In Afrika, aber auch in anderen Teilen der Welt, ist das Phänomen der Kindersoldaten weit verbreitet. Für die Betroffenen die Hölle auf Erden. Von skrupellosen Kriegherren zu willfährigen Werkzeugen geformt, leiden sie oft ein Leben lang unter den von ihnen begangenen Gräueltaten. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) kämpft gegen diese Menschen verachtende Praxis in bewaffneten Konflikten rund um die Welt.
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Was tun vier- bis zehnjährige Kinder? Sie ziehen in den Krieg. Was tun ältere Kinder und Jugendliche? Sie ziehen in den Krieg. - Das ist in Afrika nichts Ungewöhnliches. Kindersoldaten gehören in vielen Ländern des Schwarzen Kontinents zum Alltagsbild. In Sierra Leone sind Straßenkontrollen von bewaffneten Kindern im Volksschulalter keine Seltenheit und manche ihrer "Generäle" sind gerade einmal fünfzehn Jahre alt.
In den vergangenen Jahren wurden unter anderem in Angola, Burundi, Kongo, Äthiopien, Uganda und dem Sudan Kindersoldaten in bewaffneten Konflikten eingesetzt.
Nach UNICEF-Angaben stehen weltweit ca. 300.000 Kinder unter Waffen, davon werden allein in Afrika 120.000 in bewaffneten Konflikten "eingesetzt". Viele sind nicht älter als sieben Jahre. Mit unvorstellbarer Grausamkeit und Erniedrigungen werden sie zu willenlosen Werkzeugen der Kriegsherren gemacht. Sie schleppen die Munition und den Proviant, verrichten "Botendienste", spionieren und erfüllen skrupellos jeden Kampfeinsatz - den Wert menschlichen Lebens haben sie nie kennen gelernt.
Drakonische Maßnahmen
Kriegsherren wissen genau, warum sie Kindersoldaten einsetzen. Kinder denken, alles sei nur ein Spiel und haben deshalb kaum Angst. Massiver Alkohol- und Drogeneinfluss vernichten auch noch die letzten Skrupel bei den vorsätzlich entmenschten kleinen Kämpfern. Wer sich weigert, Rauschgift zu nehmen oder Alkohol zu trinken, wird getötet. "Technische Sabotage" nennen die Anführer diesen Delikt. Fluchtversuche werden mit grausamster Folter bestraft. Jede Art von Befehlsverweigerung, aber auch Krankheit und Schwäche werden mit dem Tod geahndet.
Trügerischer "Ausweg"
Dennoch schließen sich manche Kinder sogar freiwillig einer Armee an. Die unvorstellbare Armut in von Kriegen zerrütteten Ländern treibt etwa Straßenkinder oder Kriegswaisen in die Arme diverser Armeen oder Rebellengruppen. Häufig herrscht in den Kriegsgebieten Hunger, die Ernten wurden vernichtet oder sind überhaupt ausgefallen. In der Truppe erhoffen sich diese Kinder dann, ernährt und vor Feinden geschützt zu werden. Das Heer ist dann eine Art Familienersatz und vermittelt eine trügerische Selbstdefinition über die Gruppenzugehörigkeit, nach dem Motto: "Wir gegen die Anderen". Aber auch Rache ist ein mögliches Motiv, das Kinder zu Soldaten werden lässt. Sie wollen den Tod der Eltern oder anderer Verwandten nicht ungesühnt lassen. Dass sie dies wiederum versuchen, indem sie selbst kämpfen, wo doch Gewalt den Tod der geliebten Menschen herbeigeführt hat, ist eine Tragik in sich.
Zwangsrekrutierungen
Die Mehrheit der Kinder aber geht selbstverständlich nicht freiwillig in den Krieg, sie wird zwangsrekrutiert, mit vorgehaltener Waffe zum Militäreinsatz gezwungen, gezwungen oft sogar ihre eigenen Eltern zu töten, um sie vollständig zu entwurzeln. In Uganda etwa, wurden Kinder systematisch aus Schulen und Häusern verschleppt oder direkt vom Spielen auf dem freien Feld entführt. Siebzig Prozent dieser Kinder sind zwölf bis fünfzehn Jahre alt.
Die größte Kinderarmee soll nach UN-Schätzungen im Kongo aufgestellt worden sein. Sogar in Diskotheken sollen die Anwerber ihrem schmutzigen Geschäft nachgegangen sein.
Die Republik Kongo hat schon vor zwei Jahren Demobilisierungscamps für Kindersoldaten in Zusammenarbeit mit der Organisation "Save the Children" eingerichtet. Das Projekt hat sich als Tropfen auf den heißen Stein erwiesen - während der Wirren der Ära Kabila gingen die Rekrutierungen ungebremst weiter.
Aber nicht nur in Afrika sondern auch in vielen anderen Teilen der Welt gibt es Kindersoldaten. In Tschetschenien und auch Afghanistan werden Kinder auf diese Weise ausgebeutet. Die Problematik der Kindersoldaten ist ein globales Problem. Sie leiden ein Leben lang unter ihren Taten, eine Resozialisierung ist denkbar schwer, da sie in ihrer Kindheit und Jugend ihrer Gefühle und Empfindungen völlig beraubt worden sind.
"Straight 18"-Abkommen
Um den Kindern das Leid und ein zerstörtes Leben zu ersparen, setzt sich die UNICEF und eine Reihe NGOs dafür ein, wenigstens ganz auf die Rekrutierung von Minderjährigen zu verzichten. Zu diesem Zweck wurde im Jänner 2000 ein Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention von 1989 verabschiedet. Das sogenannte "Straight 18"-Abkommen wurde bis heute von 111 Staaten unterzeichnet, 53 Länder haben es ratifiziert.
Doch die Instrumentalisierung der Kinder geht weiter. In seinem Roman "Allah muss nicht gerecht sein", der vom Schicksal eines Kindersoldaten handelt, lässt der Autor Ahmadou Kouroumas seinen Ich-Erzähler sagen: "Der Kindersoldat ist die berühmteste Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts." - Eine sehr traurige Berühmtheit!
Nadia Baha ist Mitarbeiterin von Radio Afrika