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Der Körper des Politikers

Von Isolde Charim

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Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Postdemokratie - das Programm von Wahlsieger Sebastian Kurz.


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Droht uns der Rückfall in ein autoritäres Zeitalter, fragte das "Falter"-Radio diese Woche. Indizien dafür seien der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien, gepaart mit der Sehnsucht nach einem Messias.

Bei so einem gravierenden Befund muss man genau sein. Ist die zunehmende Sehnsucht nach einer starken Führungspersönlichkeit tatsächlich die Sehnsucht nach einem Messias? Welcher Art der begehrte starke Mann sein soll, ist zentral. Ein Messias ist jemand, der ganz anders ist als man selbst und der einen eben deshalb erlösen kann. Ist etwa Sebastian Kurz ein Messias? Präziser, also unpolemisch gefragt: Ist das die Sehnsucht, die er erfüllt?

Armin Thurnher nannte Kurz einen Neofeschisten - eine Bezeichnung, für die er viel geprügelt wurde, weil im Feschisten der Faschist drinstecke. Aber hätte Thurnher Faschist gemeint, hätte er das gesagt. Man erfindet ein neues Wort nicht, um das Gleiche, sondern um das Neue zu erfassen.

Feschismus war ja ursprünglich auf Jörg Haider gemünzt - auf dessen spezifische Verbindung von Autoritärem und Körperlichkeit. Das "Neo" des Neofeschisten soll aber anzeigen, dass es bei Kurz um etwas anderes, um eine andere Körperlichkeit geht. Kurz hat nichts von Haiders Lust am Tabubruch. Er ist vielmehr das genaue Gegenteil davon. Jung, schlank, akkurat gegelte Haare, enge Anzüge - der Inbegriff davon, wie sich neoliberaler Erfolg definiert. Kein Tabubrecher, sondern vielmehr ein Oberkonformist. Keiner, der die Ordnung stört, sondern einer, der sie übererfüllt. Kein Messias, sondern vielmehr die Verkörperung des neoliberalen Ideals.

Das ist die Sehnsucht, die er erfüllt. So möchten die Leute auch sein. Kurz bestätigt ihnen: Wenn ihr alle Vorgaben erfüllt, dann stellt sich der Erfolg auch ein. Eine Garantie, die er sozusagen körperlich abgibt. Darin steckt sein gesamtes Programm. Der Körper des Politikers rückt in den Fokus, weil er nicht für, sondern anstelle eines politischen Apparats, anstelle einer Partei steht. Das ist keine martialische Körperlichkeit, sondern eine postheroische. Ihr Programm ist nicht Gewalt. Kurz verkörpert ein anderes Programm - das des optimierten Einzelnen, losgelöst von allen Institutionen. Das ist es, was uns nun erwartet.

Es ist etwas zutiefst Paradoxes an dieser Politik der Entfesselung der ökonomischen Fliehkräfte, also der Privatisierungen, von dem, was noch zu privatisieren ist, des Abbaus der Sicherungssysteme, des Sozialstaats, der Kammern - kurzum der Vollendung von dem, was die erste schwarz-blaue Koalition nicht mehr geschafft hat, weil sie im Chaos ihrer Korruptheit und Unfähigkeit untergegangen ist. Diese neoliberale Politik also ist eigentlich, streng genommen, eine politische Aufhebung der Politik. Sie ist nichts anderes als die Herstellung einer Postdemokratie - also einer formell demokratischen Fassade für Lobbyinteressen.

Postdemokratie ist es, die sich in Kurz’ Körperpolitik ankündigt. Wir aber ersehen daran: Entgegen der Theorie, die Postdemokratie als umfassenden gesellschaftlichen Zustand begreift, ist diese etwas anderes. Postdemokratie ist ein politisches Programm. Dafür steht Kurz. In all seiner Körperlichkeit.