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Der Konservative und der Zeitgeist

Von Klaus Huhold

Politik

Der CDU-Vorsitzender Friedrich Merz steht vor der Frage, welches Profil er einer bürgerlichen Volkspartei geben will.


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Wenn Friedrich Merz in den vergangenen Tagen eine Rede hielt, dann begann er sie gerne mit einem Scherz. Der CDU-Vorsitzende hatte sich das Schlüsselbein gebrochen: Doch es sei zum Glück der linke Arm, der in der schwarzen Schlinge liegt, und die grünen Schrauben, die ihm der Arzt eingesetzt hat, müsse er nicht sehen, witzelte Merz.

Der Scherz ist erprobt und gut überliefert. Vom nordwestlichen Niedersachsen bis ins südöstliche Sachsen reist der 66-Jährige gerade durch Deutschland, und die Medien folgen ihm genau. Denn es sind wichtige Tage für Merz: Der CDU-Parteitag, der heute, Freitag, und am Samstag in Hannover stattfindet, wird ein Stimmungstest für den Mann sein, der die CDU am 31. Jänner nach einer schweren Niederlage bei der Bundestagswahl, bei der die Partei auf 24 Prozent der Stimmen abgestürzt war, übernahm.

Die CDU hat sich seitdem durchaus konsolidiert, wovon zwei Wahlsiege in Schleswig-Holstein und, besonders wichtig, im einwohnerstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen zeugen. In aktuellen bundesweiten Umfragen rangiert die CDU bei rund 26 Prozent Zustimmung - damit liegt sie zwar knapp vor den Grünen auf Platz eins, aber noch weit hinter ihrem Anspruch zurück. Und Merz als direkten Kanzlerkandidaten würden laut dem jüngsten RTL/ntv-Trendbarometer nur 16 Prozent wählen.

Merz selbst führt das darauf zurück, dass über Jahre sehr negativ über ihn berichtet und "manches sehr verzerrt dargestellt" wurde, wie er dem "Spiegel" sagte. Er setzt darauf, dass sich das mit der Zeit ändert.

Auf seiner Suche nach mehr Popularität steckt er aber in einer Zwischenposition: Der ehemalige Fraktionsvorsitzende und spätere Anwalt, der auch durch diverse Aufsichtsratmandate Millionen verdiente, war als Wertkonservativer und Wirtschaftsliberaler angetreten. Das hatte ihm die Sympathien der Parteibasis eingebracht, die sich nach den Jahren unter Angela Merkel und deren Mitte-Kurs nach einem klaren Profil sehnte. Doch ist die CDU-Basis konservativer als die Gesellschaft, die eben in die Mitte gerückt ist. Dieser Entwicklung muss Merz Rechnung tragen.

Ein Transatlantiker, der seine soziale Seite entdeckt

Dazu kommt noch, dass Merz die Aufgabe als Oppositionsführer in einer außergewöhnlichen Krisenzeit übernehmen musste, die die Politik vor sich hertreibt. Genau hier besteht Merz aber auf Kernwerte der CDU: Von Anfang an war er ein klarer Transatlantiker, der den Wert der Nato und einer starken Bundeswehr betonte. Noch vor Kanzler Olaf Scholz reiste Merz zu einem Solidaritätsbesuch in der Ukraine. Und er bezeichnet das Vorhaben von Wirtschaftsminister Robert Habeck, Atomkraftwerke nach Jahresende nur noch im Reservebetrieb zu halten, als "Irrsinn". Damit grenzt er sich nicht nur von der Regierung aus SPD, FDP und Grünen, sondern auch von der Merkel-Vergangenheit ab.

Gleichzeitig befürwortet Merz nun eine Frauenquote in der CDU, was ihm wieder viel Unmut im konservativen Flügel einbrachte. Die Abstimmung darüber soll gleich am Beginn des Parteitages erfolgen, und Merz hofft, dass sie schnell erledigt ist. Auch in wirtschaftlichen Fragen hat der einstige Buchautor, der "mehr Kapitalimus wagen" wollte, seine soziale Seite entdeckt. So fordert er in Zeiten von Inflation und Energiekrise mehr Entlastung für die unteren Einkommen. Gleichzeitig kritisiert er die Regierung, dass sie zu viele Schulden mache.

Die CDU will auf ihrem Parteitag zumindest die Eckpunkte ihres Grundsatzprogrammes festmachen. Sie will sich dabei als bürgerlich definieren und gleichzeitig eine erneuerte "Volkspartei der Zukunft" werden, wie sie es selbst formuliert. Inwieweit sie dabei bürgerliche Werte, Zeitgeist und aktuelle Herausforderungen in einer wirtschaftlich bedrohlichen Situation vereinen kann, ist die Herausforderung der CDU - die sich besonders in ihrem Vorsitzenden widerspiegelt.