die aktuellen Proteste sind bei weitem die größten in der Geschichte des unabhängigen Staates. In den 90ern, als Studenten und Gewerkschafter für politische Reformen auf die Barrikaden gingen, ist es den Sicherheitskräften noch gelungen, die Lage unter Kontrolle zu bringen.

Tödliche Gewalt

Der gewaltsame Tod von Nkomonye, der inzwischen zum Symbol für Polizeigewalt, Willkür und Unterdrückung geworden ist, hat jedoch das Fass zum Überlaufen gebracht: Junge Menschen stürmen seit Ende Juni die Hauptstadt Mbabane und die Stadt Manzini. Sie drücken ihre Wut durch Zerstörungen der Privateigentümer des Königs aus. So wurden Besitztümer von ihm in Brand gesteckt und mit Steinen beworfen.

Der Monarch ordnete in Folge ein Ausgangsverbot und Straßensperren an. Auch wurde berichtet, dass das Internet abgeschaltet wurde. Jedenfalls reagierten die Sicherheitskräfte mit tödlicher Gewalt: Laut der größten Jugendorganisation SWAYOCO wurden mit Ende Juni mindestens 21 Menschen getötet. Diese Zahl wurde inzwischen von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International bestätigt. Die Oppositionspartei "Vereinte Demokratische Bewegung des Volkes" PUDEMO berichtete sogar von über 40 Toten, dazu von 150 mit Schusswunden eingelieferte Patienten. Es sollen Hunderte aus ihren Häusern geholt und verschleppt worden sein.

Weiters gibt es Berichte über Folter. Die südafrikanischen Journalisten Cebelihle Mbuyisa und Magnificent Mndebele gaben auf Sozialen Medien an, festgehalten und gefoltert worden zu sein, als sie über tödliche Schüsse auf Menschen nahe der Stadt Matsapha berichten wollten. Auf den Sozialen Medien und der Online-Plattform "SwaziNews" kursieren jedenfalls Videos, auf denen zu sehen ist, wie Sicherheitskräfte auf fliehende Zivilisten schießen.

Ebenfalls beunruhigt über die exzessive Gewalt in Eswatini zeigt sich der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) im Nachbarland Südafrika, die Kirche in Eswatini und die UNO. Der ANC forderte die Zulassung politischer Parteien und die Vermeidung einer "autokratischen Krisenlösung mit harter Hand". "Feuer mit Feuer zu bekämpfen, wird unser Land in Asche verwandeln", erklärte der Bischof von Manzini, Jose Luis Ponce de Leon. Die zugrunde liegenden Probleme für die Demokratieproteste seien nach wie vor ungelöst, hieß es in dem Friedensappell. Mit der Forderung nach einer unabhängigen und transparenten Aufklärung schaltete sich nun die Vereinten Nationen ein. Die Regierung müsse dringend den Dialog mit der Bevölkerung über die den Protesten zugrunde liegende Unzufriedenheit suchen, betonte Liz Throssel, Sprecherin vom UN-Hochkommissariat für Menschenrechte. Ähnliches versuchte die Gemeinschaft Südliches Afrika SADC mit einem Vermittlungsteam, um das Gespräch mit der Zivilgesellschaft zu suchen. Die Mission scheiterte kläglich.

Wo ist der König?

Die entscheidende Unsicherheit liegt momentan in der Abwesenheit des Königs: Er hat sich schon länger nicht mehr in der Öffentlichkeit gezeigt. Sämtliche Vermutungen über den Aufenthaltsort des Regenten und einer möglichen Flucht nach Südafrika wurden vom amtierenden Premier Themba Masuku entschieden zurückgewiesen. Ihre Majestät halte sich selbstverständlich im Land auf und arbeite intensiv daran, die Ziele des Königreichs voranzubringen. Er rief zu Ruhe, Entspannung und Frieden auf. Gleichzeitig prangerte er an, dass eine "renitente Menge" Menschen angegriffen und das Eigentum des Königs zerstört habe. Ziel der Einsatzkräfte sei weiterhin für "Recht und Ordnung" zu sorgen. Faktisch sitzt König Mswati III aber auf einem Pulverfass.