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Der Kreml wird nervös

Politik
Wütende Demonstranten gehen in Moskau auf Tuchfühlung mit der Polizei.
© reuters / Maxim Shemetov

Putin-Gegner kündigen weitere Proteste an. Russische Behörden setzen weiter auf Repression.


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Kreml-Kritiker Alexej Nawalny gibt nicht klein bei. Nach den Massenprotesten vom Sonntag mit tausenden Festnahmen rufen er und sein Team jetzt zu weiteren Demonstrationen auf. Die Menschen sollten den Oppositionellen am Dienstag vor einem Gericht in Moskau unterstützen, schrieb sein Team im Nachrichtenkanal Telegram. Dem 44-Jährigen drohen mehrere Jahre Gefängnis.

Unterstützer hatten die Freilassung Nawalnys bereits am Sonntag bei Protestveranstaltungen in rund 100 Städten gefordert. Die Demonstranten zeigen Entschlossenheit, Beobachter gehen davon aus, dass die Proteste noch größer ausgefallen sind als am Wochenende zuvor. Da waren bereits Hunderttausende auf die Straße gegangen.

Nawalny drohen zweieinhalb Jahre Haft

Das Machtzentrum in Moskau reagiert angesichts der zählebigen weit gestreuten Proteste zunehmend nervös: So kamen am letzten Sonntag deutlich mehr Menschen in Polizeigewahrsam als zuvor. Das Portal Owd-Info listet mehr als 5.100 Festnahmen auf. Die meisten mit mehr als 1.600 gab es demnach in Moskau. Die Sicherheitskräfte gingen mit Elektroschockern und Schlagstöcken gegen Demonstranten vor. Erst am Abend wurden Metro-Stationen wieder geöffnet und gesperrte Straßen für Autos freigegeben.

Zudem wurden Menschenrechtlern zufolge mehr als 50 Journalisten in Polizeigewahrsam genommen. Auch die Ehefrau Nawalnys war stundenlang festgehalten worden, bevor sie wieder auf freien Fuß kam. Medienberichten zufolge droht Julia Nawalnaja wegen Teilnahme an nicht genehmigten Kundgebungen eine Geldstrafe oder bis zu 15 Tage Haft. Auch Nawalnys Bruder Oleg wird offenbar von den Behörden festgehalten.

Der Kremlkritiker selbst könnte zweieinhalb Jahre Haft ausfassen. Die Staatsanwaltschaft bezeichnete den Antrag der Strafvollzugsbehörde auf Umwandlung der existierenden Bewährungs- in eine Haftstrafe für Nawalny als "legal und berechtigt". Am Dienstag könnte über Nawalny entschieden werden.

Der Kreml verteidigt unterdessen die Vorgangsweise der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten. "Natürlich muss die Polizei Maßnahmen gegen Teilnehmer dieser illegalen Kundgebungen ergreifen", so Kremlsprecher Dmitri Peskow. Es habe eine "ziemlich große Anzahl" von Rowdys und Provokateuren "mit mehr oder weniger aggressivem Verhalten" gegeben, so Peskow. Mit "Hooligans" könne es keinen Dialog geben. Hierbei sei es notwendig, die "volle Härte des Gesetzes" anzuwenden.

Nawalny ist zuletzt aus Deutschland nach Russland zurückgekehrt, obwohl er Opfer eines Mordanschlags mit dem Nervengift Nowitschok geworden war. Er macht ein "Killerkommando" des Inlandsgeheimdienstes FSB unter Putins Befehl dafür verantwortlich. Putin und der FSB weisen das zurück.

Nawalnys Enthüllungsvideo ging viral

Die russischen Behörden setzen unterdessen ihren repressiven Kurs fort. Am Montag trat ein Gesetz in Kraft, das Betreiber sozialer Netzwerke verpflichtet, Informationen über Anti-Putin-Demonstrationen zu suchen und diese zu blockieren. Demnach sollen auch Inhalte über Terrorismus und Staatsgeheimnisse nicht mehr aufgerufen werden können.

Die Obrigkeit in Moskau war zuletzt schon gegen soziale Netzwerke vorgegangen, weil dort Aufrufe zu Protesten für Nawalny verbreitet worden waren. In diesem Zusammenhang wurden bereits Geldstrafen etwa gegen Facebook, Twitter und YouTube verhängt. Der Oppositionelle nutzt wie kein anderer Politiker in Russland die sozialen Medien.

Welch hohe Reichweiten Nawalny dabei erzielt, zeigt sein Enthüllungsvideo "Ein Palast für Putin", in dem er Präsident Wladimir Putin ein aus Schmiergeldern finanziertes luxuriöses Anwesen am Schwarzen Meer zuschreibt. Der Kreml streitet jeden Wahrheitsgehalt ab.

Die EU hat zuletzt darauf verzichtet, gegen Russland Sanktionen wegen des Vorgehens gegen Nawalny zu verhängen. Darüber soll - auch abhängig von der anstehenden Entscheidung der Justiz - im Laufe des Februars entschieden werden.(red)