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Der Krieg gegen die "Minderwertigen"

Von Christa Karas

Wissen

Ausstellung am Otto-Wagner-Spital wurde nun erweitert. | Wien. "Liebe Eltern! Hier ist es sehr schlecht, wir kriegen nur eine Schnitte Brot und ein bisschen Kaffee... die Kinder werden nie satt gemacht." Der Brief des Buben, geschrieben im Jahr 1945 in der Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof bzw. deren Kinder- und Jugendabteilung Am Spiegelgrund, hat die Adressaten nie erreicht. Sie erhielten in der Regel tröstlichere Post, die den Mord durch Verhungernlassen verschleierte: "Ihr Sohn erkrankte an heftigen Durchfällen, denen er erlegen ist. Er ist sanft hinübergeschlummert.. ."


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Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) hat im Auftrag der Stadt Wien und mit Unterstützung des Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer

des Nationalsozialismus die Dauerausstellung "Der Krieg gegen die Minderwertigen - Zur Geschichte der NS-Medizin in Wien" neu gestaltet und erweitert. Gedacht wird darin nicht nur der Ermordung von 7500 Menschen und des Mutes derjenigen, die - wie etwa Sr. Anna Bertha von Königsegg oder Franziska Danneberg-Löw - gegen den Abtransport von Pfleglingen protestierten, ihn verhinderten oder wenigstens zu verhindern versuchten, es wurden auch besondere Schwerpunkte innerhalb des "absolut Bösen" (Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, SPÖ, bei der Neueröffnung Mittwoch im Beisein des Spiegelgrund-Überlebenden Fritz Zawrel) gesetzt.

Neben einem umfassenden Überblick über die NS-Medizinverbrechen in Wien und deren historische Hintergründe verweist die Ausstellung nun insbesondere auf die Ermordung der rund 800 kranken oder behinderten Kinder und Jugendlichen Am Spiegelgrund und rückt die sogenannte "wilde Euthanasie" deutlicher als bisher in den Vordergrund. Dem neuesten Stand der - auf Grund zahlreicher vernichteter Dokumente - mühsamen Forschung zufolge, so die Historikerin Brigitte Bailer (DÖW), wurden im Rahmen der "Aktion T4" 3200 Menschen in Hartheim ermordet, während an die 3500 in der Anstalt Am Steinhof an Hunger (nicht zuletzt infolge strikter Lebensmittelrationierungen), unbehandelten Krankheiten und völliger Vernachlässigung (auch wegen Mangels an Ärzten und Pflegepersonal) starben.

Festgehalten und zum Teil auch via Internet einsehbar sind diese Hintergründe in der ausgezeichneten wissenschaftlichen Bibliothek der Ausstellung. Besonders empfohlen der Beitrag von Peter Schwarz: "Mord durch Hunger".

Dauerausstellung "Der Krieg gegen die Minderwertigen - Zur Geschichte der NS-Medizin in Wien" im Otto-Wagner-Spital, Pavillon V, 1140, Baumgartner Höhe 1. Geöffnet Mittwoch bis Freitag von 10 bis 17 Uhr oder nach Vereinbarung unter Tel. 01/2289469-319 bzw. Mail: office@doew.at http://www.spiegelgrund.at