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Seit den 60er Jahren herrscht in Kolumbien ein Krieg zwischen den Guerillabewegungen FARC (Revolutionäre Streikräfte Kolumbiens) und ELN (Nationales Befreiungsheer) und dem mit den Paramilitärs eng verflochteten Staat. Im Grunde aber ist es ein Krieg des Establishments gegen die Bevölkerung. Unter dem 2002 gewählten Präsident Alvaro Uribe wurden die Attacken gegen Bauernorganisationen, Gewerkschaften und soziale Bewegungen weiter verstärkt.
5.000 Morde pro Jahr
2002 wurden laut der Menschenrechtsorganisation Codhes 412.553 (20 Prozent mehr als 2001) Menschen zu Flüchtlingen, insgesamt sind es 2,7 Millionen. Im selben Zeitraum wurden 544 Massaker mit 2.447 Toten, 4.512 politische Morde und 744 Verschwundene gezählt.
Für die Menschenrechtsverbrechen sind aber nicht mehr, wie in den 80er Jahren, vorwiegend Armee und Polizei verantwortlich, sondern zu mehr als 70 Prozent Paramilitärs. Diese arbeiten wiederum so eng mit den Streitkräften zusammen, dass Human Rights Watch ihnen einen Bericht mit dem Titel "Die VI. Division der Armee" widmete. Teilweise werden sie auch von Unternehmen angeheuert, so etwa von Coca Cola, um im Unternehmensinteresse gegen Gewerkschafter vorzugehen.
Transnationale Konzerne (TNC) und die US-Regierung haben aufgrund der geostrategischen Lage, großer Kohle- und Goldvorkommen, der Agrarexporte und der bedeutenden Erdölreserven ein großes Unteresse an Kolumbien. Daher flossen seit 2000 über 2,5 Mrd. Dollar US-Militärhilfe ins Land. Vor Ort sind auch hunderte Ausbilder der US-Army und zahlreiche vom Pentagon und TNCs beauftragte Private Military Contractors (PMCs), sozusagen private Kriegsunternehmen.
Von einer öffentlichen Diskussion kaum berührt, ist Outsourcing längst auch beim Militär übliche Praxis. Von der Verteilung der Feldpost bis hin zur Auswertung von Radarflügen reichen die Aufgaben, die längst von den Armeen an die Privatfirmen übertragen wurden. Rund um den Globus beläuft sich das Business mit ausgelagerten Militäraufgaben auf schätzungsweise 100 Mrd. US-Dollar. In allen denkbaren Konfliktgebieten kommen private Sicherheitsunternehmen und PMC's zum Einsatz. So stellt etwa das Kriegsunternehmen DynCorp den Personenschutz für den afghanischen Präsidenten Hamid Karzai in Afghanistan und absolviert in Kolumbien Sprühflüge gegen vermeintliche Koka-Felder in Kolumbien.
Das südamerikanische Land stellt einen wahren Tummelplatz für solche Unternehmen dar. Mindestens 14 PMC's mit etwa 1.000 bis 2.000 Beschäftigten sollen dort tätig sein. Von den 800 Mill. Dollar US-Militärhilfe, die Kolumbien 2002 bekam, gingen 150 Millionen direkt an private Kriegsunternehmen.
PMC-Angestellte sind dort als Ausbilder, Überwachungsexperten, Flugzeugmechaniker, Piloten und Spezialteams für Polizei und Militär tätig. Es sind ehemalige Angehörige von US-Eliteeinheiten und Ex-Militärs aus anderen Ländern, Veteranen aus Einsätzen in Vietnam, dem Persischen Golf und El Salvador. Teilweise verbringen auch aktive Mitglieder der verschiedenen US-Militäreinheiten ihren Urlaub als gut bezahlte Militär-Dienstleister. Auftraggeber ist das Pentagon, die Drogenbehörde (DEA) oder eine Sektion der Geheimdienste.
In der Regel garantieren die Regierungen der entsprechenden Länder, so auch im Fall Kolumbien, den PMC-Angestellten auch Straffreiheit. D.h. sie können für Verbrechen nicht zur Verantwortung gezogen werden. So auch im Fall des Unternehmen AirScan aus Florida, dem die Überwachung der Förderanlagen und Pipeline der Occidental Oil (Oxy) in Arauca obliegt. Auf Anweisung von AirScan-Mitarbeiter griffen am 18. Dezember 1998 Kampfhubschrauber der kolumbianischen Luftwaffe die vermeintlichen FARC-Einheiten an. Tatsächlich wurde das Dorf Santo Domingo während des jährlichen Gemeindefestes unter Beschuss genommen. 18 Dorfbewohner, darunter sieben Kinder, starben im Maschinengewehrfeuer oder wurden von Cluster-Bomben zerfetzt. Ein Verfahren gegen die Angestellten des Militärunternehmens wurde nie angestrengt.
Das Outsourcing von Militäraufgaben bietet zahlreiche Vorteile für die Auftraggeber. Da es sich um Privatfirmen handelt, die aus den USA finanziert werden, leugnen die kolumbianischen Behörden jedes Wissen über ihre Operationen. Das Pentagon verfügt hingegen über eine direkte Kontrolle und direkten Zugriff auf das Kampfgebiet, während es gleichzeitig Fragen oder Kritik von sich weist, da es sich um Privatunternehmen handelt. Und die Unternehmen selbst unterliegen einer Schweigepflicht.
Unbehelligtes Walten
Auch lassen sich durch die Nutzung von PMC's versteckte Auslandseinsätze durchführen. Da nur Aufträge mit einem Volumen von mehr als 50 Mill. Dollar dem US-Senat vorgelegt werden müssen, überschreiten Aufträge an PMC's so gut wie nie diese Summe und werden jeder demokratischen Kontrolle entzogen.
So kann Maria Salazar, Vize-Staatssekretärin für Anti-Drogenpolitik im US-Außenministerium vor einem Unterausschuss des Kongresses ruhig behaupten, "das Verteidigungsministerium wird die Linie, die den Antidrogenkampf von der Aufstandbekämpfung trennt, nicht überschreiten", für die Ex-Elitesoldaten, die nun von PMC's angestellt sind, gilt diese Einschränkung nicht.
Wenn bekannt wird, dass die vermeintliche Grenze überschritten wurde, so weist die US-Regierung in der Öffentlichkeit jede Schuld von sich. Und kommt ein PMC-Mitarbeiter bei einem Einsatz ums Leben, so verursacht dies weit weniger Aufsehen, als der Tod eines US-Soldaten. Myles Frechette, ehemalige US-Botschafterin in Kolumbien, sagte dazu: "Es ist natürlich sehr praktisch, Einsatzkräfte zu haben, die nicht Teil der US-Streitkräfte sind. Wenn jemand umkommt oder was auch immer geschieht, kann man sagen, es war kein Angehöriger der Streitkräfte. Denn niemand will amerikanische Militärangehörige sterben sehen."