Schauspieler, Sänger, Tänzer, Entertainer, Improvisationsgenie - und vielleicht der lustigste Mensch in Hollywood: Zum 100. Geburtstag von Danny Kaye.
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Ist das nicht merkwürdig? Und geradezu skurril? Aber vielleicht ist es doch im Sinne Danny Kayes, wenn einem bei seinem Namen als erstes Geräusche einfallen. Zwei ganz besondere Geräusche: einerseits "ta-pocketa-pocketa-pocketa", andererseits Fingerschnipsen.
Das Fingerschnipsen stammt aus Danny Kayes vielleicht bekanntestem, heute mit Sicherheit am häufigsten gezeigten Film: "Der Hofnarr" (1956). Dort verwandelt sich Hubert Hawkins, der schüchtern schusselige Unterhalter des "Schwarzen Fuchses", eines Kämpfers à la Robin Hood, in Giacomo, den König der Narren und den Narren für Könige: selbstbewusst, großspurig, Herzensbrecher, Abenteurer und Attentäter. Wie Kaye, auf ein Fingerschnipsen hin, aus der einen Figur in die andere hinüberfällt und -springt, das dürfte zu einer der meistmemorierten und glanzvollsten Szenen seiner Karriere gehören.
"Kelch mit Elch"
Noch bekannter ist ein Dialog aus diesem Film, der zu den witzigsten der Filmgeschichte gezählt wird - jene Schnellsprechpassage, in der Kaye alias der zum ritterlichen Duell herausgeforderte Hawkins sich einprägen soll, in welchem Trinkgefäß das Gift ist. Im Becher mit dem Fächer? Oder im Pokal mit dem Portal? Der dann ersetzt wird, um die Verwirrung zu potenzieren, durch den Kelch mit dem Elch.
"Der Hofnarr", eine noch immer hinreißend virtuose, in Vistavision gefilmte Parodie auf Robin Hood- und andere Mantel-und-Degen-Filme mit Errol Flynn oder Tyrone Power, wird in den Filmlexika zu den besten Komödien gezählt, die Hollywood jemals hervorgebracht hat. Das war der teuerste Film, den Kaye mit seiner eigenen Produktionsgesellschaft "Dena Productions" (benannt nach seiner Tochter) und Paramount Pictures finanzierte. Und "Der Hofnarr" bedeutete die Kehrtwende seiner Karriere als Komödiant (eine Bezeichnung, die Kaye lebenslang zurückwies), als Schauspieler und Filmstar. Denn der Film spielte 2,2 Millionen US-Dollars ein, kostete aber 4 Millionen.
Auch die zwei Filme, die folgten, "Jacobowsky und der Oberst" nach Franz Werfel und "The Five Pennies" (1959), der eine grandiose Gesangsnummer mit Louis Armstrong enthält, in der Kaye "When the Saints go marchin’ in" mit "Frère Jacques" kreuzt, floppten an der Kinokasse. Die Projektoren machten, erst recht 1961 beim Klamauk "On the Double" und zwei Jahre später beim gründlich vergessenen "The Man from Diner’s Club", ihr "ta-pocketa-pocketa-pocketa" im Leerlauf.
"Ta-pocketa-pocketa-pocketa" - dieses Geräusch durchzieht und durchklopft die Tagträume Walter Mittys, jenes schüchtern schusseligen Korrektors in Diensten eines Groschenromanverlages, der sich abenteuerlich und farbig und herzlich naiv in die gelesenen Abenteuer hineinträumt. Walter Mitty war die Titelfigur eines der ersten Filme, die Danny Kaye in Hollywood drehte, "The Secret Life of Walter Mitty" (1947). (Dass ausgerechnet Ben Stiller, dem die Naivität des jungen Kaye so gänzlich abgeht, nach zehnjährigem Ringen mit Will Ferrell und Jim Carrey nun im Remake von "The Secret Life of Walter Mitty" die Titelrolle übernimmt, dazu auch gleich die Regie schultert - der Streifen soll Ende Dezember in die österreichischen Kinos kommen -, unterstreicht, wie groß die Verehrung für Danny Kaye, diesen Virtuosen des Humors, diesen Schauspieler, Sänger, Tänzer und Wirbelwind ist.)
