Ausstellungseröffnung im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum am 100. Jahrestag des Sarajevo-Attentats.
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Wien. Grün sind die Tische, an denen Diplomaten Friedensverträge aushandeln. Grün ist auch das Gras, in das zuvor sprichwörtlich viele Soldaten, aber auch Zivilisten beißen müssen. Es passt gut, wenn auf den grünen Wiesen rund um das Heeresgeschichtliche Museum (HGM) im Wiener Arsenal Tafeln mit der Aufschrift "Kriege gehören ins Museum" stehen. Sie laden zum Besuch der Ausstellung "100 Jahre Erster Weltkrieg" ein, die heute, Samstag, pünktlich zum 100. Jahrestag des Attentats von Sarajevo eröffnet wird. "Niemals vergessen!" sei die Devise, betonte Verteidigungsminister Gerald Klug in einem Mediengespräch zur Ausstellung am Freitag.
Es handelt sich um keine Sonderschau, sondern um einen Teil der Dauerausstellung mit einer "Mindestnutzungsdauer von 15 Jahren", sagte HGM-Direktor Christian Ortner. Die Neuaufstellung der Bestände zu den Jahren 1914 bis 1918 erfolgte nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das Neue sieht Ortner vor allem darin, dass über den Kriegsausbruch und -verlauf hinaus etliche "Querschnittsthemen" stärker beleuchtet werden.
Dazu zählt etwa die Rolle von Frauen im Krieg. Sie arbeiteten meist im Sanitätsbereich oder für die Rüstung, im Ersten Weltkrieg gab es aber auch erstmals Frauen im Kampfeinsatz bei den österreichisch-ungarischen Truppen: Sie gehörten der ukrainischen Freiwilligen-Legion an und bekamen erst nach einer entsprechenden Reform die Chance auf Tapferkeitsmedaillen, denn diese waren zuerst natürlich nur für Männer vorgesehen. Solche Legionen, die für die Autonomie ihrer Heimat kämpften, wurden auch von Polen und Albanern gebildet, dort aber nur von Männern. Die Schau nehme, so Ortner, diese Legionen erstmals genauer in den Blick.
Neu beleuchtete Themen seien auch die Militärgerichte, die mitunter nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilisten nach dem Standrecht hinrichten ließen, exotische Kriegsschauplätze, der Einsatz von Tieren im Krieg, die Luftfahrt oder die Schicksale von Kriegsinvaliden und Kriegsgefangenen. Den Mangel an Rohstoffen, vor allem an Textilien, veranschaulicht die aus Papier gefertigte Kleidung eines Kriegsgefangenen, die zwar relativ warmhielt, aber nur eine Lebensdauer von wenigen Wochen hatte. Ortner sieht darin ein sichtbares Zeugnis der "Notlage der österreichisch-ungarischen Monarchie". 9,5 Millionen Soldaten ließen in diesem Krieg ihr Leben, davon 1,5 Millionen aus Österreich-Ungarn, von diesen kam ungefähr ein Drittel nicht auf dem Schlachtfeld, sondern in Gefangenschaft um.
Erster Höhepunkt der Schau ist der Raum mit den Exponaten vom 28. Juni 1914: das Automobil der Marke Graef & Stift (Baujahr 1910, 4 Zylinder), in dem Erzherzog Franz Ferdinand mit seiner Frau Sophie durch Sarajevo fuhr, seine blutbefleckte Uniform, die Chaiselongue, auf der er starb, und die Waffe des serbischen Attentäters Gavrilo Princip.
Waffen, Uniformen, Kunst
Gegenstände wie der Marschallstab und das Zigaretten-Etui des österreichischen Generalstabschefs Franz Conrad von Hötzendorf sind da, aber nicht prägend für diese Schau. Vor allem Waffen, Uniformen und Ausrüstungsobjekte säumen den Weg durch die Schauräume mit 35 Vitrinen auf zwei Ebenen. Für die Architektur der Schau, die den größten Umbau des Museums seit Jahrzehnten umfasste, sorgte Checo Sterneck. Drei Viertel der Gesamtkosten, die 3,9 Millionen Euro betragen, trägt das Museum selbst. Dank einer Niveausenkung um 1,8 Meter konnte eine Zwischendecke eingezogen und die Ausstellungsfläche von 1000 auf 1400 Quadratmeter ausgedehnt werden. Fast 2000 Objekte sind zu sehen.
Besonderes Augenmerk verdienen der Prototyp des Doppeldeckers Albatros B II, eines von 5200 Fluggeräten der Habsburger-Monarchie, eine Panzerkuppel aus der umkämpften Festung Przemysl von der Ostfront und eine 38-cm-Haubitze, die 1918 an der Westfront im Einsatz war. Dass diese von den Skoda-Werken in Pilsen hergestellte, damals topmoderne Haubitze (Reichweite: 15 Kilometer, Gesamtgewicht: 81 Tonnen) erhalten blieb, ist vor allem einem vom damaligen Museumsleiter vorgetäuschten Haarriss zu verdanken. Er bewirkte, dass man im Zweiten Weltkrieg den schon gefassten Plan, sie erneut einzusetzen, fallen ließ.
Als künstlerisches Highlight der Bestände des HGM und "Antikriegsbild" von Format hob Ortner das Gemälde "Den Namenlosen 1914" des Osttiroler Malers Albin Egger-Lienz, der zur Kunstgruppe des k.u.k. Kriegspressequartiers gehörte, hervor. Kaum bekannt war lange Zeit, dass auch Egon Schiele mit zwei Porträtskizzen in der HGM-Sammlung vertreten ist.
Wie Museumschef Christian Ortner erklärte, nimmt die Schau über den Ersten Weltkrieg viel Platz, aber nur einen halben der insgesamt vier Flügel des Museums ein. Derzeit sind im HGM Objekte vom späten 16. Jahrhundert bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts zu sehen. Diesen Zeitraum würde man gerne erweitern, doch das Haus habe wie viele Museen "zu wenig Platz". Mit seinen mehr als 1,1 Millionen Objekten könnte das HGM "noch drei Häuser füllen".