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Der Kreml möchte seine Armee radikal reformieren

Von WZ-Korrespondent Christian Weisflog

Politik

Vom maroden Massenheer zu mobilen Kampfeinheiten. +++ Anzahl der Panzer soll um 90 Prozent gesenkt werden. | Moskau. Russlands Politiker haben bis heute den Anspruch, mit den USA "auf Augenhöhe zu sein". Dies gilt besonders beim Besuch von US-Präsident Barack Obama nächste Woche im Kreml. Militärisch gesehen hat Moskau den Anschluss jedoch längst verloren. Die neue Armeereform macht dies nun auch in Zahlen deutlich: Nach Informationen der Nachrichtenagentur Interfax will Russland seine stolze Panzerflotte von heute 22000 auf nur noch 2000 Fahrzeuge zusammenstreichen. Derweil verfügt die US-Armee momentan über knapp 8000 Kampfpanzer.


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Systeme veraltet

Die Gründe für die Reduzierung sind finanzieller als auch technischer Natur. Der Großteil des heutigen Panzerbestandes ist längst veraltet und pannenanfällig. Dies zeigte sich im vergangenen Sommer während des Georgien-Krieges sehr deutlich, in dem die russischen Soldaten nicht nur mit dem Gegner, sondern auch mit der eigenen Technik zu kämpfen hatten.

Mit dem Alter der Waffensysteme steigen zudem auch ihre Unterhaltskosten. Russlands Präsident Dmitri Medwedew machte deshalb klar: "Die alte Technik in Krisenzeiten zu reparieren, während die Rüstungsunternehmen nicht ausgelastet sind, ist unzulässig. Wir müssen neue Technik kaufen."

Um die bestehende Flotte in alter Größe zu modernisieren, reicht Russland das Geld jedoch nicht aus. Besonders jetzt in der Wirtschaftskrise: Dem Staat droht in diesem Jahr ein Haushaltsdefizit von zehn Prozent. Zurzeit gehen Beobachter davon aus, dass die russischen Geldreserven Mitte nächsten Jahres aufgebraucht sein werden. Dann müsste der Kreml sich erneut auf den internationalen Finanzmärkten oder beim Währungsfonds verschulden.

Wenig Binnennachfrage

Selbst in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs jedoch hielt sich die russische Waffenindustrie vor allem durch Exporte über Wasser. Im vergangenen Jahr kaufte die Armee gerade mal rund 40 neue Panzer ein. Eine Reduktion auf 2000 Fahrzeuge erscheint daher angesichts der wirtschaftlichen Möglichkeiten Russlands durchaus vernünftig. Es ist bemerkenswert, dass diese Anzahl weit unter der maximalen Obergrenze des Vertrages über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) liegt, den der Kreml 2007 mit viel Getöse auf Eis gelegt hatte. Gemäß dem internationalen Abkommen dürfte Moskau im europäischen Teil Russlands nämlich bis zu 6400 Panzer stationieren.

Es bleibt nun jedoch abzuwarten, wie konsequent die russische Regierung die angestrebte Reform tatsächlich durchführt.

Denn die umfassende Erneuerung sieht auch eine radikale Reduktion des übergroßen Offizierscorps vor: Von 350.000 Offizieren sollen 200.000 ausgemustert werden - also 57 Prozent. Die heute knapp 2000 Heereseinheiten will die Regierung binnen dreier Jahre auf 170 vermindern. Aufgrund dieser radikalen Eingriffe fürchten Beobachter, dass die Reform letztlich am internen bürokratischen Widerstand scheitern könnte. Erste Unmutsbekundungen gab es bereits.