Kaminski und Kaye
Dabei gab es Danny Kaye gar nicht. Er war zuerst eine Findung, später eine Erfindung, dann eine Maske von David Daniel Kaminski.
Geboren wurde er am 18. Jänner 1913 in einem fast ausschließlich von jüdischen Einwandererfamilien der ersten Generation bewohnten armen Teil von Brooklyn, New York. Er war der erste der Familie Kaminski, der in den USA zur Welt kam. Erst wenige Jahre zuvor waren seine Eltern aus der Ukraine eingewandert, seine zwei älteren Brüder waren noch in Osteuropa geboren worden. Mit 13 verließ David nach einem dem Direktor gespielten Streich die Schule und versuchte sich mit einem Freund zusammen auf der Straße als singendes Tanzduo. In Miami wurden sie von einem nur wenig älteren jüdischen Amerikaner für eine Handvoll Dollar unter Vertrag genommen für ein Hotel im sogenannten Borscht Belt, Mittelklasse-Sommerfrischehotels, die sich wie ein Gürtel durch die Catskills im Norden des Bundesstaates New York zogen. Die Catskills wurden auch "die jüdischen Alpen" genannt, denn Hoteliers wie Publikum waren fast ausschließlich osteuropäischstämmige Juden.
David Daniel Kaminski, der sich nun "Danny Kaye" nannte, groß gewachsen, gertenschlank, geradezu schlaksig, rothaarig, überschäumend temperamentvoll, musste sich durch mehrere Sommersaisonen hocharbeiten vom "Tummler", einer Art Rund-um-die-Uhr-Animateurkomiker, zum Sommercamp-Star.
Alles, vom präzis artikulierten Schnellsprechen bis zur Pantomime, von Mimik über Singen, Tanzen bis zum Parodieren von Sprachen und Dialekten, eignete er sich, Naturtalent, das er war, durch Beobachten an. Kaye, der 1955 - 43-jährig - einen Ehren-Oscar für seine Lebensleistung als Schauspieler verliehen bekam, zudem je zweimal einen Emmy und einen Golden Globe, besuchte nicht eine Minute lang eine Schauspielschule.
Mitte der 30er Jahre folgten kleine Engagements in New York. Und 1940 der Durchbruch am Broadway als wahnwitzig furioser Live-Entertainer, wodurch auch Hollywood auf ihn aufmerksam wurde. Seinem ersten Film von 1944, "Up in Arms", wurde seine heute auf youtube abzurufende, damals bereits berühmte parodistische Schnellsprech-Musicalfilm-Nummer "Conga" eingepflanzt.
Kaye war viel wandlungsfähiger als etwa der nur in den USA bekannte Vaudeville-, Radio- und Fernsehentertainer George Burns, als das Komikerduo Abbott und Costello oder der um zehn Jahre ältere Bob Hope, dessen viele Filme heute kaum mehr genießbar sind, weil ihr grobschlächtiger Herrenhumor überaus zeitverhaftet ist.
Gegenbild Jerry Lewis
Kaye war auch wandlungsfähiger als der eine halbe Generation jüngere Jerry Lewis, der eine Figur in nur einer Tonlage - jener einer brachial kreischenden, schrill karikierten Überzeichnung - Jahrzehnte lang kultivierte. Wenn man Kaye sieht, etwa als Bühnenstar Buzzy Bellew in "Mein zauberhafter Bruder" von 1945, dann ist unübersehbar, woher Lewis maßgebliche Inspirationen bezog. Mit dem Unterschied allerdings, dass Kaye schauspielerisch feinsinniger war, zudem gut singen konnte, und, wie im Weihnachtsklassiker "Weiße Weihnachten" zu bestaunen, mehr als nur beachtlich tanzen. Was ihn zu einem Weltstar machte.
Es gab aber noch einen anderen Unterschied zwischen Kaye und Jerry Lewis: Während Lewis von Anbeginn der Zusammenarbeit mit Dean Martin an der kreative Motor und der ökonomische Sachverstand war und später sein eigener Drehbuchautor, ab 1960 sein eigener Regisseur und sein eigener Produzent, war Kaye daran nicht wirklich interessiert, und dafür auch wenig geeignet. Er scheute davor zurück, sein Repertoire um wirklich grundsätzlich Neues, noch nie Erprobtes zu erweitern.
