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Bis Jahresende will Präsident Franz Fiedler den Österreich-Konvent zu einem gütlichen Ende bringen. Viele bezweifeln, ob ein so genannter großer Wurf gelingt. Dass es aber zu vielen sinnvollen Änderungen der Österreichischen Bundesverfassung kommen wird, dürfte Konsens sein.
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Bis Jahresende sollte der Österreich-Konvent eine neue Verfassung vorlegen. 50 Tage davor dokumentieren Wortmeldungen von Spitzenvertretern des Konvents, dass eine gewisse Nervosität, aber auch erhöhte Diskussionsintensität eingekehrt ist. Während von maßgeblicher Seite nur ein Rohentwurf in Aussicht gestellt wird, andere Geheimgespräche vermuten, manche sogar von einem Scheitern sprechen, gibt es auch optimistische Stimmen.
Gewiss, die Ausschussergebnisse bieten überwiegend keine fertigen Ergebnisse, die man 1:1 übernehmen könnte. Auch ist das innenpolitische Umfeld für einen großen Verfassungskonsens nicht gerade günstig. Dennoch besteht Anlass zur Hoffnung, dass - in welcher Form auch immer - ein neues Kapitel österreichischer Verfassungsentwicklung geschrieben wird, welches vom Parlament im kommenden Jahr fortgeführt werden könnte.
Große Änderungen bei den Bestimmungen über die Organisation der Staatsorgane sind nicht zu erwarten, freilich auch nicht notwendig. Das Zusammenwirken der Organe auf Bundes- wie auf Landesebene hat sich weitgehend bewährt. Allenfalls könnten Detailkorrekturen, etwa beim Wahlrecht, beim Rechnungshof oder bei der Volksanwaltschaft, sinnvoll sein.
Die Bereinigung des Verfassungsrechts um unnütze Bestimmungen wäre hingegen höchst notwendig; gelänge sie, wäre das für sich genommen schon ein großer Erfolg. Die bisherigen Ergebnisse des zuständigen Konventsausschusses 2 sind viel versprechend.
Auch beim Rechtsschutz zeichnet sich die eine oder andere Lösung ab. Wichtigstes Ergebnis ist wohl das Modell einer Landesverwaltungsgerichtsbarkeit, das nach Jahren der Diskussion Chancen auf Verwirklichung hat. Damit hätten die Länder erstmals Anteil an der Staatsfunktion Gerichtsbarkeit und der Rechtsschutz gegen die Verwaltung wäre entscheidend gestärkt. Auch der Verfassungsgerichtshof wird wohl mit einem Zuwachs an Kompetenzen rechnen können. Soweit nach einem Gerichtsurteil das angewendete Gesetz verfassungswidrig erscheint, soll der einzelne diese Verfassungswidrigkeit selbst an den Verfassungsgerichtshof herantragen können, er ist nicht auf einen Antrag des Gerichts verwiesen. Eine weitergehende Forderung nach einer Beschwerde gegen alle Gerichtsurteile wurde im zuständigen Ausschuss 9 überwiegend abgelehnt.
Ob die Arbeiten des Konvents ein Erfolg sind, wird auch daran gemessen werden, ob ein geschlossener Grundrechtskatalog vorgelegt wird, die schmerzlichste Lücke im österreichischen Verfassungsrecht. Der heutige Fleckerlteppich an Grundrechten ist international nicht herzeigbar, innerstaatlich alles andere als angetan, ein Verfassungsbewusstsein in der Bevölkerung zu erzeugen. Es wird maßgeblich am Präsidium des Konvents liegen, hier ein Ergebnis zu erzielen. Soziale Grundrechte werden in einem neuen Katalog enthalten sein, sofern das Präsidium den Vorschlägen des Grundrechtsausschusses und einem Vorschlag der Sozialpartner folgt.
Schließlich ist die Kompetenzverteilung zu nennen. Hier gestaltet sich die Diskussion wenig überraschend sehr schwierig. Immerhin aber ist Konsens, dass die heute oft kleinräumigen Kompetenztatbestände durch größere "Kompetenzfelder" ersetzt werden sollen, um so auch die Kompetenzverteilung flexibler für Änderungen zu halten. Die vielen Typen der Kompetenzverteilung sollen auf drei reduziert werden. Im Konventsjargon ist vom "Drei-Säulen-Modell" die Rede. Unbestritten ist, dass es eine "Bundessäule" und eine "Landessäule" geben soll. Inhalt und Verfahren der dritten Säule sind noch zu präzisieren.
Die nächsten Tage werden entscheiden, ob es gelingt, die angepeilte Erneuerung der österreichischen Bundesverfassung in die Zielgerade und über die Ziellinie zu bringen. Dazu gehört es auch, scheinbar feststehende Positionen in einen Diskussionsprozess einzubringen. n
Univ.-Prof. DDr. Christoph Grabenwarter ist Leiter der Abteilung für Europäisches Öffentliches Recht und Wirtschaftsrecht am Institut für Österreich, Europäisches und Vergleichendes Öffentliches Recht Uni Graz