Freilich hatte das Leben des in fast jeder Filmrolle so überschäumend, so warm und so unverstellt herzlich erscheinenden Kaye eine Kehrseite: Abseits der Bühne und des Filmstudios lebte er derart zurückgezogen, dass er ungefähr am Ende der 1940er Jahre, so sein kritischer Biograph Martin Gottfried, die Linie zum Manisch-Depressiven überschritt. Was bald auch physisch nicht mehr zu übersehen war. Schon als Kaye seinen 50. Geburtstag feierte, sah er auf Fotografien viel älter aus.
Damals, 1963, hatte er den Zenit seiner Laufbahn bereits überschritten. Seine Filmkarriere war vorbei. Kurze Zeit später wechselte er den Agenten. Sein neuer, junger Manager verschaffte ihm etwas finanziell hoch Lukratives, das allerdings nahezu das Gegenteil dessen war, wovon der so stark von direkter Publikumsreaktion abhängige Entertainer Kaye improvisierend und stimmungsmäßig zehrte - eine eigene Fernsehshow. Vier Jahre lang lief sie. Vier Jahre, in denen er sein Repertoire immer stärker auf die Gags seiner Anfangszeit zu reduzieren hatte, bis schließlich die negativen, gelegentlich sogar misanthropischen und teils bösartigen Züge seines sich verdüsternden, von komplexen und permanenten Selbstzweifeln geprägten Charakters die Oberhand behielten.
Seine Ehe mit Sylvia Fine, einer Songtexterin, die ebenfalls aus Brooklyn stammte und "Anatole of Paris", eine seiner Paradenummern, schrieb, ging schon bald, nachdem sie 1940 geschlossen worden war, in ein recht trostloses, distanziertes, von Seiten Fines bis zuletzt Besitz ergreifendes Stadium über. 1947 kam eine gemeinsame Tochter zur Welt; und scheiden ließ Kaye sich bis zu seinem Tod nicht, auch wenn er Affären hatte, die jedoch nur solche blieben und ihm keine emotionale und psychische Stabilität geben konnten.
Es ist eine ironische, fast schon bittere Note, dass Kaye in seinem Debütfilm "Up in Arms" von 1944, produziert vom Studio Metro-Goldwyn-Mayer, den typischen MGM-Vorspann mit dem brüllenden Löwen persiflierte: löwengleich brüllend präsentierte er in einer brillanten Nummer einen Film von "Manic Depressive Pictures".
Im letzten Drittel seiner Karriere hielten sich seine bemerkenswerten Auftritte in überschaubaren Grenzen. Kaye absolvierte gern, aber routiniert, Dirigentenpersiflagen vor Orchestern, trat noch hier und da auf, etwa in einer Folge der "Muppet Show", in der "Bill Cosby Show" und in "The Twilight Zone".
Flieger und Koch
Viel stärker widmete er, finanziell mehr als gut gestellt, sich intensiv zwei Hobbys: dem Fliegen und dem Kochen, in denen er das erreichte, was Amateuren zu erreichen möglich war.
Der jüngeren Generation war er fast nur noch als Gesicht von UNICEF bekannt: Für die Kinderhilfsorganisation der Vereinten Nationen hatte er seit Mitte der 1950er Jahre rastlos die Welt bereist, vor Kindern gespielt und Spenden gesammelt.
Am 3. März 1987 starb Danny Kaye, der in den Jahren zuvor gesundheitlich angeschlagen war, durch eine Hepatitisinfektion, die er sich 1983 bei einer Bypassoperation zugezogen hatte. Da war er schon längst ein gewesener Komödiant.
Seine Filme mit ihrer Unbeschwertheit und rasanten Leichtigkeit, ihrer unwiderstehlichen Heiterkeit und stupenden Virtuosität sind hingegen bis heute unvergessen. Und unvergänglich.
Alexander Kluy lebt als Journalist, Kritiker, Autor in München. Zahlreiche Veröffentlichungen zu literatur-, kunst- und kulturhistorischen Themen. Herausgeber der Reihe "Wiener Literaturen" des Verlags edition atelier (Wien).